DGUV Regel 109-001 - Schleifen, Bürsten und Polieren von Aluminium - Vermeiden von Staubbränden und Staubexplosionen

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Verfahrenstechnische Maßnahmen

4.2.1
Allgemeines

Unternehmerinnen und Unternehmer müssen sicherstellen, dass der bei der Bearbeitung anfallende Aluminiumstaub an der Entstehungsstelle vollständig erfasst und gefahrlos beseitigt wird, soweit es nach dem Stand der Technik möglich ist. Das wird zum Beispiel erreicht durch Anwendung eines der nachfolgenden Verfahren zur Staubbeseitigung:

  1. 1.

    Nassverfahren

  2. 2.

    Trockenverfahren mit Nassabscheidung des Staubs durch sofortiges Benetzen des freiwerdenden Staubs 3. Trockenverfahren mit Nassabscheidung des Staubs durch Benetzen des Staubs im Nassabscheider

  3. 4.

    Trockenverfahren mit Trockenabscheidung des Staubs

Entstehungsstelle ist die Kontaktstelle zwischen Werkstück und Werkzeug. Bei der Bearbeitung mit Handmaschinen kommen üblicherweise die Verfahren nach Nummern 3 und 4 zur Anwendung.

Bei allen Verfahren müssen Funktionen genutzt werden (z. B. Überwachung der Strömungsgeschwindigkeit der Absaugung), an deren Zuverlässigkeit bestimmte Anforderungen zu stellen sind. Die entsprechenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit von sicherheitsrelevanten Funktionen sind in TRGS 725 "Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre - Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen im Rahmen von Explosionsschutzmaßnahmen" festgelegt.

Speziell bei der Beschaffung von neuen Anlagen empfiehlt es sich für den Betreiber, bereits bei der Bestellung die Zuverlässigkeit von sicherheitsrelevanten Steuerungsfunktionen einzufordern. Als Hilfestellung sind in Anhang 7 dieser DGUV Regel Beispiele für erforderliche Performance Level nach DIN EN ISO 13849-1 festgelegt. Der Nachweis über die Erfüllung dieser Anforderungen ist von denjenigen zu führen, die die Anlagen in Verkehr bringen.

Andere Staubbeseitigungsverfahren (z. B. Aufsaugen oder Fegen mit staubbindenden Mitteln) sind anwendbar, wenn Unternehmer und Unternehmerinnen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung deren Eignung zum Erreichen des Schutzziels nachweisen. Das kann besonders bei Schleif-, Polier- und Bürstarbeiten auf Baustellen möglich sein, wenn die Arbeiten von kurzer Dauer (< 15 min) sind oder bei diesen Arbeiten nur geringe Abtragsmengen (in Summe weniger als 10 g) anfallen.

4.2.2
Nassverfahren

4.2.2.1
Beim Nassverfahren wird das Werkstück und/oder das Werkzeug mit Wasser oder anderen geeigneten Kühlschmierstoffen so benetzt, dass der entsprechende Abrieb als Schlamm anfällt.

Andere geeignete Kühlschmierstoffe sind zum Beispiel nichtwassermischbare (wasserfreie) Kühlschmierstoffe. Ihre Verwendung kann mit zusätzlichen Brand- und Explosionsgefahren verbunden sein, siehe DGUV Information 209-026 "Brand- und Explosionsschutz an Werkzeugmaschinen".

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Abb. 1
Nassbearbeitung in einer CNC-Schleifmaschine

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Abb. 2
Funktionsprinzip Nassabscheider

4.2.2.2
Bearbeitungsmaschine und Flüssigkeitszugabe sind so miteinander verriegelt, dass ein Trockenbetrieb nicht möglich ist.

4.2.3
Trockenverfahren mit Nassabscheidung durch sofortiges Benetzen

4.2.3.1
Beim Trockenverfahren mit Nassabscheidung des Staubs durch sofortiges Benetzen des freiwerdenden Staubs wird der Staub unmittelbar hinter der Entstehungsstelle - in der Haube - durch Wasser, eventuell mit Additiven, oder mit anderen geeigneten Flüssigkeiten so benetzt, dass er möglichst vollständig gebunden wird und als Schlamm anfällt.

4.2.3.2
Bearbeitungsmaschine und Flüssigkeitszugabe sind so miteinander verriegelt, dass ein Trockenbetrieb nicht möglich ist.

4.2.4
Trockenverfahren mit Nassabscheidung im Nassabscheider

4.2.4.1
Beim Trockenverfahren mit Nassabscheidung des Staubs im Nassabscheider wird der anfallende trockene Staub an der Entstehungsstelle möglichst vollständig abgesaugt und einem geeigneten Nassabscheider zugeführt (siehe Abb. 2).

Nassabscheider sind geeignet, wenn eine ausreichende Benetzung des Staubs mit dem Waschwasser sichergestellt ist und gefährliche Staubanbackungen oder -ansammlungen und die Ansammlung gefährlicher Wasserstoffgas/Luft-Gemische vermieden sind, auch wenn der Abscheider stillsteht.

