DGUV Information 214-022 - Industriereinigung Schutzmaßnahmen und arbeitsmedizinische Vorsorge

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Gemische von Gefahrstoffen - Leitkomponente

Bei der Festlegung der Sicherheitsmaßnahmen ist die Kenntnis der vorkommenden Gefahrstoffe erforderlich. In der Praxis ist jedoch selten damit zu rechnen, dass nur ein Gefahrstoff am Einsatzort angetroffen wird. In der Regel wird ein Gemisch mehrerer, unterschiedlich gefährlicher Stoffe anzutreffen sein. Es können kombinierte Schutzmaßnahmen erforderlich sein, z.B. kombinierte Atemschutzfilter.

Je nach Tätigkeit kann jedoch unter Umständen ein dominierender Gefahrstoff, eine so genannte Leitkomponente ausgemacht werden. Diese erlaubt - mit einiger Vorsicht - die Festlegung der Zielrichtung der Schutzmaßnahmen.

Tabelle 2 enthält eine Übersicht über verschiedene relevante Gefahrstoffgruppen mit deren möglichen Leitkomponenten. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Aufstellung ist kein Ersatz für die eigene Ermittlung der vorhandenen Gefahrstoffe. Die Zusammenstellung ist als Handlungshilfe dazu zu verstehen.

Ungeachtet der Vorkenntnisse über den Einsatzort und Informationen, die der Tabelle 2 entnommen werden können, sind dennoch alle Sicherheitsdatenblätter der vorkommenden Gefahrstoffe zu beachten!

Eine umfangreiche Sammlung mit Informationen zu Gefahrstoffen enthält die GESTIS-Stoffdatenbank der Berufsgenossenschaften (www.dguv.de/bgia/stoff-datenbank). [GESTIS Stoffdatenbank]

