DGUV Information 214-022 - Industriereinigung Schutzmaßnahmen und arbeitsmedizinische Vorsorge

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 3.4 - 3.4 Kanalreinigung/-inspektion/-instandsetzung

Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen sind als eigenes Arbeitsgebiet in der Unfallverhütungsvorschrift "Abwassertechnische Anlagen" (BGV C5), der BG-Regel "Sicherheitsregeln für Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen" (BGR 126) und der Technischen Regel für biologische Arbeitsstoffe TRBA 220 "Sicherheit und Gesundheit bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen" erschöpfend behandelt. In diesem Abschnitt erfolgt eine auf die Industriereinigung zugeschnittene Zusammenfassung der wichtigsten Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Eine beispielhafte Betriebsanweisung ist im Anhang abgedruckt. [BGV C5, BGR 126, TRBA 220]

3.4.1
Tätigkeiten

Die Kanalreinigung ist die mechanische Reinigung von Kanälen mit Hochdruckwassertechnik. Für die Kanalreinigung werden spezielle Reinigungsgeräte eingesetzt. Die Düse wird nicht von Hand geführt, sondern zieht den Schlauch durch den Rückstoß des Wasserstrahls durch den Kanal. Die Durchführung erfolgt meist mit kombinierten Saug-Druckfahrzeugen.

bgi-5063-1_abb21.jpg

Abb. 3-16: Saug-Druck-Fahrzeug

Kanalinspektion ist die optische Begutachtung von Kanälen zur Bewertung des Kanalzustandes, insbesondere zur Feststellung von baulichen Mängeln, Hindernissen und Fremdwassereinbrüchen. Sie wird auch zur Vervollständigung von Planungsunterlagen angewendet.

bgi-5063-1_abb22.jpg

Abb. 3-17: Vorbereitende Arbeiten zur Kanalinspektion (Einsetzen der Rohrkamera)

Die Kanalinstandsetzung umfasst die Dichtigkeitsprüfung von Rohrleitungen, Schachtbauwerken und einzelnen Rohrverbindungen sowie das Abdichten gefundener Leckstellen.

Kanalluftanalyse ist die Messung des Sauerstoffgehaltes, brennbarer Gas-Dampf-Luftgemische, Schwefelwasserstoffgehaltes, Kohlenmonoxid- und Kohlendioxidgehaltes mittels Vielfachmessgeräten. Die Gaswarngeräte warnen durch ein akustisches und/oder optisches Signal bei Erreichen der Grenzwerte.

3.4.2
Typische Gefährdungen

Mechanische Gefahren durch:Explosionsgefahren durch:Gesundheitsgefahren durch:

  • Aufenthalt im öffentlichen Verkehrsraum

  • Abheben/Wiedereinsetzen von Schachtabdeckungen

  • Absturzgefahr in Schächte

  • Anstieg der Wasserführung, starke Strömung und Wassertiefe

  • Einrichtungen/Einbauten oder Arbeitsmittel



  • die Entwicklung von Faulgasen in Stauräumen von Abwasser

  • (unzulässig eingeleitete) brennbare Stoffe im Kanalnetz



  • Sauerstoffmangel

  • Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff verursacht durch Fäulnisprozesse

  • Krankheitserreger, die zu Infektionen führen können

  • gefahrstofffreisetzende Tätigkeiten, z.B. Schweiß-, Schleif-, Bohr- oder Beschichtungsarbeiten


Der Umfang und die Art der tatsächlich vorhandenen Gefährdungen hängen von der

  • durchzuführenden Tätigkeit (mit oder ohne Einstieg? erforderliche Einstiegsdauer? eingesetzte Maschinen?)

  • Tiefe der Schächte

  • Zusammensetzung des Abwassers

  • u.U. Temperatur des Abwassers

ab.

Die erforderliche Gefährdungsbeurteilung kann z.B. mit Hilfe der BGF-Handlungshilfe durchgeführt werden.

3.4.3
Checkliste

Die Checkliste (basierend auf der BG-Regel "Sicherheitsregeln für Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen" [BGR 126]) kann für die Vorbereitung von abwassertechnischen Arbeiten eingesetzt werden. Es können weitere Schutzmaßnahmen erforderlich sein, die z.B. mit der "BGI 5063-2: Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung; Industriereinigung" ermittelt und dokumentiert werden können.

Vorab ist stets zu prüfen, ob die Aufgabe ohne den Einstieg von Personen lösbar ist. Solche Lösungen sind stets zu bevorzugen.

