DGUV Information 209-023 - Lärm am Arbeitsplatz

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Abschnitt 4.4 - 4.4 Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 "Lärm"

Ab einem LpAeq von 80 dB(A) ist die LärmVibrationsArbSchV, unterhalb von 80 dB(A) die ArbStättV mit der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 "Lärm" heranzuziehen. Denn unterhalb dieser Pegelgrenze liegt im Allgemeinen kein Risiko für irreversible Gehörschäden vor. In diesem Pegelbereich können durch Lärm sogenannte extra-aurale Lärmwirkungen, wie zum Beispiel Stressreaktionen, entstehen (vgl. Abschnitt 3.3).

Um vor den extra-auralen Lärmwirkungen zu schützen und die Anforderungen der ArbStättV zu konkretisieren, behandelt die ASR A3.7 folgende wesentliche Aspekte:

  • maximal zulässige Beurteilungspegel Lr für drei verschiedene Tätigkeitskategorien

  • raumakustische Anforderungen für typische Raumnutzungsarten, sowie

  • Beurteilung von Gefährdungen und dazugehörige Schutzmaßnahmen

Bei Einhaltung der ASR A3.7 kann von der Anforderungserfüllung der ArbStättV ausgegangen werden.

4.4.1
Beurteilungspegel für verschiedene Tätigkeitskategorien

Die ASR A3.7 unterscheidet drei Tätigkeitskategorien, die sich an der Komplexität der Aufgabe und der damit verbundenen Notwendigkeit der Konzentration sowie der Sprachverständlichkeit orientieren. Je höher die Konzentrationsanforderungen und je weitreichender die Folgen einer Entscheidung sind, desto niedriger muss der vorherrschende Beurteilungspegel Lr ausfallen. Der Beurteilungspegel setzt sich zusammen aus dem A-bewerteten äquivalenten Dauerschallpegel LpAeq und Zuschlägen für Impuls- (Kl) sowie Ton- und Informationshaltigkeit (KT). Damit soll der besonderen Störwirkung von dominant auftretenden Geräuschen oder der besonderen Ablenkung durch Sprache anderer Personen Rechnung getragen werden.

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Tabelle 2
Pegel und Zuschläge

Erläuterung der Größen
GrößeEinheitErläuterung
LpA,eqdB(A)äquivalenter A-bewerteter Dauerschallpegel
KldB(A)Zuschlag für Impulshaltigkeit
KTdB(A)Zuschlag für Ton- bzw. Informationshaltigkeit

Weitere Informationen und Beispiele zur Berechnung des Beurteilungspegels stehen in Abschnitt 5.2.1. In der ASR A3.7 sind maximal zulässige Beurteilungspegel für bestimmte Tätigkeiten festgelegt:

Tätigkeitskategorie I: Lrdarf 55 dB(A) nicht überschreiten.

hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit

Tätigkeiten, die eine andauernd hohe Konzentration erfordern, weil sie für die Erbringung der Arbeitsleistung kennzeichnend sind, wie zum Beispiel:

  • schöpferisches Denken

  • kreative Entfaltung von Gedankenabläufen

  • exaktes sprachliches Formulieren

  • Verstehen von komplexen Texten mit komplizierten Satzkonstruktionen

  • Arbeitsgegenstand oder -ablauf stark zugewendet, verbunden mit hohem Entscheidungsdruck

  • Entscheidungen treffen mit großer Tragweite

  • hohe Sprachverständlichkeit

Tätigkeitskategorie II: Lrdarf 70 dB(A) nicht überschreiten.

mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit

Tätigkeiten, die eine mittlere oder nicht andauernd hohe Konzentration oder gutes Verstehen gesprochener Sprache bedingen, weil für die Erbringung der Arbeitsleistung kennzeichnend sind, wie:

  • üblicherweise Routineanteile (wiederkehrende ähnliche und leicht zu bearbeitende Aufgaben)

  • Entscheidungen geringerer Tragweite treffen (in der Regel ohne Zeitdruck)

  • für Kommunikationszwecke erforderliche Sprachverständlichkeit

Tätigkeitskategorie III: Lrunter Berücksichtigung der betrieblichen Lärmminderungspotentiale so weit wie möglich reduzieren.

geringere Konzentration oder geringere Sprachverständlichkeit

Tätigkeiten, die eine geringere Konzentration infolge überwiegend vorgegebener Arbeitsabläufe mit hohen Routineanteilen erfordern und geringere Anforderungen an die Sprachverständlichkeit stellen.

4.4.2
Nachhallzeiten für typische Raumnutzungsarten

Darüber hinaus setzt die ASR A3.7 Anforderungen an die Nachhallzeit T (Begriffserklärung: siehe 8.2.2.2). In folgenden Räumen soll die Nachhallzeit im unbesetzten Zustand - jeweils in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz - nicht überschritten werden:

  • Callcenter (Büro für kommunikationsbasierte Dienstleistungen): T = 0,5 s

  • Mehrpersonen- und Großraumbüro: T = 0,6 s

  • Ein- und Zweipersonenbüro: T = 0,8 s

In Bildungsstätten, wie in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen, wird in besetztem Zustand des Raums für die Anforderung "Unterricht mit Personen ohne Bedürfnis nach erhöhter Sprachverständlichkeit" die Soll-Nachhallzeit Tsoll mit der folgenden Gleichung berechnet, unter Berücksichtigung des Raumvolumens V. Dabei ist in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz jeweils eine Toleranz von ±20 % zulässig.

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mit V: Raumvolumen in m3

Beispiel: Für einen Unterrichtsraum mit einem Raumvolumen von 210 m3errechnet sich demnach für den besetzten Zustand ein Sollwert für die Nachhallzeit von etwa 0,6s.

Gemäß Behindertengleichstellungsgesetz und vergleichbarer Landesregelungen müssen öffentlich zugängliche Neubauten barrierefrei errichtet werden. Bei erhöhten Anforderungen an die Sprachverständlichkeit, wie bei Personen mit Hörminderung oder im Fremdsprachenunterricht, kann es erforderlich sein, die Nachhallzeit weiter zu verringern (siehe z. B. DIN 18041:2016-03, "Hörsamkeit in Räumen, Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung", Raumnutzungsart A4).

Im Normalfall sind deshalb "die erhöhten Anforderungen" anzusetzen und mit folgender Gleichung zu berechnen (DIN 18041:2016-03, Raumnutzungsart A4):

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4.4.3
Akustische Anforderungen an sonstige Räume mit Sprachkommunikation

In der ASR A3.7 werden, zusätzlich zu den oben genannten Werten, weitere raumakustische Anforderungen an "sonstige Räume mit Sprachkommunikation" gestellt. Ein mittlerer Schallabsorptionsgrad von mindestens 0,3 soll in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz erreicht werden. Damit sind alle weiteren Arbeitsstätten, die einen Anspruch an die Sprachkommunikation stellen und keine Büros oder Bildungsstätten sind, mit ausreichend Absorption auszustatten.

Alternativ wird für sonstige Räume mit Sprachkommunikation das in der TRLV Lärm beschriebene Verfahren zur Ermittlung der Schalldruckpegelabnahme pro Abstandsverdoppelung DL2 mit einem Wert von 4 dB im Oktavbandbereich von 500 Hz bis 4000 Hz angeboten.

4.4.4
Empfohlene Höchstwerte für Hintergrundgeräusche

Je nach Raumart werden in ASR A3.7 Höchstwerte für den Hintergrundgeräuschpegel empfohlen. Geräusche, die von außen auf die Arbeitsstätte einwirken (z B. Verkehr, anliegende Produktion) oder durch die technischen Anlagen des Gebäudes verursacht werden (z. B. Lüftungstechnik), bezeichnet man als Hintergrundgeräusche. Niedrige Schalldruckpegel der Hintergrundgeräusche in Arbeitsräumen erleichtern es in der Regel, Beurteilungspegel einzuhalten. Außerdem wird dadurch in Räumen der Bildungsstätten in den meisten Fällen eine gute Kommunikation zwischen Sprechenden und Hörenden ermöglicht. So benötigen Personen, die nicht in der Muttersprache kommunizieren oder Menschen mit Höreinschränkungen eine Pegeldifferenz zwischen Sprache und Hintergrundgeräusch von ca. 15 dB(A). Beträgt der Hintergrundgeräuschpegel beispielsweise 45 dB(A), müsste eine Person so laut sprechen, dass bei denen, die zuhören, mindestens 60 dB(A) ankommen. Das kann auf Dauer die Stimmbänder überlasten.