Tabelle 2:
Gefahrstoffe, Gefahrstoffgruppen, Leitkomponenten

GruppeCharakterisierungMögliche Leitkomponente(n)Weitere Stoffe der Gruppe (Auswahl)Mögliches Vorkommen, VerwendungTypischer Geruch3Besondere GefahrMöglicher Atem-
filtertyp
Abgase, RauchgaseMischung verschiedener Rauchgase; wechselnde Zusammensetzung (zu: anorganische Gase)CO, NO2, PAH CO2, NO, SOX, Ruß, Staub, evtl. HCl, HF, Dioxine, Furane Eisenerzeugung ("Gichtgas"), Verbrennungsanlagen, Kraftwerke, Brände, DieselmotorenBrandEvt. sehr heiße Medien SauerstoffmangelABEK, wenn Brand noch akut auch CO
Biologische ArbeitsstoffeBakterien, Schimmelpilze, Viren, ParasitenSchimmelpilzsporenFeuchte Bereiche mit organischen Materialien, Lebensmittelreste, Siedlungsabfälle, Krankenhausabfälle, BödenEventuell muffig (Schimmelpilze), faulig / vergoren (Bakterien)z.B. bei AsthmatikernP2 als Spritzschutz
Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW)Sehr leichtflüchtige Stoffe (niedriger Siedepunkt)Chloroform, Tetrachlorethen ("Per"),
Trichlorethen ("Tri")
Dichlormethan (Methylenchlorid), TrichlorethanChemische Industrie, Metallverarbeitung (Entfettungsmittel), Abbeizmittel, Lösemittel z.B. für Bitumen, auch typische Boden-AltlastChemisch-Süßlich
("Tipp-Ex"), chem. Reinigung
z.T. K2- und K3-Stoffe Teils Durchdringung feinster Nähte und von Kunststoffen HautresorptionAX
IsocyanateChemische Gruppe mit einer bestimmten funktionellen Gruppe
("R-N=C=O"); haut- und schleimhautreizend, allergisierend
/MDI, HDI, PDI, TDI; vorvernetzte ProdukteHarze, Dichtmassen,
2-Komponenten-Kleber, Chemische Industrie, Spachtel, PUR-Produkte
Gefährdung schon unterhalb Geruchsschwelleschnelle und kritische Sensibilisierung möglichB, P
Benzine/ Mineralöle, MineralölprodukteGemische verschiedener KohlenwasserstoffeBenzol, XyloleHexan, Heptan Ethylbenzole, Toluol, Xylol, Trichlorbenzole (Mesitylen, Hemellitol, Pseudocumol), PAH uvm. Chemische Industrie, Tanks, Tankstelle, Raffinerien: Diesel, Benzin, Heiz- und Schmieröle etc. und deren Produktions-Nebenprodukte und -abfällearomatisch, Kraftstoffe, ÖleHautresorption Benzol: K1-Stoff (Leukämie)
Ex-Gefahr möglich
A, evtl. P3
NitrosamineNO-haltige organische VerbindungenN-NitrosodimethylaminN-Nitrosopyrrolidin,
N-Nitrosomorpholin
Naturkautschuk-Verarbeitung (z.B. Schaumstoffe), Reifengummi, Kühlschmierstoffeammoniak-, fischartigK2-StoffeA
PAH4Organische Verbindungen, die aus Benzolringen "zusammengesetzt" sindBenzo(a)pyrenChrysen, Fluoren, Pyren, AnthracenBrände, Bestandteil in Erdöl-Crack-Resten (-> Raffinerie, Tanks)Teer, alte Eisenbahnschwellenz.T. K2-Stoffe gute HautresorptionA
Polychlorierte Biphenyle (PBC)Bis ca. 1983 künstlich hergestellte Substanzgruppe. Die PCB tragen Nummern (1 bis 209).PCB 153, PCB 28, 52, 101, 138, 180Weichmacher, Flammschutzmittel, Kondensator- und Transormatorflüssigkeit, Altöle, Bau-Dichtungsmassen. Nur innerhalb alter Geräte oder in alten Produktionsanlagen zu erwarten.öligHautresorption
inhalative Aufnahme über Staub
A, P3
Säuren und Laugen (gasförmig, Aerosol, flüssig)Stoffe mit ätzenden Eigenschaften/Schwefelsäure H2SO4, Natronlauge NaOH, Kalilauge KOH, Salzsäure HCl, Flusssäure HF, Salpetersäure HNO3, Ameisensäure HCOOH Reinigungsmittel, Chemische Industrieu.U. stechend, ätzendAkute Augen-, Haut-, Atemwegsreizungen oder -schädigungen möglich
Je nach Konzentration schnelle Schädigung der PSA möglich
B und/oder
E + P2
Anorganische Gase und AerosoleAnorganische StoffeChlor (Cl2), Schwefelwasserstoff (H2S), Ammoniak (NH3), Säuren und Laugen (siehe dort), Blausäure/Cyanwasserstoff (HCN) Chemische Industrieje verschiedenje verschiedenB und/oder
E + P2
Farben, Lacke, LösungsmittelFarben und Lacke können leicht flüchtige Kohlenwasserstoffe (engl. VOC) enthalten.Alkohole, Glykole, Glykolether, LHKW
(s. o.), Ester (z.B. Butylacetat)
Chemische Industrie, Gefahrgut, Renovierungsarbeiten, metallverarbeitende Industrieje verschieden; Geruch nach "Farbe"akute Gefärdung, Benommenheit, Ohnmacht
chronische Wirkungen auf das zentrale Nervensystem möglich
in der Regel A
Metallstäube, Schweißrauche, metallhaltiger Staubstaubförmige Metalle, metallhaltige StäubeMetall-Werkstoffe, deren Legierungs-Bestandteile, Verunreinigungen und Oxide, z.B. Eisen, Blei, Cadmium, Cobalt, Nickel, Vanadium uvm.Metall-Herstellung und -Verarbeitung (Hütte), Schweiß- und BauarbeitenkeinSchwermetalle werden im Körper eingelagertPP2

Kein Geruch bedeutet NICHT "keine Gefahr"!

PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe)