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Neuthinger, Arbeitssicherheitsjournal 2011, 21
Der Mensch im Mittelpunkt

Eva-Maria Neuthinger

Neuthinger: Der Mensch im Mittelpunkt - Arbeitssicherheitsjournal 2011 Heft 1 - 21

Innovativer Arbeitschutz: Im neuen Logistik-Konzept des Drogeriefilialisten dm stehen die Sicherheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter an oberster Stelle.

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Sein neues Verteilzentrum im rheinischen Weilerswist hat sich der Drogeriefilialist dm 140 Mio. € kosten lassen. „Es handelt sich um die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens“, erklärt Christian Bodi, Geschäftsführer dm und verantwortlich für das Ressort Logistik (siehe Interview). Nach dreijähriger Bauphase wurde es im September eröffnet. Ein gigantisches Projekt: In Weilerswist arbeiten derzeit 1.000 Mitarbeiter aus 45 Nationen. Sie alle engagieren sich dafür, dass die Ware innerhalb von 72 Stunden nach der Bestellung in den Filialen ankommt. Die gesamte Fläche des Verteilzentrums beträgt 146.000 Quadratmeter. Allein das Lager ist 65.000 Quadratmeter groß. Das Gebäude hat 18 Tore für die An- und weitere 18 für die Auslieferung der Ware. Jeden Tag kommissionieren die Mitarbeiter rund 2.500 Paletten mit Ware für ihre Kollegen in den dm-Märkten.

„So wie die Filialmitarbeiter kundenorientiert handeln, so agieren deren Kollegen in der Logistik für ihre Kunden, die Filialteams“, erklärt Logistik-Chef Bodi. Vorausschauend und serviceorientiert zum Beispiel werden Transporter bepackt. Die Kollegen in den dm-Märkten finden die leichteren Kisten oben vor und die schwereren im unteren Bereich der Lastwagen. „Die Mitarbeiter im Verteilzentrum schaffen regelmäßig die optimale Grundlage für das beste Packschema, für eine gleichmäßige Lastenverteilung und für ein layoutgerechtes Abpacken in den Filialen“, erklärt Bodi.

Arbeitsschutz mit innovativer Technik

Das ist nur ein Beispiel. Arbeitssicherheit und Arbeitsschutzes werden im neuen Logistikzentrum groß geschrieben. Ein Ziel war es schon in der Planungsphase, den Mitarbeitern ihre Arbeit zu erleichtern und zu ihrem Wohlbefinden beizutragen – teilweise unterstützt durch innovative Technik. Hier die wichtigsten Mittel, mit denen die Verantwortlichen ihr Ziel erreichen wollen:

Die Farbgebung

Von der Tristesse einer Lagerhalle keine Spur: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett sind die Grundfarben im Verteilzentrum Weilerswist. Einbezogen sind alle Elemente der Logistikhallen-Wände, Tore, Stützen, die gesamte Technik, vom Sprinkler über das kleinste Detail der Fördertechnik. Die Farben signalisieren, dass alle Einzelprozesse und alle Arbeitsschritte im Verteilzentrum ineinander greifen. „Man kommt hier an und fühlt sich direkt wohl“, erklärt Kommissionierer Dirk Müller.

Die Gestaltung des Lagers oblag der Kölner Künstlerin Mariott Stollsteiner. Es ging bei der Konzeption um Vielfalt statt Monotonie, um die immer wieder neu zu weckende Aufmerksamkeit in der Routine und um die Lebensqualität der Mitarbeiter in einem hoch automatisierten Arbeitsprozess.

Kommissionierung per Roboter

Das Herzstück des neuen Verteilzentrums ist die Kommissionierung der Waren. Speziell für dm entwickelte das Schweizer Unternehmen Swisslog dazu verschiedene Innovationen, die den Mitarbeitern ihre Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes erleichtern: So werden zur Kommissionierung 200 computergesteuerte Elektrohängebahnen eingesetzt, die auf einem geschlossenen Schienensystem über drei Ebenen an 5.000 Kommissionierplätzen vorbeifahren.