Checkliste für Kanalarbeiten

Arbeiten dürfen nur begonnen werden, wenn alle Anforderungen der Checkliste (soweit anwendbar) erfüllt sind.

Die beauftragten Mitarbeiter sind eingewiesen und körperlich geeignet; falls Ertrinkungsgefahr besteht: können sie schwimmen? Falls Atemschutz getragen werden muss: Untersuchung nach G 26 vorliegend?bgi-5063-1_kasten.jpg
Die im Wasser auftretenden Gefahrstoffe sind bekannt (schriftl. Info liegt vor), oder es treten keine auf; eventuell erforderliche Messgeräte sind vorhandenbgi-5063-1_kasten.jpg
Die im Wasser auftretenden biologischen Arbeitsstoffe sind bekannt (schriftl. Info liegt vor), oder es treten keine auf bgi-5063-1_kasten.jpg
Ein Aufsichtführender wurde benanntbgi-5063-1_kasten.jpg
Ein Sicherungsposten (kann gleiche Person sein) wurde benanntbgi-5063-1_kasten.jpg
Geeignete persönliche Schutzausrüstung wurde ausgewählt und steht funktionsfähig zur Verfügung (Kopfschutz; Fußschutz; 1Gehörschutz; Augen- und Gesichtsschutz; Handschutz; Körperschutz; Warnkleidung; Rettungsweste ab 1,30 m Wassertiefe; Atemschutz bgi-5063-1_kasten.jpg
Schutzausrüstung gegen Absturz bzw. zum Halten und Rettenbgi-5063-1_kasten.jpg
Arbeitsstellen im öffentlichen Straßenverkehr (oder Werksverkehr) sind ausreichend gekennzeichnetbgi-5063-1_kasten.jpg
Das Fahrzeug ist mit Deckelhebern ausgestattetbgi-5063-1_kasten.jpg
Mittel gegen Absturz (Rost, Absperrung) wird mitgeführtbgi-5063-1_kasten.jpg
Absturzsicherung, oder Einstiegtiefe < 5 mbgi-5063-1_kasten.jpg
Maßnahmen gegen Gefahren durch starke Wasserführung sind getroffen2bgi-5063-1_kasten.jpg
Der Arbeitsplatz kann durch Lüftung ausreichend mit Sauerstoff versorgt (> 19 %) werden und es können weder gesundheitsschädliche Konzentrationen von Gasen noch eine explosionsfähige Atmosphäre auftreten; oder aber es werden entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen (z.B. umgebungsluftunabhängiger Atemschutz, ex-geschützte Geräte u.a.)bgi-5063-1_kasten.jpg
Bei der Verwendung elektrischer Betriebsmittel werden die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen ergriffen: z.B. Schutzkleinspannung, Schutztrennungbgi-5063-1_kasten.jpg
Bewegliche Teile und Einbauten (z.B. Pumpanlagen, kraftbetätigte Schieber) befinden sich im Stillstand und sind gegen Wiederanlaufen gesichertbgi-5063-1_kasten.jpg
Gefährdung durch herabfallende Gegenstände ist ausgeschlossen (z.B. durch Schutzgitter, Unterstand)bgi-5063-1_kasten.jpg
Hochspülgeräte können im Kanal nicht umkehren (entsprechender Düsendurchmesser oder steife Verlängerung zwischen Schlauch und Düse)bgi-5063-1_kasten.jpg
Aerosolbildung im Bereich der Schachtöffnung wird minimiertbgi-5063-1_kasten.jpg
Die Sichtverbindung - erforderlichenfalls über Zwischenposten - zum Sicherungsposten ist gewährleistetbgi-5063-1_kasten.jpg
Eine Seilsicherung (mit Auffanggurt oder Rettungshose) wird angelegt (bei Tiefe > 2 m)bgi-5063-1_kasten.jpg
Geeignete Abseil- und Rettungshubgeräte werden verwendetbgi-5063-1_kasten.jpg
Eine ordnungsgemäße Rettungsausrüstung liegt bereitbgi-5063-1_kasten.jpg
Ein Ersthelfer ist am Einsatz beteiligt (z.B. der Sicherungsposten)bgi-5063-1_kasten.jpg

3.4.4
Ansteckungsgefahren und Hygienemaßnahmen

Bei der Arbeit in abwassertechnischen Einrichtungen sind Infektionen möglich, vor allem wenn es sich um Abwasser mit fäkalen Anteilen handelt (siehe auch Abschnitt 5). Zu nennen sind z.B. Hepatitis A, Leptospirose, Durchfälle (z.B. durch Noroviren), Lungenentzündungen. Aufnahmewege sind Verschlucken (oral), Einatmen von Nebeln (inhalativ), über Haut-/Schleimhautkontakt (dermal) oder durch Schmierinfektion sowie direktes Einbringen über Verletzungen (Inokulation). Die wichtigsten Hygienemaßnahmen sind: [TRBA 220, TRBA 500, BGR 126]