4.2.4.2
Die Bearbeitungsmaschinen können nur betrieben werden, wenn die Nassabscheidung und die Absaugung wirksam sind. Bei unzureichender Absaugung oder Abscheidung schalten sich die Bearbeitungsmaschinen selbsttätig ab. Bei der zentralen Absaugung mehrerer Maschinen werden idealerweise alle Einzelrohrleitungen überwacht. Wenn die Risikobeurteilung ergibt, dass kein Ausfall einzelner Rohrleitungen (durch z. B. Zusetzen oder Abschiebern) möglich ist, kann die Überwachung der Hauptrohrleitung ausreichen.

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Abb. 3
Trockenbearbeitung mit Schleifband

Eine Überwachung der Absaugung ist zum Beispiel durch Druckwächter möglich. Eine Überwachung der Abscheidung ist durch einen Trockenlaufschutz möglich, zum Beispiel einen Wassermangelschalter.

4.2.4.3
Die Ventilatoren sind auf der Reinluftseite angeordnet und laufen nach Abschalten der Bearbeitungsmaschine so lange nach, dass Ablagerungen in den Rohrleitungen weitestgehend vermieden werden.

4.2.4.4
Der Aufstellungsort des Nassabscheiders ist so gewählt, dass eine (unzulässige) Anreicherung der Staubkonzentration im Arbeitsraum durch den Reststaubgehalt der Reinluft und Gefahren durch entstehendes Wasserstoffgas während des Betriebs und im Stillstand des Abscheiders vermieden werden (ausreichende Luftwechselrate von min. 1/h).

Das wird zum Beispiel durch Aufstellung des Abscheiders im Freien und einen Verzicht auf die Rückführung der Reinluft in den Arbeitsraum erreicht.

Eine Rückführung der Reinluft in den Arbeitsraum setzt voraus, dass die zurückgeführte Luft ausreichend gereinigt ist, siehe zum Beispiel DGUV Regel 109-002 "Arbeitsplatzlüftung - Lufttechnische Maßnahmen". Neben der Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte ist dem Aspekt der langfristigen Staubanreicherung durch Ablagerung bei Luftrückführung besondere Aufmerksamkeit zu widmen und er muss bei der Festlegung von Reinigungsintervallen nach Abschnitt 4.9 berücksichtigt werden.

Hinweis: Ferner ist auch die mikrobielle Belastung der Waschflüssigkeit regelmäßig zu kontrollieren (siehe VDI 3679 Blatt 1, Kapitel 9).

Anmerkung: Mit Nassabscheidern wird im Allgemeinen ein geringerer Abscheidegrad als mit filternden Abscheidern erreicht. Mit einem zusätzlich nachgeschalteten Speicherfilter (auch Schweb-stoff- oder Polizeifilter genannt) kann in der Regel der Abscheidegrad von filternden Abscheidern erreicht werden. Er sollte mit einer Differenzdruckanzeige überwacht werden.

4.2.5
Trockenverfahren und Trockenabscheidung

4.2.5.1
Beim Trockenverfahren mit Trockenabscheidung des Staubs wird der anfallende trockene Staub an der Entstehungsstelle möglichst vollständig abgesaugt und einem Trockenabscheider zugeführt.

4.2.5.2
Durch Maßnahmen des konstruktiven Explosionsschutzes werden die möglichen Auswirkungen einer Explosion im Abscheider auf ein unbedenkliches Maß begrenzt.

Eine geeignete Maßnahme für den konstruktiven Explosionsschutz ist zum Beispiel die explosionsdruckstoßfeste Bauweise für den reduzierten Explosionsdruck in Kombination mit Explosionsdruckentlastung oder -unterdrückung; siehe auch:

  • VDI 3673 "Druckentlastung von Staubexplosionen"

  • DIN EN 14491 "Schutzsysteme zur Druckentlastung von Staubexplosionen"

  • VDI 2263 Blatt 3 "Staubbrände und Staubexplosionen; Gefahren, Beurteilung, Schutzmaßnahmen; Explosionsdruckstoßfeste Behälter und Apparate; Berechnung, Bau und Prüfung"

  • DIN EN 14460 "Explosionsfeste Geräte"

  • DIN EN 14373 "Explosions-Unterdrückungs-systeme"

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Abb. 4
Flammenlose Druckentlastung

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Abb. 5
Funktionsprinzip Rückschlagklappe

Hinweis: Bei allen konstruktiven Explosionsschutzmaßnahmen ist zu beachten, dass die Systeme nicht nur für die entsprechenden Explosionskenngrößen zertifiziert sind, sondern auch einen Eignungsnachweis für Metallstäube haben.