Ein Knickarm-Roboter mit einem speziell für dm entwickelten Greifer bestückt jede Bahn mit einer leeren Europalette, bevor sie – vom Materialfluss-Rechner initiiert – automatisch an die erste Pickposition steuert. Per LED-Spot erkennen die Mitarbeiter, welche Ware auf die Bahn gelegt werden muss. Und ein Blick auf den Bildschirm zeigt ihnen an, wie viel Ware sie aufzulegen haben. Via vier Gewichtssensoren, die pro Sekunde zehn Wiegungen durchführen, ertönt bei Fehlern in der Mengenbestückung ein Pfeifton. Erst wenn diese behoben sind, fährt der Roboter weiter. Sicherheit: Die Elektrohängebahnen sind mit Laserscannern ausgestattet, die vor jedem „Hindernis“ automatisch stoppen und Kollisionen mit Mitarbeitern verhindern.

Gleichmäßige Auslastung

Um die Arbeitsbedingungen der Kommissionierer zu verbessern, wird auf eine kontinuierliche Auslastung geachtet. Darin sieht das Unternehmen mehrere Vorteile: Mit der Auslastungsglättung sind die neuen Techniken über einen längeren Zeitraum einsetzbar. Und: „Die langfristige Nutzung insbesondere des Wissens der Mitarbeiter in diesen Technologien rückt außerdem einen weiteren Aspekt in den Fokus. Es wird zunehmend interessanter, intelligente Systeme einzusetzen, die den Mitarbeitern schmutzige Arbeiten abnehmen“, erklärt Bodi.

Roboter-Entsorgung

Früher oblag es den Mitarbeitern, tausende Paletten eigenhändig zu bewegen. Inzwischen übernehmen diesen Job Roboter. Eine enorme Entlastung: Täglich müssen 2.500 bis 3.000 leere Paletten mit einem Gewicht von je 15 bis 20 kg im Verteilzentrum auf der Elektrohängebahn platziert werden. Die Kommissionierer müssen auch keine leeren Kartons mehr durch das Verteilzentrum tragen. Sie werfen sie einfach unterhalb der Regalflächen auf ein Förderband, das sie automatisch weiterleitet.

Automatisierte Kartonöffnung

Bisher öffneten Mitarbeiter in der Kommissionierung Kartonagen in Handarbeit – mit dem Risiko, sich zu verletzen. Inzwischen werden die Kartons weitgehend voll- oder halbautomatisch geöffnet. Die notwendige Maschine wurde speziell für dm entwickelt. Zudem sind eigens entwickelte Messer in Einsatz, die das Verletzungspotenzial der Mitarbeiter bei Schneidetätigkeiten senken.

Ergonomie und Lärmschutz

Anpassbare Arbeitstischhöhen schaffen für die Mitarbeiter ein individuell einrichtbares Arbeitsumfeld. Um die Lärmbelastung zu reduzieren, werden laute Maschinen soweit möglich mit speziellen Lärmschutz-Wänden umbaut.

Teamplayer

In der Kommissionierung gibt es keine festen Arbeitsplätze. Mitarbeitern erspart dies, täglich mehrere Kilometer Wegstrecke abzulaufen. Das erledigen die elektrischen Hängebahnen. Eine Palette wird stets von mehreren Mitarbeitern nacheinander gepackt. Dabei erfasst das System nicht, wer den Karton auf die Elektrohängebahn gelegt hat und auch nicht, ab welcher Position die Hängebahn durch die Kollegen übernommen wird. Die Prozesse und Abläufe sind bewusst so konzipiert, dass die Leistung nur als Gruppe erbracht werden kann. Jedes Mitglied ist in der Lage, jegliche anfallenden Arbeiten auszuführen. Ideen erarbeitet jede Gruppe für sich, informiert aber gegebenenfalls Kollegen anderer Teams. Auf Magnetwänden und Bildschirmen visualisieren die Mitarbeiter den Stand ihrer Arbeit.

Vereinbarungen statt Anweisungen

Die Führungsspitze setzt auf flache Hierarchien und auf eigenständiges Arbeiten. Die Mitarbeiter werden nicht durch Anweisungen geführt, sondern durch Vereinbarungen und Empfehlungen.

Info

dm in Zahlen

5,65 Mrd. € erwirtschaftete dm-drogerie markt im Geschäftsjahr 2009/2010 in 2.403 Filialen in Deutschland und zehn weiteren europäischen Ländern. In Deutschland beschäftigt dm 23.000 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2010/2011 sollen rund 100 neue dm-Märkte in Deutschland entstehen. dm plant Investitionen in Höhe von 68 Mio. €. Zu den Meilensteinen in der Unternehmensgeschichte gehört das neue „Kombi-Verteilzentrum“ im nordrhein-westfälischen Weilerswist, eines der modernsten Logistikzentren Europas.

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