DGUV Information 203-007 - Windenergieanlagen Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung im On- und Offshorebereich

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Abschnitt A5 - Organisation

A5.1
Grundsätzliches

Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer muss für eine geeignete Arbeitsschutzorganisation im eigenen Unternehmen sorgen.

Neben Benennungen, Bestellungen und Beauftragungen von Personen mit besonderen Funktionen in der Arbeitsschutzorganisation müssen die Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse der Beschäftigten klar geregelt sein.

A5.2 "Benennungen, Bestellungen und Beauftragungen"

Bei der Arbeitsplanung im Vorfeld von Tätigkeiten in/an WEA sind dementsprechend arbeitsschutzrelevante Aspekte zu berücksichtigen, die sich aus Art und Umfang der durchzuführenden Tätigkeiten ergeben.

Je nach Art der Tätigkeiten sind explizit bestimmte Funktionen zuzuweisen, wie z. B.

  • Arbeitsverantwortlicher (gem. elektrotechnischem Regelwerk) und

  • Aufsichtführender.

Im Vorfeld von Arbeiten sind den Beschäftigten bzw. dem Team vor Ort die jeweiligen Ansprechpersonen zu nennen, wie z. B. Anlagenbetreiber/Anlagenverantwortlicher.

Die Arbeitsschutzorganisation ist im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ggf. anzupassen, beispielsweise in Bezug auf

  • Zahl und Verortung der Sicherheitsbeauftragten

  • Bestellung/Beauftragung von Fachkräften (Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsärztin/-arzt) mit besonderen Kenntnissen

    A6 "Gefährdungsbeurteilung"

Um eine einheitliche Kommunikationsgrundlage in einem Projekt zu schaffen, ist eine Arbeitssprache festzulegen. Dies gewährleistet beispielsweise die Kommunikation im Notfall (externe Rettungskräfte).

Hinweise zu organisatorischen Aspekten enthalten auch die Abschnitte
  • A10 "Betriebsärztliche Betreuung, Arbeitsmedizin"

  • A12 "Elektrische Sicherheit" und

  • A13 "Notfallorganisation, Erste Hilfe, Rettung".

A5.2
Benennungen, Bestellungen und Beauftragungen

Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer muss sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung für sein Unternehmen sicherstellen. Sie bzw. er hat dazu - unbeschadet möglicher Alternativkonstellationen (z. B. Unternehmermodell) - nach Maßgabe des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG)

  • Betriebsärztinnen oder -ärzte A10 "Betriebsärztliche Betreuung, Arbeitsmedizin" und

  • Fachkräfte für Arbeitssicherheit

zu bestellen.

Der Umfang der Betreuung richtet sich nach der DGUV Vorschrift 2 und umfasst die Bereiche der Grundbetreuung sowie der betriebsspezifischen Betreuung.

Darüber hinaus sind gemäß der jeweils einschlägigen Rechtsvorschrift folgende Funktionen zu benennen und ggf. schriftlich zu bestellen:

  • Ersthelferinnen und -helfer A13 "Notfallorganisation, Erste Hilfe und Rettung"

  • Sicherheitsbeauftragte (gemäß § 20 DGUV Vorschrift 1)

  • Person, die Arbeiten aufeinander abstimmt (gemäß § 6 DGUV Vorschrift 1; "Koordinatorin/Koordinator") A5.3 "Zusammenarbeit von Unternehmen - Koordinierung"

Überträgt die Unternehmerin oder der Unternehmer seine Pflichten umfassend oder teilweise auf Beschäftigte, so muss dies gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schriftlich erfolgen.

Für verschiedene Aufgaben muss die Unternehmerin oder der Unternehmer die Beschäftigten explizit beauftragen (z. B. Bedienen von Kranen, sachkundige Prüfung von PSA gegen Absturz).

Fremdpersonen dürfen nur in Begleitung einer qualifizierten Person (nach Herstellervorgaben in die Bedienung unterwiesen) in der Aufzugsanlage mitfahren.

A9.2.4 "Aufzugsanlage und Steigleiter" in A9 "Qualifizierung"

A5.3
Zusammenarbeit von Unternehmen - Koordinierung

Werden mehrere Unternehmen an einem Arbeitsplatz tätig, so hat der Anlagenbetreiber dafür Sorge zu tragen, dass eine fachlich geeignete und qualifizierte Person mit der Koordination schriftlich beauftragt wird, soweit es zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist.

Die Beauftragung erfolgt im Rahmen der Übertragung von Unternehmerpflichten gem. § 13 DGUV Vorschrift 1.

Die Koordinatorin bzw. der Koordinator hat die Aufgabe, die Arbeiten der beteiligten Unternehmen zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung abzustimmen.

Zur Durchführung der eigenen Aufgaben erhält die Koordinatorin bzw. der Koordinator Weisungsbefugnis, soweit dies für einen sicheren Arbeitsablauf und die Vermeidung gegenseitiger Gefährdung beim Einsatz verschiedener Unternehmen erforderlich ist. Dies befreit die Führungskräfte der beteiligten Unternehmen nicht von deren Verantwortung für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz ihrer Arbeitnehmer und -nehmerinnen.

Für Tätigkeiten die in den Geltungsbereich der Baustellenverordnung fallen, ist zusätzlich eine Koordinatorin bzw. ein Koordinator gemäß § 3 Baustellenverordnung (BaustellV) zu bestellen ("Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatorin/-koordinator" (SiGeKo)).

ccc_1609_as_2.jpgHinweis
Je nach Art der Tätigkeit hat sich der Unternehmer zu vergewissern, dass alle Personen, die in seinem Betrieb tätig werden, hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben. § 6 (2) DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"

A5.4
Prüfungen, Freigaben, Abnahmen

A5.4.1
Grundsätzliches

Grundsätzlich ist der Anlagenbetreiber für die Organisation von Prüfungen verantwortlich. Grundlage dafür sind staatliche Vorgaben der Unfallversicherungsträger, Prüfanforderungen der Hersteller und weiteres einschlägiges Regelwerk.

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Rechtsgrundlage für die Prüfung von Arbeitsmitteln inklusive überwachungsbedürftiger Anlagen ist die Betriebssicherheitsverordnung:
§ 14 Prüfung von Arbeitsmitteln
Abschnitt 3 "Zusätzliche Vorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen"
-§ 15 Prüfung vor Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen
-§ 16 Wiederkehrende Prüfung
-§ 17 Prüfaufzeichnungen und -bescheinigungen
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Im Rahmen der anlagenbezogenen Gefährdungsbeurteilung hat der Anlagenbetreiber die Prüfungen zu planen (u. a. Prüfumfang, Prüffristen) und zu dokumentieren.

Man unterscheidet die Prüfung vor Erstinbetriebnahme und die wiederkehrende Prüfung. Weitere Anlässe können z. B.

  • außergewöhnliche Ereignisse (Unfälle, Veränderung an Arbeitsmitteln, Naturereignisse, längere Nichtbenutzung) und

  • lnstandsetzungsarbeiten

sein.

Freigaben von Sicherheitseinrichtungen dürfen nur erteilt werden, wenn nach durchgeführter Prüfung die Mängelfreiheit bestätigt wurde.

Mit Prüfungen sind geeignete Personen (z. B. zur Prüfung befähigte Personen nach TRBS 1203, Sachverständige, Sachkundige) schriftlich zu beauftragen.

Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer ist für die Prüfung der von ihr oder ihm zur Verfügung gestellten und von seinen Beschäftigten benutzten PSA, Rettungsgeräten und Arbeitsmitteln verantwortlich.

Fremde prüfpflichtige Ausrüstungen (z. B. in WEA vorhandene Abseilgeräte zur Rettung sowie sonstige Einrichtungen und Arbeitsmittel) dürfen nur verwendet werden, wenn die Prüfung nachgewiesen ist.

