DGUV Regel 112-200 - Benutzung von Stechschutzhandschuhen und Armschützern

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Abschnitt 3.1 - 3 Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit bei der Arbeit

3.1 Bereitstellung

Werden bei der Gefährdungsermittlung Gefährdungen der Hände und/oder Arme der Versicherten durch Schnitte und/oder Stiche ermittelt (siehe Abschnitt 3.1.1) und sind diese Gefährdungen nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen zu beseitigen, hat der Unternehmer den gefährdeten Personen nach § 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Allgemeine Vorschriften" (BGV A1) geeignete persönliche Schutzausrüstungen, wie Handschuhe, Armschützer, Stulpen oder Kombinationen, zur Verfügung zu stellen.

Das Benutzen der persönlichen Schutzausrüstungen ist vom Unternehmer nach § 3 Arbeitsschutzgesetz anzuordnen und zu überwachen.

Zweckmäßigerweise ist die Tragepflicht bereits im Arbeitsvertrag zu verankern oder durch Betriebsanweisungen zu regeln.

3.1.1
Gefährdungsermittlung

Vor der Auswahl und der Benutzung von Handschuhen, Stulpen oder Armschützern hat der Unternehmer nach §§ 4 und 5 Arbeitsschutzgesetz eine Beurteilung der Arbeits- und Einsatzbedingungen durchzuführen, die insbesondere beinhaltet:

  • Art und Umfang der Gefährdungen,

  • Gefährdungsdauer,

  • voraussichtliche Schwere des Körperschadens,

  • gefährdete Körperteile, wie Finger, Hand, Arm,

  • Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens (Risikobewertung),

  • persönliche Voraussetzungen des Versicherten, z.B. Risikobereitschaft, Behinderung, Geschicklichkeit, Allergiker.

Eine Gefährdung durch Schnitt- oder Stichverletzungen ist nicht unbedingt an bestimmte Tätigkeiten oder an Berufe gebunden, sondern dann vorhanden, wenn mit Schnitt- oder Stichverletzungen zu rechnen ist, z.B. durch

  • Arbeiten mit scharfkantigen Werkstücken, z.B. Blechen, Gussteilen, Kunststoff-, Leder-, Papierindustrie, Bodenverlegearbeiten,

  • Arbeiten mit Handmessern, z.B. in Schlachthäusern, in der Fleischbearbeitung, in Küchenbetrieben bei Auslöse- und Zerlegearbeiten von Fleisch, Fisch, Wild und Geflügel,

  • Arbeiten mit kraftbetriebenen Handmessern,

  • extrem spitze Messer (Messerform),

  • Messerwechsel/Messerschärfen an Schneidemaschinen,

  • Messerführung in Richtung Hand, Handgelenk, Unter- oder Oberarm,

  • Räumliche Enge,

  • Körperhaltung und Körpergröße des Arbeitenden,

  • Kraftaufwand bei der Tätigkeit,

  • Eigenschaften des bearbeiteten Materials (rutschig, fettig).

Ausschlussgründe für die Benutzung von Handschuhen können z.B. sein:

  • Gefahr des Hängenbleibens oder des Eingezogenwerdens, z.B. Arbeiten an Maschinen mit bewegten Teilen und angetriebenen Werkzeugen, wie Entschwartungsmaschinen, rotierenden Maschinenteilen,

  • Arbeiten an unter elektrischer Spannung stehenden Teilen.

3.1.2
Bewertung

Die Benutzung des jeweiligen Schnitt- oder Stechschutzes richtet sich nach der Art der Gefährdungen. Diese sind zwar ihrer Art nach bekannt, unbekannt ist jedoch, wann sie tatsächlich auftreten. Schnitt- oder Stechschutz ist deshalb vorbeugend immer dann zu benutzen, wenn eine Gefährdung nach menschlichem Ermessen nicht ausgeschlossen werden kann.

Beispiele siehe Abschnitt 3.1.1.

