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Schaake, Arbeitssicherheitsjournal 2011, 4
Ressourcen stärken für mehr Arbeitsschutz in Kleinbetrieben

Monika Schaake

Schaake: Ressourcen stärken für mehr Arbeitsschutz in Kleinbetrieben - Arbeitssicherheitsjournal 2011 Heft 1 - 4

Was erhält kleine Betriebe produktiv und sicher? Dieser Frage widmete sich ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt. Vier Jahre lang erforschten Psychologen, Soziologen und Ingenieure gemeinsam Möglichkeiten und Hürden eines erweiterten Arbeits- und Gesundheitsschutzes in kleinen Unternehmen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

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Cartoon: Götz Wiedenroth

„Als wir zu Beginn der Studie mit dem Thema Arbeitssicherheit auf Kleinunternehmen zugingen, überwog hier die Skepsis –ganz entgegen unseren Erfahrungen in Großunternehmen“, so Jörg E. Wilde vom Beratungsunternehmen CBM GmbH (Gesellschaft für Consulting, Business und Management mbH) mit Sitz in Bexbach und Aachen. Der Leiter des Projekts PARSAG (kurz für partizipatives, systemisches Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement) erinnert sich an Gesprächspartner aus kleinen Betrieben, für die das Thema Arbeitssicherheit nur aus Regeln und Vorschriften besteht und die sich vom Gesetzgeber bevormundet fühlen. Ziel des Forschungsvorhabens PARSAG, das Ende Oktober 2010 auslief, war es deshalb, die Bedeutung und die Vorteile eines erweiterten Arbeits- und Gesundheitsschutzes den Verantwortlichen und Mitarbeitern in Kleinunternehmen praxisnah zu vermitteln.

Den gemeinsamen Ansatz fanden die Projektmitarbeiter von PARSAG – Psychologen, Soziologen und Ingenieure – in dem Begriff Ressource, also den materiellen und immateriellen „Rohstoffen“, die Handlungen (im Unternehmen) ermöglichen. Während der Ingenieur oder Controller dabei eher an Maschinenkapazitäten oder Finanzmittel denkt, stellen Ressourcen in der Psychologie Fähigkeiten oder Persönlichkeitseigenschaften als Gegenpol zu Belastungen dar.

Im Einzelnen unterschieden die Projektwissenschaftler zwischen:

  1. technischen Ressourcen, also sicheren Arbeitsmitteln und Umgebungsbedingungen

  2. strukturellen Ressourcen der Organisation, also klaren Zuständigkeiten, geregeltem Informationsfluss etc.

  3. humanen Ressourcen, wie partizipativem Führungsstil und Fachkenntnissen in der Aus- und Weiterbildung

Die Umsetzung in der Praxis

Der PARSAG Ressourcenansatz wurde mit Unterstützung von insgesamt 12 kleinen Unternehmen (fünf bis 40 Mitarbeiter) unterschiedlicher Branchen (Dienstleistung, Handwerk, Gastronomie, Handel) entwickelt und erprobt. Mit dabei: ein metallverarbeitender Betrieb, eine Kindertagesstätte, eine Apotheke und ein Farbengroßhandel.

Die Durchführung gliederte sich in zwei Phasen

Zu Beginn des Projekts wurden die beteiligten Unternehmen mit Informationsveranstaltungen (Sommerakademie, Stammtisch) an das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement herangeführt. Es entstand ein Netzwerk mit regem Wissensaustausch. Anschließend erfolgte die Analyse des Ressourcenstatus. Dazu gingen die Wissenschaftler in die Betriebe, unternahmen Begehungen und führten Interviews mit Verantwortlichen und Mitarbeitern.

Außerdem wurde eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. „Schon hier stellte sich heraus, dass die Probleme trotz der unterschiedlichen Branchen sehr ähnlich gelagert waren“, so Projektleiter Wilde. „Was beispielsweise die Schwächen bei der Kommunikation in inhabergeführten Unternehmen anging, gab es durchaus Parallelen zwischen beispielsweise Pharmaunternehmen, Kita und Restaurationsbetrieb.“

Beim Thema Arbeitssicherheit herrschte in den Kleinunternehmen Verunsicherung. Das zeigte sich laut Wilde sowohl in psychologischer Hinsicht als auch z.B. in unzureichenden Betriebsanweisungen und Dokumentationen. Auf der anderen Seite waren die meisten Unternehmen – ohne es zu wissen – stark im Arbeitsschutz und in der Prävention engagiert. Ein Farbengroßhändler etwa verfügte über eine sehr gute Klimaanlage, um die Mitarbeiter vor Lösungsmitteldämpfen zu bewahren. Zudem waren die Arbeitsplätze mit ergonomischen Sitzen ausgestattet.