4.2.5.3
Zusätzlich zu den Maßnahmen nach Abschnitt 4.2.5.2 müssen geeignete Schutzsysteme vorhanden sein, die eine Explosionsübertragung aus dem Abscheider in angrenzende Bereiche, zum Beispiel in den Arbeitsraum, verhindern (explosionstechnische Entkopplung).

Geeignete Schutzsysteme können zum Beispiel sein: Rückschlagklappe, Entlastungsschlot, Zellenradschleuse, Schnellschlussschieber, Explosionsschutzventile, flammdurchschlagssichere Filter, Löschmittelsperren; siehe auch:

  • Abschnitt 10 der VDI 3673

  • Abschnitt 5.7.4 der VDI 2263

  • DIN EN 1127-1 "Explosionsfähige Atmosphären; Explosionsschutz; Teil 1: Grundlagen und Methodik"

  • DIN EN 15089 "Explosionsentkopplungs-Systeme"

  • DIN EN 16447 "Rückschlagklappen zur explosionstechnischen Entkopplung" (siehe Abb. 5)

Schutzsysteme gelten als geeignet, wenn eine Bestätigung ihrer Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften der ATEX-Produktrichtlinie 2014/34/EU (Explosionsschutzprodukteverordnung (11. ProdSV)) von einer benannten Stelle vorliegt und die bestimmungsgemäße Verwendung für den Einzelfall gewährleistet ist.

In der Praxis haben sich zum Beispiel bewährt:

  • Rohluftseite mit Schnellschlussschieber oder Rückschlagklappe

  • Staubaustrag über explosionsfeste und flammendurchschlagsichere Zellenradschleuse

  • Reinluftseite mit flammdurchschlagssicheren Filtern oder Explosionsschutzventil

Bei Luftfortführung in sichere Bereiche ist auf der Reinluftseite keine Entkopplung erforderlich.

4.2.5.4
Anstelle der konstruktiven Explosionsschutzmaßnahmen nach den Abschnitten 4.2.5.2 und 4.2.5.3 kann durch Feststoffinertisierung das Entstehen von explosionsfähiger Atmosphäre im Abscheider vermieden werden. In der Regel müssen bei einer Feststoffinertisierung bis zu 80 Masse-% Inertmaterial zugemischt werden.

Bei diesem Verfahren wird ein staubförmiger Inertstoff, zum Beispiel Calciumcarbonat (Kalk), in den Abscheider eingebracht. Dadurch wird der Aluminiumstaub-Gewichtsanteil soweit reduziert, dass sich das Gemisch nicht mehr entzünden kann. Das zulässige Mischungsverhältnis Inert-stoff/Aluminiumstaub wird durch eine geeignete Überwachung sichergestellt.

Dieses Verfahren eignet sich besonders für Anwendungen, bei denen geringe Mengen an Aluminiumstaub anfallen. Außerdem dient es der Reduzierung der Brandgefahr.

4.2.5.5
Bearbeitungsmaschine und Absaugungen sind steuerungstechnisch zu koppeln. Dadurch können die Bearbeitungsmaschinen nur betrieben werden, wenn die Absaugung wirksam ist.

Eine Überwachung der Absaugung ist zum Beispiel mit Druckwächtern möglich.

4.2.5.6
Die Ventilatoren sind auf der Reinluftseite (Abluftseite) angeordnet und laufen nach Abschalten der Bearbeitungsmaschine solange nach, dass Ablagerungen in den Rohrleitungen weitestgehend vermieden werden.

4.2.6
Mobile Absauganlagen

Als mobile Absauganlagen gelten so genannte Entstauber. Sie sind ausdrücklich für das Absaugen von Schwebstaub bzw. Staubwolken zugelassen. Industriestaubsauger hingegen dienen ausschließlich zum Aufsaugen abgelagerter Stäube.

Mobile Absauganlagen sollten nur für folgende Anwendungen zum Einsatz kommen:

  • kurze Einsatzzeit (< 60 Minuten pro Schicht) und

  • geringe Staubmengen (< 100 g je Schicht) und

  • kleine Luftleistung (< 500 m3/h) oder

  • mobiler Einsatzort (Werkstatt, Baustelle)

Anstelle der in Abschnitt 4.2.5 genannten Anforderungen gelten für mobile Absauganlagen folgende Anforderungen:

  • Sie müssen der DIN EN 60335-2-69 Anhang AA und CC entsprechen.

  • Sie dürfen nicht im laufenden Betrieb abreinigen.

  • Kann das Einsaugen von Zündquellen nicht sicher ausgeschlossen werden, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen (z. B. ein Funkenvorabscheider) erforderlich.

  • Hinweis in der Betriebsanleitung: "Nach jeder Schicht ist der Filter abzureinigen und der Staubsammelbehälter zu entleeren."

Weitere Informationen siehe DGUV Information 209-084 "Industriestaubsauger und Entstauber".

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Abb. 6
Mobile Absauganlage

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Abb. 7
Funkenvorabscheider

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Abb. 8
Karosserie aus Aluminium und funkenreißenden Werkstoffen