Entspricht der verwendende Schnitt- oder Stechschutz den einschlägigen harmonisierten Normen (siehe Anhang 3), kann davon ausgegangen werden, dass eine ausreichende Schutzwirkung gewährleistet ist. Grundsätzlich darf nach § 2 Abs. 1 der PSA-Benutzungsverordnung nur Schnitt- oder Stechschutz eingesetzt werden, der die erforderliche CE-Kennzeichnung trägt, d.h., dass er einer EG-Baumusterprüfung unterzogen wurde und für den eine Konformitätserklärung des Herstellers vorliegt (siehe Abschnitt 3.1.4).

Der Unternehmer oder sein Beauftragter haben nach § 2 PSA-Benutzungsverordnung eine Bewertung des von ihm vorgesehenen Schnitt- oder Stechschutzes vorzunehmen, um festzustellen, ob dieser

  1. 1.

    die CE-Kennzeichnung trägt,

    Bild 8: GS- und CE-Kennzeichnung (das Piktogramm links des CE-Zeichens weist auf den Stechschutz hin)
    ccc_1140_bld08.jpg
    Bild 9: Handschuh mit CE-Kennzeichnung
    ccc_1140_bld09.jpg
  2. 2.

    Schutz gegenüber den abzuwehrenden Gefahren bietet, ohne selbst eine Gefahr mit sich zu bringen,

  3. 3.

    für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet ist, z.B. Griffsicherheit, Bakterienresistenz, Tastgefühl, gegebenenfalls Kombination mit Kälteschutz, Nässeschutz, Chemikalienschutz,

  4. 4.

    den ergonomischen Anforderungen und gesundheitlichen Erfordernissen der Versicherten genügt, z.B. Passform, Größe, Material, allergisierendes Potential,

  5. 5.

    dem Versicherten angepasst werden kann, z.B. Einstell- und Befestigungsmöglichkeiten an Hand und Arm.

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass für jeden Versicherten ein eigener Schnitt- oder Stechschutz zur alleinigen Benutzung zur Verfügung steht.

3.1.3
Sonderausführungen

Bild 10: Handschuh mit oberarmlangem Armschutz und Tragesystem
ccc_1140_bld10.jpg
Bild 11: Daumen-Schnittschutz, z.B. für Schälarbeiten
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Bild 12: Metallgeflechthandschuhe mit rutschhemmenden Noppen auf der Handfläche
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3.1.4
Kennzeichnung

3.1.4.1
CE-Kennzeichnung

Bei der Auswahl ist auf die erforderliche CE-Kennzeichnung zu achten. Die CE-Kennzeichnung besteht aus dem Kurzzeichen "CE" (communauté européenne) und ist dauerhaft auf dem Schnitt- und Stechschutz angebracht.

3.1.4.2
Zertifizierungsklasse

Schnitt- und Stechschutz gehört der Kategorie II an.

Für die Kategorie II muss eine EG-Baumusterprüfbescheinigung einer benannten Stelle vorliegen.

3.1.4.3
Allgemeine Kennzeichnung nach Norm

Weitere Angaben auf dem Produkt, die nicht zur CE-Kennzeichnung gehören, aber eine eindeutige Identifikation des Produktes ermöglichen sind unter anderem:

  • Name oder Zeichen des Herstellers,

  • Typ,

  • Größe,

  • Stechschutzpiktogramm neben dem CE-Zeichen (siehe Bild 8).

Das Stechschutzpiktogramm und der Hinweis auf weitere Informationen des Herstellers, kann auch auf die Verpackung aufgedruckt sein. Dem Produkt müssen beim Kauf weitere Informationen, wie Pflege, Aufbewahrung, Hinweis auf Einsatzbedingungen, besondere Risiken, Einsatzverbote, beiliegen. Hierauf wird durch ein Buchsymbol mit einem "i" hingewiesen.

