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Lentz, Arbeitssicherheitsjournal 2010, 19
ArbMedVV: Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

Andrea Lentz

 Lentz: ArbMedVV: Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen - Arbeitssicherheitsjournal 2010 Heft 5 - 19>>
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Vorsorgen ist besser als Heilen – das gilt auch für arbeitsbedingte Erkrankungen. Die ArbMedVV (Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge) regelt seit Ende 2008 Vorsorgeuntersuchungen durch Arbeits- und Betriebsmediziner in Unternehmen.

Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, auf der Grundlage von Gefährdungsbeurteilungen für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge aller Beschäftigten in seinem Unternehmen zu sorgen. Dabei muss er die Vorschriften der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge –kurz: ArbMedVV – sowie die Regeln des Ausschusses für Arbeitsmedizin beachten. Dieser Ausschuss des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales setzt sich zusammen aus Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länderbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und der arbeitsmedizinischen Wissenschaft.

Ziel der ArbMedVV ist das frühzeitige Erkennen sowie das Verhüten von arbeitsbedingten Erkrankungen, wozu auch die Berufskrankheiten zählen. Darüber hinaus soll die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhalten bleiben. Auch soll diese Verordnung der Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes dienen.

Mit der ArbMedVV hat der Gesetzgeber die Rechtsgrundlagen für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen 2008 zusammengefasst. Damit wurde sowohl eine bessere Transparenz als auch eine Vereinfachung hinsichtlich der rechtlichen Anwendung geschaffen. Zuvor regelten verschiedene Rechtsvorschriften und berufsgenossenschaftliche Bestimmungen die Vorsorgeverpflichtung des Arbeitgebers. Dazu zählten u.a. die Verordnungen

  1. über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten,

  2. über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen,

  3. zum Schutz vor Gefahrstoffen,

  4. zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen,

  5. über Arbeiten in Druckluft und die

  6. Unfallverhütungsvorschrift „Arbeitsmedizinische Vorsorge“.

Ausgenommen von der Anwendung der ArbMedVV sind die Strahlenschutzuntersuchungen und die erforderlichen Untersuchungen bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten sowie bei Arbeiten unter Absturzgefahr. Hier gelten weiterhin die diesbezüglichen Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung sowie die Vorgaben nach (Berufsgenossenschaftlichem Grundsatz) G 25 – Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten und (Berufsgenossenschaftlichem Grundsatz) G 41 – Arbeiten mit Absturzgefahr.

Achtung: Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen der ArbMedVV verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Sofern bei einer solchen vorsätzlichen Handlung Leben oder Gesundheit von Beschäftigten gefährdet wurden, ist eine Straftat gegeben, die mit einer Geldstrafe oder auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann.

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Pflichtuntersuchungen (§ 4 ArbMedVV) und Angebotsuntersuchungen (§ 5 ArbMedVV). Darüber hinaus gibt es auch noch sogenannte Wunschuntersuchungen (§ 2 Abs. 2 ArbMedVV), die in § 11 Arbeitsschutzgesetz geregelt sind und die einem Beschäftigten dann zu ermöglichen sind, wenn er Gefahren für seine Sicherheit und Gesundheit bei seiner Arbeit vermutet.

Pflichtuntersuchungen nach § 4 ArbMedVV

Pflichtuntersuchungen sind bei bestimmten für den Arbeitnehmer besonders gefährdenden Tätigkeiten vom Arbeitgeber zu veranlassen. Sie müssen als Erstuntersuchung und als Nachuntersuchungen in regelmäßigen Abständen veranlasst werden. Der Arbeitgeber darf eine solche besonders gefährdende Tätigkeit nur ausüben lassen, wenn die geforderten Pflichtuntersuchungen zuvor durchgeführt wurden. Die Bescheinigung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit ist Voraussetzung für eine solche Tätigkeit, sofern der Anhang des ArbMedVV dies für einzelne Tätigkeiten besonders vorschreibt.

Über die Pflichtuntersuchungen der Beschäftigten hat der Arbeitgeber eine Vorsorgekartei mit Angaben über Anlass, Tag und Ergebnis jeder Untersuchung zu führen. Diese Kartei kann automatisiert geführt werden. Die Angaben sind bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufzubewahren. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind die Angaben über die Pflichtuntersuchungen zu löschen, es sei denn, dass Rechtsvorschriften oder zukünftig vom Ausschuss für Arbeitsmedizin bekannt gegebene Regeln etwas anderes bestimmen. Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde (zumeist Gewerbeaufsichtsamt) auf deren Anordnung eine Kopie der Vorsorgekartei zu übermitteln. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem vormals Beschäftigten eine Kopie der ihn betreffenden Angaben auszuhändigen.

Hier sind Pflichtuntersuchungen vorgeschrieben

Vorgeschrieben sind Pflichtuntersuchungen z.B. bei Tätigkeiten mit den Gefahrstoffen alveolengängigem Staub (A-Staub), Arsen, Asbest, Benzol, Blei, Cadmium, einatembarem Staub (E-Staub), Fluor, Kohlenmonoxid, Mehlstaub, Methanol, Nickel, polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, Quecksilber, Schwefelwasserstoff oder Tetrachlorethen, sofern der Arbeitsplatzgrenzwert nach der Gefahrstoffverordnung nicht eingehalten wird. Zudem gilt die Pflicht zu Vorsorgeuntersuchungen, wenn die genannten Gefahrstoffe hautresorptiv sind, also eine Gesundheitsgefährdung durch direkten Hautkontakt besteht.

