Abschnitt 4.3 - 4.3 Gemische von Gefahrstoffen - Leitkomponente
Bei der Festlegung der Sicherheitsmaßnahmen ist die Kenntnis der vorkommenden Gefahrstoffe erforderlich. In der Praxis ist jedoch selten damit zu rechnen, dass nur ein Gefahrstoff am Einsatzort angetroffen wird. In der Regel wird ein Gemisch mehrerer, unterschiedlich gefährlicher Stoffe anzutreffen sein. Es können kombinierte Schutzmaßnahmen erforderlich sein, z.B. kombinierte Atemschutzfilter.
Je nach Tätigkeit kann jedoch unter Umständen ein dominierender Gefahrstoff, eine so genannte Leitkomponente ausgemacht werden. Diese erlaubt - mit einiger Vorsicht - die Festlegung der Zielrichtung der Schutzmaßnahmen.
Tabelle 2 enthält eine Übersicht über verschiedene relevante Gefahrstoffgruppen mit deren möglichen Leitkomponenten. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Aufstellung ist kein Ersatz für die eigene Ermittlung der vorhandenen Gefahrstoffe. Die Zusammenstellung ist als Handlungshilfe dazu zu verstehen.
Ungeachtet der Vorkenntnisse über den Einsatzort und Informationen, die der Tabelle 2 entnommen werden können, sind dennoch alle Sicherheitsdatenblätter der vorkommenden Gefahrstoffe zu beachten!
Eine umfangreiche Sammlung mit Informationen zu Gefahrstoffen enthält die GESTIS-Stoffdatenbank der Berufsgenossenschaften (www.dguv.de/bgia/stoff-datenbank). [GESTIS Stoffdatenbank]
Tabelle 2:
Gefahrstoffe, Gefahrstoffgruppen, Leitkomponenten
Gruppe | Charakterisierung | Mögliche Leitkomponente(n) | Weitere Stoffe der Gruppe (Auswahl) | Mögliches Vorkommen, Verwendung | Typischer Geruch3 | Besondere Gefahr | Möglicher Atem- filtertyp |
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Abgase, Rauchgase | Mischung verschiedener Rauchgase; wechselnde Zusammensetzung (zu: anorganische Gase) | CO, NO2, PAH | CO2, NO, SOX, Ruß, Staub, evtl. HCl, HF, Dioxine, Furane | Eisenerzeugung ("Gichtgas"), Verbrennungsanlagen, Kraftwerke, Brände, Dieselmotoren | Brand | Evt. sehr heiße Medien Sauerstoffmangel | ABEK, wenn Brand noch akut auch CO |
Biologische Arbeitsstoffe | Bakterien, Schimmelpilze, Viren, Parasiten | Schimmelpilzsporen | Feuchte Bereiche mit organischen Materialien, Lebensmittelreste, Siedlungsabfälle, Krankenhausabfälle, Böden | Eventuell muffig (Schimmelpilze), faulig / vergoren (Bakterien) | z.B. bei Asthmatikern | P2 als Spritzschutz | |
Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW) | Sehr leichtflüchtige Stoffe (niedriger Siedepunkt) | Chloroform, Tetrachlorethen ("Per"), Trichlorethen ("Tri") | Dichlormethan (Methylenchlorid), Trichlorethan | Chemische Industrie, Metallverarbeitung (Entfettungsmittel), Abbeizmittel, Lösemittel z.B. für Bitumen, auch typische Boden-Altlast | Chemisch-Süßlich ("Tipp-Ex"), chem. Reinigung | z.T. K2- und K3-Stoffe Teils Durchdringung feinster Nähte und von Kunststoffen Hautresorption | AX |
Isocyanate | Chemische Gruppe mit einer bestimmten funktionellen Gruppe ("R-N=C=O"); haut- und schleimhautreizend, allergisierend | / | MDI, HDI, PDI, TDI; vorvernetzte Produkte | Harze, Dichtmassen, 2-Komponenten-Kleber, Chemische Industrie, Spachtel, PUR-Produkte | Gefährdung schon unterhalb Geruchsschwelle | schnelle und kritische Sensibilisierung möglich | B, P |
