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Engst, Arbeitssicherheitsjournal 2010, 20
So urteilen die Gerichte

Judith Engst

Engst: So urteilen die Gerichte - Arbeitssicherheitsjournal 2010 Heft 5 - 20

Heimfahrt von der Arbeit: Längere Unterbrechung kostet den Versicherungsschutz

Dienstfahrten sind gesetzlich unfallversichert. Aber gilt das auch, wenn ein Arbeitnehmer die Fahrt für mehr als zwei Stunden unterbricht? Das Bundessozialgericht hat sich zu einem solchen Fall geäußert.

Der Fall: Ein Mann aus Fulda war im Dezember 1993 als Zeuge zu einem Gerichtsprozess beim Oberlandesgericht Dresden geladen. Von 14:00 bis 16:00 Uhr war er dort anwesend. Anschließend besuchte er noch den Dresdner Weihnachtsmarkt, bevor er seine Heimfahrt antrat. Ausgerechnet auf dieser Heimfahrt fiel eine Hartfaserplatte von einem Fahrzeug vor ihm auf seinen Wagen. Sein Wagen kam von der Straße ab und überschlug sich. Dabei zog sich der Betroffene schwere Verletzungen zu. Der Versuch, diesen Unfall bei der Berufsgenossenschaft als Wegeunfall geltend zu machen, scheiterte allerdings. Sie vertrat die Ansicht, nach einer so langen Unterbrechung bestehe kein gesetzlicher Versicherungsschutz mehr. Damit wollte sich der Mann nicht abfinden und ließ den Fall gerichtlich klären.

Die Entscheidung: Die Richter des Bundessozialgerichts gaben allerdings der Berufsgenossenschaft recht. Damit bekräftigten sie ihre langjährige Rechtsprechung, wonach eine Unterbrechung des Heimweges für mehr als zwei Stunden den Versicherungsschutz beendet (22.09.2010, Az.: B 2 U 23/08 R).

Was das in der Praxis bedeutet: Für Dienstfahrten sowie für die Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück nach Hause gilt das Gleiche wie für diese Fahrt eines geladenen Zeugen zum Gerichtsort: Besteht kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Fahrt und der eigentlichen versicherten Tätigkeit, dann besteht auch kein gesetzlicher Versicherungsschutz. Eine Unterbrechung von mehr als zwei Stunden löst diesen sachlichen Zusammenhang auf. Der Versicherungsschutz wird folglich durch eine lange Pause nicht nur unterbrochen, sondern vielmehr vollständig beendet. Die Arbeit mit dem Vergnügen zu verbinden, kann also gravierende Folgen in Bezug auf den Versicherungsschutz haben.

Allzu ausgiebige Raucherpausen berechtigen nicht zur Kündigung

Wer Raucher im Betrieb hat, kann davon ein Lied singen: Die betreffenden Mitarbeiter pausieren nicht selten öfter und länger als ihre nichtrauchenden Kollegen. Kann das ein Grund zur Kündigung sein? Zu dieser Frage nahm das Arbeitsgericht Rheinland-Pfalz Stellung.

Der Fall: Zwischen einem 54-jährigen Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber bestand die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer jederzeit kurze Raucherpausen einlegen durfte. Dazu musste er nicht das Zeiterfassungsgerät bedienen. Stattdessen wurden pauschal einige Minuten pro Tag als Pause von seiner Arbeitszeit abgezogen. Der Arbeitnehmer jedoch nutzte diese Pauschalregelung weidlich aus. Mehrmals am Tag genehmigte er sich ausgiebige Raucherpausen, die sich teilweise auf bis zu drei Stunden summierten. Sein Arbeitgeber mahnte ihn deswegen zweimal ab. Danach kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich mit der Begründung, das sei Arbeitszeitenbetrug. Der Betroffene wehrte sich gerichtlich gegen diese Kündigung.

Die Entscheidung: Vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz bekam er Recht (21.01.2010, Az.: 10 Sa 562/09). Es liege kein Arbeitszeitenbetrug und damit auch kein Grund für eine außerordentliche (fristlose) Kündigung vor. Auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung (zum Ende der Kündigungsfrist) entspreche hier nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich gebe es alternativ noch die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zu verpflichten, zu Beginn und Ende seiner Raucherpausen das Zeiterfassungsgerät zu bedienen und die Pausen dann in ihrem wirklichen Umfang von seiner bezahlten Arbeitszeit abzuziehen.

Was das in der Praxis bedeutet: Pauschalvereinbarungen in Bezug auf Raucherpausen sollte möglichst kein Arbeitgeber treffen.

Denn die Versuchung ist für die Arbeitnehmer nicht selten zu groß, die Pausen immer mehr auszudehnen. Besser ist eine korrekte Zeiterfassung, also ein Ausstempeln zu Beginn der Pause und ein Einstempeln zu ihrem Ende. Erfasst ein Arbeitnehmer diese Zeiten nicht korrekt, ist das tatsächlich Arbeitszeitenbetrug und damit ein Grund zur Kündigung. In schweren Fällen berechtigt es sogar zu einer außerordentlichen und damit fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. Hier sollte der Arbeitgeber aber Datum und Uhrzeiten eines solchen Verstoßes zeitnah dokumentieren, um den Verstoß notfalls auch vor Gericht beweisen zu können.

Mutterschutzlohn: Kein Anspruch, wenn Arzt nur die Fahrt zur Arbeit untersagt

Wenn eine schwangere Mitarbeiterin ihren Beruf nicht ausüben kann, muss der Arbeitgeber den so genannten Mutterschutzlohn zahlen. Was aber gilt, wenn die Schwangere zwar arbeiten kann, der Arzt ihr aber die Fahrt zur Arbeit untersagt? Mit dieser Frage hat sich das Hessische Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt.

Der Fall: Eine Flugbegleiterin war schwanger. Ihr Arbeitgeber wies ihr deshalb statt der Flugbegleitung eine Tätigkeit am Boden zu. Diese hätte sie während der Schwangerschaft problemlos ausüben können. Allerdings untersagten ihr die Ärzte die einstündige Anreise zum Flughafen im Berufsverkehr. Daraufhin verlangte die Schwangere von ihrem Arbeitgeber die Zahlung von Mutterschutzlohn. Als er sich weigerte, zog sie vor Gericht. Das sei ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), argumentierte sie.

Die Entscheidung: Ihre Klage scheiterte – zuerst vor dem Arbeitsgericht Frankfurt, dann auch vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (14.04.2008, Az.: 17 Sa 1855/07). Die Richter urteilten: Eine Mitarbeiterin habe keinen Anspruch auf Mutterschutzlohn, wenn sie ihre Berufstätigkeit trotz Schwangerschaft problemlos erfüllen könne. Habe der Arzt ihr lediglich die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz verboten und nicht die Berufsausübung selbst, entfalle der Anspruch auf Mutterschutzlohn. Das Wegerisiko müsse allein die Mitarbeiterin tragen und nicht ihr Arbeitgeber. Die Entscheidung, keinen Mutterschutzlohn zu zahlen, verstoße folglich nicht gegen das AGG.

Was das in der Praxis bedeutet: Die oben zitierte Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zwar hat eine Schwangere außerhalb der gesetzlichen Schutzfristen grundsätzlich Anspruch auf Mutterschutzlohn. Das ist immer dann vorgesehen, wenn ihr Leben und ihre Gesundheit beziehungsweise Leben und Gesundheit ihres Kindes durch eine Weiterarbeit gefährdet wären und sie daher einem Beschäftigungsverbot unterliegt. Das Wegerisiko muss der Arbeitgeber allerdings nicht tragen. Ist nur die Fahrt zur und von der Arbeit zu gefährlich für die Schwangere und ihr Kind, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Mutterschutzlohn zu zahlen.

Arbeitgeber sollten außerdem wissen: Resultiert ein Beschäftigungsverbot nicht allein aus der Schwangerschaft, sondern aus einer Krankheit der Schwangeren, dann müssen sie ebenfalls keinen Mutterschutzlohn zahlen. In diesem Fall greift die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Als Krankheit wird ein regelwidriger Gesundheitszustand definiert (erhebliche Schwangerschaftsbeschwerden können dazugehören). Das heißt, der Arbeitgeber ist in diesem Fall zwar verpflichtet, den Lohn der schwangeren Mitarbeiterin sechs Wochen lang fortzuzahlen. Anschließend übernimmt aber die Krankenkasse die Lohnfortzahlung. Den Mutterschutzlohn zahlt ein Arbeitgeber dagegen unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsverbots allein. Er beläuft sich auf mindestens den Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft. (§ 11 Abs. 1 Mutterschutzgesetz).

metis
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