Auf der Basis dieser Daten stellte man den Ressourcenstatus fest und identifizierte stark und schwächer ausgeprägte Merkmale, bei denen eine Stärkung notwendig ist. Entsprechend der Ergebnisse führten die Experten Maßnahmen in den Unternehmen durch. Neben individuellen Lösungsvorschlägen zählten dazu:

Ressourcenkarten

Zwei Sätze von Karten im Taschenformat für Mitarbeiter und für Führungskräfte enthalten Leitsätze, die den Arbeitsalltag der Beschäftigten begleiten und ihn unterstützen. Die Karten enthalten leicht anzuwendende Hinweise, die der Motivation dienen sollen. „Kalendersprüche“ zwar, wie Wilde einräumt, aber solche mit ernstem Hintergrund wie etwa „Wir haben nur ein Leben“.

Deutlich wird das auch bei dem Spruch „Weniger ist mehr“ für Führungskräfte, die ihre Untergebenen oft mit Informationen und Arbeitsanweisungen überhäufen. Ebenfall für eine Führungskräfte-Karte geeignet ist der Spruch „Loben von oben“, der Chefs daran erinnern soll, dass sie ihre Mitarbeiter öfter mal durch ein Lob motivierten sollten.

Mitarbeiterworkshop

Hier werden die arbeitenden Personen jeweils aus zwei Blickwinkeln betrachtet – dem technischen und dem psychologischen. Unter dem Motto „Leichtgewicht und Gleichgewicht“ geht es um das richtige Heben und Tragen von Lasten, auch im übertragenen, sprich seelischen Sinne. Der zweite Block – „Der perfekte Auftritt“ – behandelt die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Gleichzeitig wird aber auch das Körpergefühl gegen Sturz- und Stolperunfälle geschult. Das „Spiel mit dem Feuer“ behandelt echte Gefahrensituationen (Brände), aber auch den Umgang miteinander, bei dem Konfliktlösungsstrategien im Mittelpunkt stehen.

Führungskräfteworkshop

In drei Schritten vermitteln die Dozenten hier den Führungskräften, wie diese das Arbeitssystem gestalten können, um sowohl der technischen als auch der psychischen Seite gerecht zu werden. „Hier hat es sich als großer Vorteil erwiesen, dass die Teilnehmer aus verschiedenen Branchen kamen und nicht miteinander in Konkurrenz standen“, so Projektleiter Jörg E. Wilde. „Dadurch kam ein intensiver Austausch zustande.“

Zum Einstieg widmet sich der Workshop der Analyse der Strukturen im Unternehmen mit dem Ziel,„Gute Arbeit an einem guten Arbeitsplatz“ zu schaffen. Dabei müssen Unternehmensziele definiert werden, die an den Menschen orientiert sind. Der zweite Teil steht unter dem Motto „Ökonomie im Gleichgewicht“ und beschreibt einerseits den Weg der Führungskräfte hin zu einem verantwortlichen (Selbst-)Management, das an den eigenen und den Ressourcen der Organisation orientiert ist. Andererseits wird das Thema Wirtschaftlichkeit aufgegriffen, da Kleinunternehmen meistens keine komplizierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz durchführen, sondern häufig intuitiv in einer Verbindung des Kopf- und Bauchgefühls entscheiden. Abschließend geht es um das menschliche Miteinander und hier insbesondere um den Umgang mit Konflikten.

Fazit: Von starken Ressourcen profitiert das Ganze

Viele kleine Unternehmen brauchen nach der Studie Unterstützung bei den strukturellen Ressourcen. Das soziale Gefüge ist in den untersuchten Unternehmen gut ausgebaut und wird genutzt, um strukturelle Mängel teilweise auszugleichen. Technische Ressourcen sind durchaus vorhanden. Ihre Stärkung wirkt sich positiv auf die strukturellen und auf die humanen Ressourcen aus.

Insgesamt wird deutlich, dass nur die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens unter Einbeziehung der Menschen und Ressourcen zu einem sicheren, produktiven und damit erfolgreichen Unternehmen führt. Die Ergebnisse der Studie will das Beratungsunternehmen CBM jetzt nutzen, um zusammen mit Kooperationspartnern wie etwa den Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern spezielle Workshops für kleinere Unternehmen durchzuführen, um so den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kleinunternehmen in Deutschland zu stärken.

www.cbm-ac.de, www.parsag.de

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