Benzine/ Mineralöle, Mineralölprodukte | Gemische verschiedener Kohlenwasserstoffe | Benzol, Xylole | Hexan, Heptan Ethylbenzole, Toluol, Xylol, Trichlorbenzole (Mesitylen, Hemellitol, Pseudocumol), PAH uvm. | Chemische Industrie, Tanks, Tankstelle, Raffinerien: Diesel, Benzin, Heiz- und Schmieröle etc. und deren Produktions-Nebenprodukte und -abfälle | aromatisch, Kraftstoffe, Öle | Hautresorption Benzol: K1-Stoff (Leukämie) Ex-Gefahr möglich | A, evtl. P3 |
Nitrosamine | NO-haltige organische Verbindungen | N-Nitrosodimethylamin | N-Nitrosopyrrolidin, N-Nitrosomorpholin | Naturkautschuk-Verarbeitung (z.B. Schaumstoffe), Reifengummi, Kühlschmierstoffe | ammoniak-, fischartig | K2-Stoffe | A |
PAH4 | Organische Verbindungen, die aus Benzolringen "zusammengesetzt" sind | Benzo(a)pyren | Chrysen, Fluoren, Pyren, Anthracen | Brände, Bestandteil in Erdöl-Crack-Resten (-> Raffinerie, Tanks) | Teer, alte Eisenbahnschwellen | z.T. K2-Stoffe gute Hautresorption | A |
Polychlorierte Biphenyle (PBC) | Bis ca. 1983 künstlich hergestellte Substanzgruppe. Die PCB tragen Nummern (1 bis 209). | PCB 153, PCB 28, 52, 101, 138, 180 | Weichmacher, Flammschutzmittel, Kondensator- und Transormatorflüssigkeit, Altöle, Bau-Dichtungsmassen. Nur innerhalb alter Geräte oder in alten Produktionsanlagen zu erwarten. | ölig | Hautresorption inhalative Aufnahme über Staub | A, P3 | |
Säuren und Laugen (gasförmig, Aerosol, flüssig) | Stoffe mit ätzenden Eigenschaften | / | Schwefelsäure H2SO4, Natronlauge NaOH, Kalilauge KOH, Salzsäure HCl, Flusssäure HF, Salpetersäure HNO3, Ameisensäure HCOOH | Reinigungsmittel, Chemische Industrie | u.U. stechend, ätzend | Akute Augen-, Haut-, Atemwegsreizungen oder -schädigungen möglich Je nach Konzentration schnelle Schädigung der PSA möglich | B und/oder E + P2 |
Anorganische Gase und Aerosole | Anorganische Stoffe | Chlor (Cl2), Schwefelwasserstoff (H2S), Ammoniak (NH3), Säuren und Laugen (siehe dort), Blausäure/Cyanwasserstoff (HCN) | Chemische Industrie | je verschieden | je verschieden | B und/oder E + P2 | |
Farben, Lacke, Lösungsmittel | Farben und Lacke können leicht flüchtige Kohlenwasserstoffe (engl. VOC) enthalten. | Alkohole, Glykole, Glykolether, LHKW (s. o.), Ester (z.B. Butylacetat) | Chemische Industrie, Gefahrgut, Renovierungsarbeiten, metallverarbeitende Industrie | je verschieden; Geruch nach "Farbe" | akute Gefärdung, Benommenheit, Ohnmacht chronische Wirkungen auf das zentrale Nervensystem möglich | in der Regel A | |
Metallstäube, Schweißrauche, metallhaltiger Staub | staubförmige Metalle, metallhaltige Stäube | Metall-Werkstoffe, deren Legierungs-Bestandteile, Verunreinigungen und Oxide, z.B. Eisen, Blei, Cadmium, Cobalt, Nickel, Vanadium uvm. | Metall-Herstellung und -Verarbeitung (Hütte), Schweiß- und Bauarbeiten | kein | Schwermetalle werden im Körper eingelagert | PP2 |
Kein Geruch bedeutet NICHT "keine Gefahr"!
PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe)