DGUV Regel 100-001 - Grundsätze der Prävention

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Abschnitt 4.3 bis 4.5 - B. Maßnahmen bei besonderen Gefahren

4.3 Allgemeine Pflichten des Unternehmers

4.3.1

ccc_1171_01.jpgDGUV Vorschrift 1

§ 21 Allgemeine Pflichten des Unternehmers
(1) Der Unternehmer hat Vorkehrungen zu treffen, dass alle Versicherten, die einer unmittelbaren erheblichen Gefahr ausgesetzt sind oder sein können, möglichst frühzeitig über diese Gefahr und die getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen unterrichtet sind. Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr für die eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer Personen müssen die Versicherten die geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung selbst treffen können, wenn der zuständige Vorgesetzte nicht erreichbar ist; dabei sind die Kenntnisse der Versicherten und die vorhandenen technischen Mittel zu berücksichtigen.

Der Begriff "unmittelbar erhebliche Gefahr" bezeichnet eine Sachlage, bei der der Eintritt eines Schadens ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sehr wahrscheinlich ist oder sein Eintritt nicht mehr abgewendet werden kann und der Schaden nach Art und Umfang besonders schwer ist. Für die Versicherten sind diese Situationen oftmals mit Lebensgefahr oder erheblicher Verletzungsgefahr (Gefahr für Leib und Leben) verbunden. Solche Situationen sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie Ausnahmezustände darstellen, die nur selten auftreten. Für die Gefahrenabwehr kann sofortiges Handeln nach einem festgelegten Plan mit definierten Hilfsmitteln erforderlich sein, je nach Art der besonderen Gefahr. Dort, wo sofortiges Handeln erforderlich ist, bleibt meisten keine Zeit für die Rücksprache mit dem Vorgesetzten. Die Versicherten müssen dann selbständig handeln können. Dieses selbständige Handeln wird den Versicherten aber nicht unvorbereitet abverlangt, da sie vom Unternehmer über die bestehenden oder möglichen unmittelbar erheblichen Gefahren informiert werden müssen, und auch darüber, welche Schutzmaßnahmen getroffen wurden oder beim Eintreten des Gefahrenfalls zu treffen sind.

Beispiele hierfür sind:

  • unerwartete Störungen bei der Erprobung von technischen Großanlagen,

  • Einsätze der Feuerwehr,

  • unerwartete Angriffe von Strafgefangenen auf das Personal der Strafvollzugsanstalt,

  • unerwartete Übergriffe von psychisch veränderten Menschen auf das Personal von Pflegeeinrichtungen und -diensten,

  • Raubüberfälle, gegebenenfalls mit Geiselnahme,

  • unerwartete Gasaustritte beim Rohrleitungsbau oder bei Bohrungen auf Erdöl/Erdgas,

  • unerwartete Wassereinbrüche beim Tunnelvortrieb.

Von geeigneten Vorkehrungen im Sinne von § 21 Absatz 1 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" ist auszugehen, wenn das spezifische Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger bzw. die maßgeblichen Dienstvorschriften eingehalten werden.

4.3.2

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(2) Der Unternehmer hat Maßnahmen zu treffen, die es den Versicherten bei unmittelbarer erheblicher Gefahr ermöglichen, sich durch sofortiges Verlassen der Arbeitsplätze in Sicherheitzu bringen.

Dies setzt voraus, dass z. B.

  • Fluchtwege und Notausgänge in erforderlicher Anzahl und Lage vorhanden sind,

  • Fluchtwege und Notausgänge deutlich erkennbar und dauerhaft gekennzeichnet sind,

  • bei Störung der Stromversorgung gegebenenfalls eine selbsttätig einsetzende Sicherheitsbeleuchtung vorhanden ist,

  • bei nicht ständigen, schwer zugänglichen, hochgelegenen Arbeitsplätzen Einrichtungen vorhanden sind, die ein selbstständiges Verlassen des Gefahrenbereichs ermöglichen.

Siehe § 4 Absatz 4, Abschnitte 2.3 und 5.2 Absatz 4 des Anhanges zu § 3a Absatz 1 der Arbeitsstättenverordnung sowie der DGUV Regel 112-199 "Retten aus Höhen und Tiefen mit persönlichen Absturzschutzausrüstungen".

4.4 Notfallmaßnahmen

4.4.1

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§ 22 Notfallmaßnahmen
(1) Der Unternehmer hat entsprechend § 10 Arbeitsschutzgesetz die Maßnahmen zu planen, zu treffen und zu überwachen, die insbesondere für den Fall des Entstehens von Bränden, von Explosionen, des unkontrollierten Austretens von Stoffen und von sonstigen gefährlichen Störungen des Betriebsablaufs geboten sind.

Zu den Notfallmaßnahmen gehört z. B. die Aufstellung

  • eines Alarmplanes,

  • eines Flucht- und Rettungsplanes,

  • einer Brandschutzordnung,

  • eines Notfallplanes für unerwartete Situationen, z. B. Amokfall im Sinne der Ziffer 4.3.2.

Alarmplan

Der Alarmplan stellt die einfachste Form der schriftlichen Festlegung von Notfallmaßnahmen dar.

Der Unternehmer hat in einem Alarmplan festzulegen, welche Maßnahmen in Notfällen, wie Brand, Unfall, Einbruch, Überfall, durchgeführt werden müssen. Die Versicherten müssen über die Inhalte und Abläufe, z. B. im Rahmen einer Unterweisung nach § 4 der DGUV Vorschrift 1, informiert werden. Der Alarmplan wird an geeigneten Stellen im Unternehmen ausgehängt. Er muss regelmäßig aktualisiert werden, z. B. wegen Änderung von Telefonnummern, Personalwechsel.

Flucht- und Rettungsplan

In Unternehmen, deren Lage, Ausdehnung und Art der Nutzung es erfordern, ist ein Flucht- und Rettungsplan zu erstellen. Dazu gehören z. B. Unternehmen mit großer räumlicher Ausdehnung oder mit weitläufigen Produktionsstätten, große Bürogebäude oder Gebäude mit unübersichtlichen Gängen, Treppen und Verkehrswegen, Unternehmen, in denen sich regelmäßig eine große Anzahl von Personen, Betriebsfremde oder Personen mit eingeschränkter Mobilität aufhalten sowie Unternehmen, die mit gefährlichen Stoffen umgehen, wie Raffinerien, Betriebe der chemischen Industrie und Laboratorien. Dazu zählen auch Schulen und Kindertageseinrichtungen mit Schul- und Kindergartenkindern.

In einem Flucht- und Rettungsplan, der zweckmäßigerweise den Alarmplan einschließt, werden Verhaltensweisen und Abläufe in Notfällen, wie Brand, Evakuierung, Unfall, grafisch unterstützt festgelegt. Diese Pläne werden an geeigneten Stellen im Unternehmen ausgehängt. Sprache (mehrsprachig, einfacher Text) und Darstellung (genormte Symbole) sollte so gewählt werden, dass auch betriebsfremde Personen sich leicht orientieren können.

Im Rahmen der Unterweisung müssen die Versicherten mit dem Flucht- und Rettungsplan vertraut gemacht werden, dazu gehört auch eine praktische Übung.

Befinden sich regelmäßig Betriebsfremde oder Personen mit eingeschränkter Mobilität im Unternehmen, z. B. Verkaufsstätte, Krankenhaus, Behindertenwerkstätte, Pflegeheim, muss deren ordnungsgemäße Flucht bzw. Rettung zusätzlich geplant werden.

Die Inhalte des Flucht- und Rettungsplans sind Bestandteil der Erstunterweisung jedes neuen Versicherten vor Aufnahme der Arbeit, nach internen Umsetzungen oder längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz.

Brandschutz

Der Unternehmer hat für einen Schutz gegen Entstehungsbrände zu sorgen. Dazu gehört die Ausstattung des Unternehmens mit geeigneten Feuerlöscheinrichtungen (Feuerlöscher, stationäre Brandschutzanlagen) in ausreichender Anzahl.

Weitere Hinweise siehe

  • "Maßnahmen gegen Brände" (ASRA2.2),

  • "Einsatz von Feuerlöschanlagen mit sauerstoffverdrängenden Gasen" (DGUV Regel 105-001).

Die zu ergreifenden Maßnahmen lassen sich aus der Gefährdungsbeurteilung ableiten.

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Bränden und Explosionen, kann eine Brandschutzordnung erforderlich sein. Diese wird zweckmäßigerweise gemeinsam mit der zuständigen Feuerwehr aufgestellt. Sie enthält alle getroffenen und im Brandfall zu treffenden Maßnahmen.

Die Versicherten sind mit den Inhalten der Brandschutzordnung vertraut zu machen.

4.4.2

ccc_1171_01.jpgDGUV Vorschrift 1

(2) Der Unternehmer hat eine ausreichende Anzahl von Versicherten durch Unterweisung und Übung im Umgang mit Feuerlöscheinrichtungen zur Bekämpfung von Entstehungsbränden vertraut zu machen.

Die ausreichende Anzahl von Versicherten ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung.