3.1.5
Hinweise für die Auswahl von Stechschutzhandschuhen und Armschützern

3.1.5.1
Allgemeines

Die Auswahl von Schnitt- und Stechschutz richtet sich nach der Art der Tätigkeit, der ermittelten Gefährdung und des festgelegten Schutzzieles. Dabei sind aber auch die Akzeptanz durch den Versicherten, wie Passform, Bequemlichkeit, Handhabungsaufwand, und mögliche Gefährdungen durch unsachgemäßen Einsatz zu berücksichtigen. Hinweise auf entsprechende Gefährdungen ergeben sich bei der Gefährdungsbeurteilung.

3.1.5.2
Auswahl von Handschuhen

Zur Zeit werden gegen Stichverletzungen nur Handschuhe aus Metallringgeflecht angeboten. Abhängig vom zu bearbeitendenden Material können diese ohne rutschhemmende Beschichtung, z.B. beim Umgang mit Fleisch und anderen anpassungsfähigen Materialien, oder mit rutschhemmenden Beschichtungen, z.B. Noppen oder Streifen aus Kunststoff, verwendet werden. Letztere eignen sich besonders beim Umgang mit härteren Materialien, z.B. Blechen oder anderen scharfkantigen Teilen.

Bei Schneidetätigkeiten mit Handmessern oder gegebenenfalls auch kraftbetriebenen Messern, z.B. Stoffsägen, Bandmessern, pneumatischen Handmessern, reicht normalerweise ein Handschuh ohne Stulpe aus. Je nach Arbeitsweise kann es auch erforderlich werden, einen Handschuh mit kurzer Stulpe zu verwenden. Dies wird immer dann notwendig sein, wenn Schnitte über den Handbereich hinaus geführt werden.

Bei Arbeiten mit einem Handmesser wird dringend empfohlen, zusätzlich auch die messerführende Hand mit einem schnitthemmenden Handschuh zu schützen, z.B. Kevlar- oder Spectra-Gewebe mit oder ohne eingewebte Stahlfäden. Handschuhe aus den genannten textilen Geweben bieten keinen Schutz gegen Stiche.

Der Vorteil dieser Handschuhe liegt darin, dass das Abrutschen der Hand auf die Messerklinge nicht zu schwerwiegenden Verletzungen führen kann.

3.1.5.3
Auswahl von Stulpen

Kurze Stulpen verlängern den Schutzbereich vom Handschuh über das Handgelenk, lange Stulpen über das Handgelenk bis in die Nähe der Armbeuge. Sie müssen immer dann gewählt werden, wenn das Messer in Richtung des Handgelenks bzw. des Armes geführt wird.

Klassische Tätigkeiten dafür sind z.B. Arbeiten in der Fleischzerlegung.

Eine Gefährdungsermittlung kann ergeben, dass auch beim Umgang mit Blechen und anderen scharfkantigen Teilen das Tragen von Armschützern erforderlich ist.

3.1.5.4
Auswahl von Armschützern

Mittlerweile werden auch Handschuhe mit Armschützern angeboten, die an der Kleidung des Benutzers in Schulternähe befestigt werden können oder über ein geeignetes Tragesystem verfügen (siehe Bild 10).

Alternativ zum Armschutz können auch Metallringgeflechthemden mit Ärmeln, welche bis zum Handgelenk reichen, getragen werden. Bei Überkopfarbeiten sind die Ärmel gegen verrutschen zu sichern. Soweit gleichzeitig Handschuhe getragen werden müssen muss eine lückenlose Abdeckung des zu schützenden Bereichs, z.B. durch Überlappung oder Anknöpfen, gewährleistet sein.

3.1.6
Individuelle Passform

Die Akzeptanz von persönlichen Schutzausrüstungen hängt entscheidend von der individuellen Passform ab. Metallringgeflechthandschuhe werden in 6 Größen angeboten, die farblich gekennzeichnet sind (siehe Tabelle 1). Trotzdem wird empfohlen, Metallringgeflechthandschuhe nicht allein nach der Größenkennzeichnung, sondern nur nach persönlicher Anprobe zu beschaffen.