  • Entstehung von Aerosolen und deren Einatmen vermeiden

  • Arbeitskleidung regelmäßig sowie bei Bedarf wechseln; benutzte Kleidung ist luftdicht zu verpacken und der Reinigung zuzuführen

  • Verschmutzte Kleidung darf nicht mit nach Hause genommen werden!

  • Verschmutzte Arbeitskleidung und -schuhe müssen gesondert von Straßenkleidung aufbewahrt werden

  • Handschuhe müssen bei Bedarf gewechselt werden, erforderlichenfalls auch mehrmals täglich; im Inneren von mehrfach genutzten Handschuhen bildet sich eine lebendige, unhygienische Mikroflora!

  • Die Beschäftigten müssen sich nach der Arbeit duschen können

  • Vor Ort muss eine Handwaschgelegenheit (warmes Wasser) zur Verfügung stehen; s. Abb. 8-1

  • Einmalhandtücher, Hautreinigungs-, Hautschutz- und Hautpflegemittel sowie Desinfektionsmittel sind entsprechend dem Hautschutzplan, der vom Arbeitgeber nach Beratung durch den Betriebsarzt zu erstellen ist, anzuwenden

  • Fahrzeugkabinen müssen regelmäßig gereinigt werden (Reinigungsplan erstellen!)

  • Bei der Verwendung von Spüleinrichtungen ist der Schacht so weit wie möglich abzudecken

  • Essen, Trinken und Rauchen ist bei der Arbeit zu untersagen; vor den Pausen sind die Hände zu reinigen

  • Lebensmittel dürfen nur in speziell für diesen Zweck vorgesehenen Schränken oder Kühlschränken aufbewahrt werden. Diese Schränke sind regelmäßig zu reinigen

  • Pausen- und Bereitschaftsräume dürfen nicht mit stark verschmutzter Arbeitskleidung betreten werden

3.4.5
Persönliche Schutzausrüstungen

Die Handschuhe sind der Gefährdung anzupassen. Bei Arbeiten mit unmittelbarem Wasser- oder Schlammkontakt sind Handschuhe nach DIN 374 Teile 1-5 "Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen" zu benutzen.

Es sind geschlossene Schuhe zu verwenden; in den meisten Fällen sind Stiefel angebracht. Sinnvoll sind Sicherheitsschuhe der Klasse S 5 nach der BG-Regel: Benutzung von Fuß- und Beinschutz (BGR 191).

Die Augen können mit Brillen oder Gesichtsschirmen geschützt werden. Ist mit Spritzern von allen Seiten zu rechnen, sind Korbbrillen zu verwenden (siehe BG-Regel: Benutzung von Augen- und Gesichtsschutz [BGR 192]).

Je nach Zusammensetzung des Abwassers ist Atemschutz zu verwenden, wenn der Arbeiter Aerosolen ausgesetzt ist. Die Auswahl erfolgt gemäß BGR 190. Gegen biologische Arbeitsstoffe sind laut Technischer Regel für biologische Arbeitsstoffe Sicherheit und Gesundheit bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen (TRBA 220) mindestens partikelfiltrierende Halbmasken FFP3 zu verwenden. Sie sind nur für kurze Einsätze geeignet, da sie durch die Feuchtigkeit ihre Filterwirkung verlieren. Bei gasförmigen Gefahrstoffen sind die entsprechenden Filter zu verwenden. Bei Gefahr von Sauerstoffmangel (O2 < 17 %) dürfen nur umgebungsluftunabhängige Geräte eingesetzt werden.

Weiterhin können Gehörschutz (siehe BG-Regel: Einsatz von Gehörschützern [BGR 194]), Kopfschutz (siehe BG-Regel: Benutzung von Kopfschutz [BGR 193]) und Warnkleidung erforderlich sein.

Filtergeräte sind als Atemschutz nicht geeignet, da bei Vorhandensein gesundheitsschädlicher Gase und Dämpfe immer mit Sauerstoffmangel gerechnet werden muss.

Sperrung oder Umleitung der Wasserzuflüsse, Beachtung der Wetterlage, Abschalten und Sichern der Pumpen die Wasser in den Arbeitsbereich fördern