Bei höherer Brandgefährdung, der Anwesenheit einer größeren Anzahl von Personen sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität kann eine größere Zahl von unterwiesenen Versicherten erforderlich sein.

Bei der Anzahl der Versicherten sollte auch Schichtbetrieb, Abwesenheit einzelner Personen, z. B. Fortbildung, Urlaub, Krankheit, und Personalwechsel berücksichtigt werden.

4.5 Maßnahmen gegen Einflüsse des Wettergeschehens

ccc_1171_01.jpgDGUV Vorschrift 1

§ 23 Maßnahmen gegen Einflüsse des Wettergeschehens
Beschäftigt der Unternehmer Versicherte im Freien und bestehen infolge des Wettergeschehens Unfall- und Gesundheitsgefahren, so hater geeignete Maßnahmen am Arbeitsplatz vorzusehen, geeignete organisatorische Schutzmaßnahmen zu treffen oder erforderlichenfalls persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen.

Bei Arbeiten im Außenbereich können auf Grund des Wettergeschehens sowohl Gesundheits- als auch Unfallgefahren auftreten. Stellt der Unternehmer im Rahmen der Erstellung seiner Gefährdungsbeurteilung fest, dass die Versicherten bei Arbeiten im Außenbereich Unfall- und Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind, so hat er das Ausmaß der Gefahren zu ermitteln und die zur Abwendung der Gefahr notwendigen Maßnahmen festzulegen. Bei der Festlegung der Maßnahmen sollte sich der Unternehmer durch den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit beraten lassen. Bei der Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung ist Kapitel 4, Abschnitt D dieser Regel zu beachten.

Unfallgefahren infolge des Wettergeschehens

Mit Unfallgefahren bei Arbeiten im Außenbereich ist infolge des Wettergeschehens zu rechnen, wenn z. B. auf Grund von

  • Vereisung, Raureif oder starkem Regen Verkehrswege und Arbeitsplätze nicht mehr sicher begangen werden können,

  • starkem Wind Lastentransporte nicht mehr sicher durchgeführt werden können,

  • starkem Nebel die Sichtweite eingeschränkt wird,

  • Gewittern oder Stürmen der Aufenthalt auf exponierten Arbeitsplätzen, z. B. Turmdrehkrane, Gerüste, Fahrgeschäften von Schaustellern, mit Gefahren verbunden ist.

Abwendung von Unfallgefahren infolge des Wettergeschehens

Maßnahmen zur Abwendung von Unfallgefahren sind getroffen, wenn z. B.

  • Verkehrswege und Arbeitsplätze bei Vereisung oder Raureif mittels Streumittel oder durch Entfernen der Vereisung oder des Raureifes ohne die Gefahr des Ausgleitens sicher begehbar gemacht werden,

  • dem Wind ausgesetzte Krane nicht über die vom Kranhersteller festgelegten Grenzen hinaus betrieben werden und rechtzeitig spätestens bei Erreichen der für den Kran kritischen Windgeschwindigkeit und bei Arbeitsschluss durch die Windsicherung festgelegt werden,

    Siehe § 30 Abs. 6 Satz 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Krane"
    (DGUV Vorschrift 52 und 53).

  • bei starkem Regen, Gewitter, Sturm oder starkem Nebel die Arbeiten unterbrochen werden.

Gesundheitsgefahren infolge des Wettergeschehens

Gesundheitsgefahren bei Arbeiten im Außenbereich infolge des Wettergeschehens können z. B. auftreten,

  • bei Durchnässen der Arbeitskleidung durch Niederschläge,

  • Unterkühlung des Körpers durch Kälte oder Wind,

  • Hautschädigung durch Sonnenstrahlung,

  • Überhitzung des Körpers durch hohe Temperaturen.

Abwendung von Gesundheitsgefahren infolge des Wettergeschehens

Zur Abwendung von Gesundheitsgefahren hat sich z. B. bewährt, wenn

  • ortsgebundene Arbeitsplätze im Freien, an denen nicht nur vorübergehend Versicherte beschäftigt werden, so eingerichtet sind, dass sie gegen Witterungseinflüsse geschützt sind,

  • Bedienungsplätze von Baumaschinen gegen Witterungseinflüsse abgeschirmt sind,

  • Arbeitnehmern Schutzkleidung gegen Witterungseinflüsse, z. B. gegen Kälte und Nässe, zur Verfügung gestellt wird,

  • bei Sonnenstrahlung körperbedeckende Kleidung zum Schutz der Haut getragen wird.

Nähere Informationen für die Auswahl von geeigneter Schutzkleidung siehe DGUV Regel 112-189 und 112-989 "Benutzung von Schutzkleidung".