Anhang 2 - RISIKOPRIORITÄTSZAHL
Durchführung einer Risikobeurteilung
1
Allgemeines
Im Rahmen der vom Unternehmer nach § 5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführenden "Gefährdungsermittlung und der Beurteilung der Arbeitsbedingungen" ist eine Risikobeurteilung vorzunehmen, damit wirksame präventive Maßnahmen getroffen werden können. Das in diesem Anhang beschriebene Verfahren stellt eine Möglichkeit zur Risikobeurteilung dar und ist angelehnt an die DIN EN ISO 1050 "Leitsätze zur Risikobeurteilung".
2
Durchführung der Risikobeurteilung
Gemäß der DIN EN ISO 1050 wird das Risiko durch die "Risikoprioritätszahl (RPZ)" ausgedrückt. Diese ergibt sich aus dem Produkt "Verletzungsschwere" multipliziert mit der "Wahrscheinlichkeit des Auftretens".
Risikoprioritätszahl (RPZ) =
Verletzungsschwere (V) x Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A)
Hinweis: Die "Verletzungsschwere" ergibt ich aus Tabelle 1 und die "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" aus Tabelle 2 dieses Anhangs, wobei jeweils Zahlenwerte von 1 bis 10 möglich sind.
2.1
Verletzungsschwere
Die Ziffer der "Verletzungsschwere" ist entsprechend den Arbeitsverfahren möglichst objektiv festzulegen.
Die Bewertungsskala reicht hier von einer minimalen "Schnitt-/Stichverletzung" (Ziffer 1) bis hin zum Tod (Ziffer 10). Infektionsgefahr kann die Folgen der Verletzung deutlich erhöhen.
Verletzungsschwere (V) | Stich-/Schnittverletzung sowie deren Folgen |
---|---|
1 | Minimale Stich-/Schnittverletzung |
2 | Leichte Stich-/Schnittverletzung (Selbstpflastern) |
3 | Leichte Stich-/Schnittverletzung (ambulante Versorgung, ggf. im Produktionsbetrieb möglich) |
4 | Mittlere Stich-/Schnittverletzung (AU < 3 Tage) |
5 | Mittlere Stich-/Schnittverletzung (AU > 3 Tage) |
6 | Schwere Stich-/Schnittverletzung mit Krankenhausaufenthalt |
7 | Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE < 20 % |
8 | Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE (< 50 %) |
9 | Schwere Stich-/Schnittverletzung mit MdE (> 50 %) |
10 | Schwere Stich-/Schnittverletzung mit Todesfolge |
Hinweise zur Tabelle:
AU | = | Arbeitsunfähigkeit, |
---|---|---|
MdE | = | Minderung der Erwerbsfähigkeit, |
MdE < 20 % | = | z.B. Bauchstich ohne Verletzung tieferer Strukturen, |
MdE < 50 % | = | z.B. Leistenstichverletzung mit Venenersatz und postthrombotischem Syndrom (permanente Schwellungen, Geschwüre), |
MdE > 50 % | = | z.B. Verlust des Beines nach Stichverletzung. |
2.2
Wahrscheinlichkeit des Auftretens
Die Ziffer zur "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" ist unter anderem von folgenden Einflüssen abhängig:
Arbeitsverfahren,
Arbeitsplatzgestaltung,
Betriebsorganisation, z.B. Unterweisungen, Kontrollen, Zeitdruck, vertragliche Verpflichtung zur Benutzung der PSA,
bisher verwendete Persönliche Schutzausrüstungen,
Betriebserfahrung (festgestellte Verstöße gegen Arbeitsanweisungen),
Häufigkeit (seltene Tätigkeiten, Unterschätzen der Gefahr durch Routine),
Verfassung des Mitarbeiters,
Arbeitsunfälle und Beinahe-Unfälle (Verbandbucheinträge).
Hinweise zur Tabelle:
Die Ziffern zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens sind generell den 3 Stufen "Gering, Mittel, Hoch" zugeordnet, wobei sich die Zwischenwerte insbesondere durch die oben genannten Faktoren ergeben. Die Ziffer 10 beschreibt ein unabwendbares Ereignis.
3
Bewertung des Risikos
Zur abschließenden Bewertung des Risikos werden die Ziffern zur Verletzungsschwere (V) und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens (A) miteinander multipliziert und die Risikoprioritätszahl (RPZ) ermittelt.
RPZ = V x A
Die RPZ kann somit zwischen
RPZ= 1 x 1 = 1
und dem Maximalwert
RPZ = 10 x 10 = 100 liegen.
Die Risikobeurteilung und damit verbunden die ermittelte RPZ bereitet die zu treffende Maßnahme vor. Ist das vorhandene Risiko aus Sicht des Unternehmers akzeptabel - so liegt "ausreichende Sicherheit" vor. Ist das Risiko nicht akzeptabel - so liegt "Gefahr" vor. Aus dieser Betrachtung ergibt sich die vom Betrieb akzeptierte RPZ.
Unter Beachtung des Standes der Technik ist eine möglichst niedrige RPZ anzustreben.
Ein Grenzwert für die Risikoprioritätszahl (RPZ) ist im Vorschriftenwerk nicht festgelegt.
Beispiel:
Ausbeinarbeiten ohne Stechschutzschürze, Messerführung zum Körper:
Verletzungsschwere: schwere Bauchverletzung (V=7)
Wahrscheinlichkeit des Auftretens: Mittel (A=5)
Es ergibt sich eine RPZ = V x A =7 x 5 = 35
Ausbeinarbeiten mit Benutzung einer geeigneten Stechschutzschürze (Länge, Breite, Material) und eines ordnungsgemäß geschliffenen Messers, Messerführung zum Körper:
Verletzungsschwere: schwere Bauchverletzung (V=7)
Wahrscheinlichkeit des Auftretens: Gering (A=2)
Es ergibt sich eine RPZ = V x A =7 x 2 = 14
Folgerung für den Betrieb:
Weil in diesem Beispiel das Arbeitsverfahren nicht geändert werden kann, bleibt die theoretische Verletzungsschwere konstant (V=7). Durch Verwendung einer geeigneten Stechschutzschürze verringert sich aber die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes (A wird von 5 auf 2 reduziert). Damit ist durch die Benutzung der Stechschutzschürze das Risiko von 35 auf 14 reduziert worden.
Die Gefährdungsermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen sollte vom Unternehmer bzw. der verantwortlichen Führungskraft zweckmäßigerweise unter Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes, der Personalvertretung (Betriebsrat oder Mitarbeitervertretung), des Sicherheitsbeauftragten und betroffener Mitarbeiter durchgeführt werden.
Es wird empfohlen, in Zweifelsfällen die zuständige Berufsgenossenschaft einzubeziehen.
Weitere Beispiele enthält die BG-Information "Auswahl von Schnitt- und Stichschutz bei der Verwendung von Handmessern in der Nahrungsmittelwirtschaft" (BGI 864).