DGUV Information 214-021 - Biologische Arbeitsstoffe beim Umgang mit Verstorbenen

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Abschnitt 11 - 11 Nachwort: Verarbeitung von traumatischen Ereignissen

Die Entscheidung für einen Beruf, der den Umgang mit der menschlichen Leiche zum Inhalt hat, setzt Fähigkeiten voraus, die eine adäquate Verarbeitung der dauerhaften Konfrontation mit dem Tod ermöglichen. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass eine solche adäquate Verarbeitung in jeder denkbaren Situation möglich ist. Unfälle mit schwerer Körperzerstörung, tote Kinder oder das Leid und das Schicksal von Hinterbliebenen sind Beispiele, die die individuelle Fähigkeit zum Umgang mit belastenden Situationen herausfordern. Hier besteht die Gefahr der Entwicklung relevanter Gesundheitsstörungen im Sinne eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Auch die inadäquate Verarbeitung im Bestattungsgewerbe alltäglicher Situationen, die nur mittelfristig kompensiert werden können, führt nach einiger Zeit zu körperlichen und seelischen Beschwerden, ohne dass hier der Begriff des posttraumatischen Belastungssyndroms anwendbar wäre.

Belastende Situationen lösen bei allen Menschen Symptome einer akuten Belastungsreaktion aus. Dies ist völlig normal und kennzeichnet die Auseinandersetzung von Körper und Seele mit der extremen Erfahrung. Typische Symptome dabei sind Schlafstörung, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Verspannung, Angst- und Panikzustände, Wut- und Hassgefühle, Gereiztheit, Nervosität oder Überempfindlichkeit. Sie treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem traumatischen Ereignis ein. Der Betroffene denkt über das Erlebte nach, verarbeitet es und die Symptome schwächen sich nach kurzer Zeit, maximal wenigen Wochen, ab. Manchen gelingt dieser Selbstheilungsprozess allein, viele benötigen dafür die Unterstützung des Unternehmers oder Kollegen; des Partners, der Familie und von Freunden. Bei einigen Menschen bleiben diese Symptome jedoch bestehen oder verschlimmern sich sogar. Sie beginnen symptomauslösende Situationen zu vermeiden und sind dadurch oft in Alltagssituationen erheblich eingeschränkt. In solchen Fällen spricht man von einer chronischen Belastungsstörung oder einem posttraumatischen Belastungssyndrom. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die Symptomatik mit Alkohol oder Drogen unterdrückt wird und sich auf diese Weise zusätzlich eine Suchtproblematik entwickelt.

Zur Verhinderung der Entwicklung eines solchen Krankheitsbildes sind frühzeitige Gespräche mit Freunden und Kollegen, der Familie und auch speziell dafür geschulten Helfern erforderlich. Ein gutes Betriebsklima, nicht gestörte Kommunikationsbeziehungen, ein Unternehmer und eine Anzahl von Kollegen, die gelernt haben, mit dieser Problematik umzugehen, sind wesentliche Voraussetzungen, die Entwicklung eines posttraumatischen Belastungssyndroms zu verhindern. Sofern es dennoch zu einer chronischen Belastungsstörung gekommen ist, oder deren Entwicklung droht, ist professionelle Hilfe erforderlich. Ein wichtiger Ansprechpartner zur Aufstellung von Präventionsprogrammen ist der Betriebsarzt.

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