DGUV Information 203-001 - Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen

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Abschnitt 5.2 - 5.2 Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile

Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile sind alle Arbeiten, bei denen eine Person mit Körperteilen, Werkzeug oder anderen Gegenständen in die Annäherungszone gelangt, ohne die Gefahrenzone zu erreichen. Hierbei besteht immer die Gefahr des "zufälligen" Berührens der aktiven Teile. In diesem Zusammenhang werden "elektrotechnische Arbeiten" von "Bauarbeiten und sonstige nichtelektrotechnische Arbeiten" unterschieden, für die die jeweiligen Schutzabstände zu berücksichtigen sind.

Elektrotechnische Arbeiten

Mit elektrotechnischen Arbeiten werden die Arbeiten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen bezeichnet, die das Erproben und Messen, Instandsetzen, Auswechseln, Ändern, Erweitern, Errichten und Prüfen umfassen. Der Begriff "in der Nähe" ist sehr weit zu fassen. Daher gibt es bei der Festlegung des einzuhaltenden Sicherheitsabstands zum unter Spannung stehenden Teil auch viele zu berücksichtigende Einzelfaktoren, die letztendlich zur sicheren Abstandsermittlung heranzuziehen sind und nur von einer Elektrofachkraft ermittelt werden können. In die Ermittlung einzubeziehen sind beispielsweise die Höhe der Spannung, die Anlagenbauweise, die Personalqualifikation und die Platzverhältnisse bei der Art der durchzuführenden Arbeiten. Der beste Personenschutz wird daher mit der Arbeitsmethode "Arbeiten im spannungsfreien Zustand" unter Einhaltung der fünf Sicherheitsregeln erreicht.

Ist eine Freischaltung nicht möglich, muss der erforderliche Schutz bei allen berührbaren Anlagenteilen entweder

  • durch Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllung (DIN VDE 0105-100, 6.4.2)

oder

  • durch Abstand und Aufsichtsführung (DIN VDE 0105-100, 6.4.3)

gewährleistet werden.

Auch bei Anwendung des "Schutz durch Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllungen" darf das Anbringen der Schutzmittel (Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllungen) zu keiner Personengefährdung führen. Daher ist zum Anbringen der Schutzmittel innerhalb der Gefahrenzone und innerhalb der Annäherungszone entweder der spannungsfreie Zustand herzustellen oder es sind Festlegungen für das Arbeiten unter Spannung anzuwenden. Die Schutzvorrichtungen selbst müssen so ausgewählt und angebracht werden, dass eine Gefährdung durch elektrische und mechanische Überbeanspruchung ausgeschlossen werden kann. Sie müssen sich in ordnungsgemäßem Zustand befinden und während der Arbeiten sicher befestigt sein. Die Arbeitsstelle muss durch geeignete Abdeckungen, Seile, Flaggen, Lampen, Schilder usw. eindeutig gekennzeichnet werden (Grenze des Arbeitsbereichs). Das Verwechseln von benachbarten Schaltfeldern muss durch geeignete Maßnahmen (deutlich sichtbare Hilfsmittel) ausgeschlossen werden können.

Bieten solche Einrichtungen keinen vollständigen Schutz gegen direktes Berühren unter Spannung stehender Teile (bei Niederspannung weniger als IP 2X), so müssen Laien, die in der Nähe dieser Teile arbeiten, beaufsichtigt werden. Die Arbeitenden sind vor Beginn der auszuführenden Arbeiten über das Einhalten der notwendigen Abstände sowie über die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und die Notwendigkeit eines ständigen sicherheitsbewussten Verhaltens durch den Arbeitsverantwortlichen zu unterrichten, was in angemessenen Zeitabständen oder nach Änderung der Arbeitsbedingungen zu wiederholen ist.

Bei Arbeiten in Innenraumanlagen mit Nennspannungen über 1 kV an offenen, einseitig unter Spannung stehenden Einrichtungen, mit denen eine Trennstrecke hergestellt ist, müssen die unter Spannung stehenden Teile mit einem Schutz gegen direktes Berühren versehen werden, wenn die Gefahrenzone erreicht werden kann. Hierfür können z. B. geeignete isolierende Platten eingeschoben oder isolierende Formstücke und Abdeckungen mit ausreichender elektrischer und mechanischer Festigkeit verwendet werden.

Bei Arbeiten in Schaltfeldern von Innenraumanlagen mit Nennspannungen über 1 kV ohne Trennwände muss die Arbeitsstelle gegen benachbarte Schaltfelder oder andere unter Spannung stehende Teile durch einen Schutz gegen direktes Berühren gesichert sein.

Bei Anwendung der Maßnahme "Schutz durch Abstand und Aufsichtsführung" ist immer ein Abstand größer als DL (Annehmbarer Mindestabstand in Luft, der die äußere Grenze der Gefahrenzone bestimmt) einzuhalten, wobei Ort und Umfang der Arbeiten sowie Nennspannung der Anlage zu berücksichtigen sind. Der Arbeitsverantwortliche hat hierzu konkrete Vorgaben für die Auswahl des Personals und Vorgaben für den Arbeitsablauf festzulegen, die das Erreichen der Gefahrenzone ausschließen. Hierzu bedarf es guter Fachkenntnisse und zuverlässiger Mitarbeiter.

Gefahrenzone DL, abhängig von der Nennspannung
Netz-Spannung
UN (effektivwert)
kV
Äußere Grenze der Gefahrenzone
DL(Abstand in der Luft)
mm
Bemessungs-Steh
Blitz/Schaltstoß
spannung Uimp
(Scheitelwert)
InnenraumlageFreiluftlagekV
≤ 1keine Berührung4
36012040
69012060
1012015075
1516095
20220125
30320170
36380200
45480250
66630325
70750380
1101.100550
Tabelle 2, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) - (Auszug)

Für bestimmte elektrotechnische Arbeiten ist aber der Schutzabstand einzuhalten, der der Tabelle 3, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) bzw. der Tabelle 101, VDE 0105-100 zu entnehmen ist. Zu diesen Arbeiten zählen:

  • Bewegen von Leitern oder sperrigen Gegenständen

  • Besondere Arbeiten an Freileitungen, z. B. Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten

  • Aufziehen oder Ablassen von Werkzeugen und Material, wenn sich aktive Teile unterhalb der Arbeitsstelle befinden

  • Korrosionsschutzarbeiten im Freileitungsbereich

  • Bauarbeiten und sonstige nichtelektrotechnische Arbeiten unter Beaufsichtigung von EF oder EuP

  • Rasenmäharbeiten

Unter der Aufsichtsführung ist hier die ständige Überwachung der gebotenen Sicherheitsmaßnahmen bei der Durchführung der Arbeiten an der Arbeitsstelle gemeint. Der Aufsichtsführende selbst darf dabei nur Arbeiten ausführen, die ihn in der Aufsichtsführung nicht beeinträchtigen.

Schutzabstände bei bestimmten elektrotechnischen Arbeiten, abhängig von der Nennspannung in der Nähe aktiver Teile
Netz-Nennspannung
Un(Effektivwert)
kV
Schutzabstand
(Abstand in Luft von ungeschützten
unter Spannung stehenden Teilen)
m
bis10,5
über1bis301,5
über30bis1102,0
über110bis2203,0
über220bis3804,0
Tabelle 3, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3)

Bauarbeiten und sonstige nichtelektrotechnische Arbeiten

Mit den nichtelektrotechnischen Arbeiten bezeichnet man alle Arbeiten im Bereich einer elektrischen Anlage wie:

  • Bauarbeiten

  • Gerüstbau

  • Arbeiten mit Hebezeugen, Baumaschinen und Fördermitteln

  • Montagearbeiten

  • Transportarbeiten

  • Bewegen von sonstigen Geräten und Bauhilfsmitteln

Diese Tätigkeiten werden in der Regel nicht durch Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene Personen ausgeführt. Auch Anstrich- und Ausbesserungsarbeiten an Freileitungen sowie Rasenmäharbeiten in abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätten stellen nichtelektrotechnische Arbeiten dar. Hier gelten aber besondere Bedingungen und Festlegungen, die den "bestimmten elektrotechnischen Arbeiten" unterliegen.

Bei Bauarbeiten und sonstigen nichtelektrotechnischen Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen ohne Schutz gegen direktes Berühren muss stets ein fester Abstand zwischen dem unter Spannung stehenden Teil und allen zur Arbeit benötigten leitfähigen Teilen eingehalten werden, die zu einer Verletzung durch elektrische Energie von Personen führen können. Insbesondere das Ausschwingen von Lasten, Trag- und Lastaufnahmemitteln, das Herunterfallen von Gegenständen und Werkzeugen sowie die Bewegungen von Leiterseilen sind in die Festlegung des Abstands mit einzubeziehen.

Der Mindestabstand kann der Tabelle 4, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3), entnommen werden.

Schutzabstände bei nichtelektrotechnischen Arbeiten, abhängig von der Nennspannung
Netz-Nennspannung
Un (Effektivwert)
kV
Schutzabstand
(Abstand in Luft von ungeschützten
unter Spannung stehenden Teilen)
m
bis11,0
über1bis1103,0
über110bis2204,0
über220bis3805,0
Tabelle 4, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3)

Der festzulegende Abstand für Bauarbeiten und sonstige nichtelektrotechnische Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile kann aber auch abgeleitet werden aus dem annehmbaren Mindestabstand in der Luft, der die äußere Grenze der Annäherungszone bestimmt (DV, Tabelle A.1 VDE 0105-100), der um einen weiteren Abstand erhöht wird. Die Abstandserhöhung wird individuell von der zuständigen Elektrofachkraft eingeschätzt. Für diese Einschätzung sind die Spannungshöhe, die Art der Arbeit, die verwendete Ausrüstung und die fachliche Qualifikation der Personen, die die nichtelektrotechnischen Arbeiten ausführen, zugrunde zu legen.

Falls die Arbeiten von Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen oder von Laien unter deren "Aufsichtführung" durchgeführt werden, können die Schutzabstände nach Tabelle 3, DGUV Vorschrift 3 (BGV A3), herangezogen werden.

Richtwerte für Abstände DLund DV
Netz-NennspannungAnnehmbarer Mindest-
abstand in Luft, der die
äußere Grenze der Gefahren-
zone bestimmt
Annehmbarer Mindest-
abstand in Luft, der die
äußere Grenze der Annähe
rungszone bestimmt
UN (Effektivwert) kV DL mm DV mm
≤ 1keine Berührung300
3601.120
6901.120
101201.150
151601.160
202201.220
303201.320
363801.380
454801.480
606301.630
707501.750
1101.0002.000
Tabelle A. 1, DIN VDE 0105-100 (Auszug)