Tabelle 1: Größen und Farbkennzeichnungen von Handschuhen und Unterarmschützern (siehe auch Bild 1)
HandschuhgrößeFarbeSteife Stulpen am Handschuh (Länge B)Lange Stulpen
5Braun120 mm200 mm
6Grün
7Weiß
8Rot160 mm220 mm
9Blau240 mm
10Orange180 mm

Viele Hersteller bieten auch individuell angepasste Schnitt- und Stechschutzausrüstungen an, z.B. für fehlende oder verkürzte Gliedmaße des Benutzers.

3.1.7
Tragekomfort von Stechschutzhandschuhen

Der Tragekomfort von Metallringgeflechthandschuhen, die aus einem sehr beweglichen aber unelastischen Geflecht bestehen, ist nur dann gewährleistet, wenn bei der Anprobe der Handschuhe eine Faust gemacht werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass der Handschuh an keiner Stelle drückt, spannt oder den Fingerspitzenbereich unnötig einengt.

Bild 13: Vergleich von Titan mit Stahlringgeflechthandschuhen
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Es ist sinnvoll beim Arbeiten mit kaltem und feuchtem Material direkt auf der Haut einen Baumwollhandschuh, darüber einen Polyethylenhandschuh oder einen aus einem anderen feuchtigkeitsundurchlässigen Material bestehenden Handschuh und darauf den Metallringgeflechthandschuh zu tragen. In dieser Kombination muss der Handschuh bei geöffneter Hand an den Fingerspitzen und der Handfläche leicht durchhängen, damit der Faustschluss nicht behindert wird.

Handschuhe aus Titanringgeflecht bieten einen besseren Tragekomfort (Temperaturempfinden, Gewicht, geringeres allergisches Potential).

Fixiergummis, die über mehrere Finger bis zum Handgelenk gespannt sind, werden eingesetzt, um das Spiel des Handschuhs an der Hand und den Fingerspitzen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Sie halten das Gewebe elastisch zurück und geben leicht nach, so dass die Beweglichkeit nicht beeinträchtigt wird (siehe Bild 14).

Bild 14: Einsatz von Fixiergummis
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Der Verschluss an Metallringgeflechthandschuhen ist so aufgebaut, dass eine praktisch stufenlose Anpassung an die anatomischen Gegebenheiten des Benutzers möglich ist.

Drei Verschlusssysteme sind derzeit üblich:

  • Der Hakenverschluss; dabei greifen kleine Haken an der Verschlussplatte so in das Schutzmaterial des Verschlussbandes, dass eine geschlossene Schutzfläche ohne Bildung eines offenen Spaltes an der Handkantenseite entsteht (siehe Bild 16).

  • Das Druckknopfsystem; dabei ist ein Druckknopf verstellbar an einem Gelenkband befestigt, was ebenfalls sicherstellt, dass eine geschlossene Schutzfläche gebildet wird. Bei diesem System kann es notwendig werden, dass ein weit überstehendes Bandende auf ein akzeptables Maß gekürzt werden muss. Damit wird Unfällen durch erfasst werden oder hängen bleiben vorgebeugt (siehe Bild 15).

  • Das Federsystem; dabei werden elastische Stahlfedern zur Fixierung des Handschuhs und des Armschutzes verwendet (siehe Bild 16).

Bild 15: Druckknopfverschluss; auf dem Band sind die Informationen eingeprägt (Farbe des Bandes zur Kennzeichnung der Größe, siehe Tabelle 1)
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Bild 16: Hakenverschluss mit farbigem Plättchen zur Größenkennzeichnung (siehe Abschnitt 3.1.6)
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Bild 17: Federverschluss, links: geschlossen, rechts: geöffnet
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