Pflichtuntersuchungen sind zudem vorgeschrieben

  1. bei Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können,

  2. bei Tätigkeiten mit extremer Kältebelastung (– 25° Celsius und kälter) sowie

  3. bei Tätigkeiten unter Wasser, bei denen der Beschäftigte über ein Tauchgerät mit Atemgas versorgt wird (Taucherarbeiten).

Auch bei dienstlich veranlassten Reisen oder Tätigkeiten in Tropen, Subtropen und sonstige Auslandsaufenthalte mit besonderen klimatischen Belastungen und Infektionsgefährdungen sind Pflichtuntersuchungen vorgeschrieben.

Untersuchungsangebote durch den Arbeitgeber

Angebotsuntersuchungen sind vom Arbeitgeber den Beschäftigten bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten anzubieten. Angebotsuntersuchungen müssen als Erstuntersuchung und anschließend als Nachuntersuchungen in regelmäßigen Abständen angeboten werden. Sofern ein Beschäftigter ein solches Angebot zunächst ausschlägt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein solches Untersuchungsangebot auch weiterhin regelmäßig anzubieten.

Sofern ein Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung erhält, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Beschäftigten stehen kann, muss er dem Beschäftigten unverzüglich eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung anbieten. Sofern weitere Arbeitnehmer vergleichbare Tätigkeiten ausführen, muss diesen auch ein Angebot zur Untersuchung gemacht werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ebenfalls gefährdet sein könnten.

Der Arbeitgeber muss sowohl den jetzigen Beschäftigten als auch den ehemals Beschäftigten nach Maßgabe des Anhangs der Verord-

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nung nachgehende Untersuchungen anbieten. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kann der Arbeitgeber diese Verpflichtung jedoch mit Einwilligung der betroffenen Person auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger übertragen. Voraussetzung dafür ist, dass er dem Unfallversicherungsträger die erforderlichen Unterlagen in Kopie überlässt.

Angebotsuntersuchungen sind – unter bestimmten im Anhang zur ArbMedVV vorgegebenen Voraussetzungen – beispielsweise erforderlich

  1. bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zur Schädlingsbekämpfung nach Anhang III Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung oder zu Begasungen nach Anhang III Nr. 5 der Gefahrstoffverordnung,

  2. bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen oder Zubereitungen der Kategorie 1 oder 2 im Sinne der Gefahrstoffverordnung,

  3. bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag,

  4. beim Schweißen und Trennen von Metallen bei Einhaltung einer Luftkonzentration von 3 Milligramm pro Kubikmeter Schweißrauch oder

  5. bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Getreide- und Futtermittelstäuben bei Überschreitung einer Luftkonzentration von 1 Milligramm je Kubikmeter einatembarem Staub.

Vorsorgeuntersuchungen durch einen kompetenten Arbeitsmediziner

Der Arzt, der die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung durchführt, muss sich die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse verschaffen. Außerdem ist er verpflichtet, die zu untersuchende Person über die Untersuchungsinhalte und den Untersuchungszweck aufklären. Den Untersuchungsbefund und das Untersuchungsergebnis der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung hält er schriftlich fest und berät die untersuchte Person hinsichtlich des Untersuchungsergebnisses. Über die Untersuchung stellt er eine Bescheinigung aus, die Angaben über den Untersuchungsanlass und den Tag der Untersuchung sowie die ärztliche Beurteilung, ob und inwieweit bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit gesundheitliche Bedenken bestehen, enthält.

Der Arbeitgeber erhält nur bei einer Pflichtuntersuchung eine Kopie der Bescheinigung. Sofern die Auswertung der Erkenntnisse des Arztes Anhaltspunkte für unzureichende Schutzmaßnahmen ergibt, so muss der Arzt dies dem Arbeitgeber miteilen und Schutzmaßnahmen vorschlagen.

Der untersuchende Arzt muss berechtigt sein, die Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ zu führen. Er selbst darf keine Arbeitgeberfunktion gegenüber den zu untersuchenden Beschäftigten ausüben. Verfügt der Arzt für bestimmte Untersuchungen nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse, speziellen Anerkennungen oder Ausrüstungen, so muss er einen geeigneten Kollegen hinzuziehen. In begründeten Ausnahmefällen kann die zuständige Behörde Ausnahmen von dieser Anforderung zulassen.

Info

ArbMedVV: Das muss der Arbeitgeber leisten

Pflichtuntersuchung im Anhang aufgelistete, besonders gefährliche Tätigkeit:

Arbeitgeber muss die Untersuchung veranlassen

Angebotsuntersuchung im Anhang aufgelistete gefährliche Tätigkeit:

Arbeitgeber muss die Untersuchung anbieten

Wunschuntersuchung

Wunsch des Beschäftigten, der eine nicht im Anhang aufgelistete, aber gesundheitsschädliche Tätigkeit ausführt:

Arbeitgeber muss die Untersuchung ermöglichen

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