A5.4.2
Hinweise zu Prüfpflichten (Auswahl)

Es bestehen beispielsweise Prüfpflichten für

  • Abseilgeräte zur Rettung: jährliche sachkundige Überprüfung und Überprüfung der Abseilarbeit

  • Aufzugsanlagen Betriebssicherheitsverordnung

  • Beleuchtungseinrichtungen (Sicherheitsbeleuchtung): jährliche sachkundige Prüfung

  • Druckbehälter Betriebssicherheitsverordnung

  • Elektrische Anlagen und Betriebsmitte A12 "Elektrische Sicherheit"

  • Feuerlöscher: vgl. Betriebssicherheitsverordnung

  • Hebezeuge, wie Krane, Winden usw. Betriebssicherheitsverordnung

  • Steigleitern: wiederkehrende Prüfung unter Berücksichtigung der Hinweise des Herstellers

  • Steigschutzsysteme: Prüfung vor erstmaliger Benutzung (Dokumentation) und mindestens jährlich Überprüfung durch eine(n) Sachkundigen

A5.5
Zugang zu WEA

Da Windenergieanlagen dem elektrotechnischen Regelwerk unterliegen, bestehen besondere Anforderungen an Personen, die Zugang erhalten sollen. Näheres dazu erläutert der Abschnitt A12.1.1 "Zugangsberechtigungen/-regelungen".

A5.6
Organisation des Haut- und Handschutzes

A5.6.1
Grundsätzliches

Bei Arbeiten in/an WEA können Materialien verwendet werden, die zu Beanspruchungen von Haut- und Schleimhäuten (inkl. Atemwege) führen können (z. B. lösemittelhaltige Reiniger, Epoxidharze). Darüber hinaus haben mechanische Belastungen und/oder klimatische Arbeitsbedingungen (Hitze, Kälte) Auswirkungen auf die Wirkung besonderer Arbeitsstoffe.

Im Hinblick darauf, dass Hauterkrankungen im schlimmsten Fall zur Tätigkeitsaufgabe zwingen können, sind Hygiene, Haut- und Handschutz sowie die arbeitsmedizinische Vorsorge zu berücksichtigen.

Im Rahmen seiner bzw. ihrer Gefährdungsbeurteilung hat die Unternehmerin bzw. der Unternehmer

  • Hautgefährdungen durch die eingesetzten Gefahrstoffe zu ermitteln,

  • diese Gefährdungen zu beurteilen und

  • daraus Schutzmaßnahmen gegen Hautgefährdungen abzuleiten

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Abschnitte A6 "Gefährdungsbeurteilung" und B12 "Gefahrstoffe".
TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen"
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Hinweise auf Hautgefährdungen geben unter anderem die Kennzeichnungen für Gesundheitsgefahren (H-Sätze = Hazard Statements) H 310 bis 317 nach Gefahrstoffrecht, wie z. B.

  • H 311 "Giftig bei Hautkontakt"

  • H 312 "Gesundheitsschädlich bei Hautkontakt"

  • H 314 "Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden"

  • H 317 "Kann allergische Hautreaktionen verursachen"

TRGS 907: Verzeichnis sensibilisierender Stoffe und von Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen

Auf Stoffe, die sensibilisierend wirken können, müssen Hersteller im Sicherheitsdatenblatt besonders hinweisen.

Sicherheitshinweise (P-Sätze = Precautionary Statements) geben Hinweise für sicheres Verhalten (z. B. P 280 "Schutzhandschuhe/Schutzkleidung/Augenschutz/Gesichtsschutz tragen").

Bei der Prävention von berufsbedingten Hauterkrankungen ist das sog. STOP-Prinzip anzuwenden.

A6.1.3 "Rangfolge der Schutzmaßnahmen" in A6 "Gefährdungsbeurteilung"

Grundsätzlich müssen solche Arbeitsmethoden bevorzugt werden, bei denen hautschädigende Einflüsse vermieden oder weitgehend reduziert werden können.

A5.6.3
Hautmittel

Zu Hautmitteln gehören Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflegemittel.

Hautschutzmittel

Hautschutzmittel sollen das Ausmaß hautschädigender Einwirkungen durch Arbeitsstoffe verringern. Hautschutzmittel sind kein Ersatz für Schutzhandschuhe. Der Einsatzbereich von Hautschutzmitteln beschränkt sich im Wesentlichen auf Tätigkeiten mit schwach hautschädigenden Arbeitsstoffen wie Wasser, Ölen, Fetten etc. Ansonsten sind geeignete Schutzhandschuhe zu verwenden.

Ein universelles Hautschutzmittel gibt es nicht. Die gegen schädigende Einflüsse aus der Arbeit bereitzustellenden und anzuwendenden Hautschutzmittel sind auf die gefährdende Tätigkeit abzustimmen. Die Schutzwirkung eines Hautschutzmittels für einen bestimmten Einsatzbereich muss von dem Hersteller in einem geeigneten Wirksamkeitsnachweis belegt werden.

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AWMF-Leitlinie "Berufliche Hautmittel: Hautschutz, Hautpflege und Hautreinigung"
DGUV-Forschungsprojekte (Wirksamkeit von Hautschutzexterna)
FP 275: "In-vivo-Evaluationsmodelle zur Überprüfung der Wirkung von Hautschutzexterna: Bestimmung der schützenden Wirkung und deren Vergleichbarkeit", Wiss. Abschlussbericht 2013
FP 276: "In vivo - Evaluierung von Hautreinigungsprodukten", Wiss. Abschlussbericht 2011
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Eine Entscheidungshilfe, ob für eine Tätigkeit mit Arbeitsstoffen Hautschutzmittel oder Schutzhandschuhe einzusetzen sind, bietet die Anlage 9 der TRGS 401. Daneben stellt die DGUV unter dem Webcode d160116 eine Arbeitshilfe zur Gefährdungsbeurteilung der dermalen Exposition für Stoffe nach der CLP-Verordnung als Download zur Verfügung. Hilfestellung zur Auswahl von Hautschutzmitteln gibt weiterhin die DGUV Information 212-017 "Auswahl, Bereitstellung und Benutzung von beruflichen Hautmitteln".

Hautreinigungsmittel

Die zur Verfügung gestellten Hautreinigungsmittel sollten der Art und dem Ausmaß der Hautverschmutzung entsprechen, da jeder Reinigungsvorgang die Haut belastet. Die Hautreinigung sollte daher so schonend wie möglich und so effektiv wie nötig erfolgen. Bürsten oder lösungsmittelhaltige Arbeitsstoffe sollten zur Hautreinigung nicht eingesetzt werden. Reibekörperhaltige Hautreinigungsmittel sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn das Tragen von Schutzhandschuhen zur Vermeidung der Verschmutzungen nicht möglich oder verboten ist und trotz Anwendung spezifischer Hautschutzmittel eine ausreichend gute Hautreinigung mit reibekörperfreien Hautreinigungsmitteln nicht gewährleistet ist.

Hautpflegemittel

Hautpflegemittel sollen nach einer Hautschädigung sowie nach dem Tragen von Handschuhen den natürlichen Regenerationsprozess der Haut unterstützen. Sie sind in längeren Pausen sowie am Arbeitsende nach der Hautreinigung anzuwenden. Hautpflegemittel sollten nicht anstelle von Hautschutzmitteln während der Arbeit benutzt werden, da ihre pflegenden Bestandteile die hautschädigenden Wirkungen von Arbeitsstoffen verstärken können.

A5.6.4
Betriebsanweisung, Haut-/Handschutzpläne, Unterweisung

Die ausgewählten Hautmittel und Schutzhandschuhe sowie Angaben zur richtigen Anwendung müssen in einer Betriebsanweisung festgelegt werden.

Es empfiehlt sich, den Beschäftigten diese Informationen in einem Haut-/Handschutzplan zur Verfügung zu stellen.

Im Rahmen der Unterweisung sind die Schutzwirkung und die richtige Anwendung zu vermitteln.

A8 "Unterweisungen"
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Vorlagen zur Erstellung von Hautschutzplänen werden vom Sachgebiet Hautschutz im DGUV Fachbereich Persönliche Schutzausrüstungen hier zum Herunterladen zur Verfügung gestellt: www.dguv.de ⇢ Webcode d1083947
Neben der Angabe der Schutzprodukte sind hier klare und leicht verständliche Anwendungshinweise hilfreich.
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