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Lentz, Arbeitssicherheitsjournal 2010, 19
Arbeitsstättenverordnung: Viel Spielraum in der Praxis

Andrea Lentz

 Lentz: Arbeitsstättenverordnung: Viel Spielraum in der Praxis - Arbeitssicherheitsjournal 2010 Heft 4 - 19>>

Ob Notausgänge, Sanitärräume oder Nichtraucherschutz – die Arbeitsstättenverordnung verpflichtet Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, Arbeitsplätze sicher und gesund zu gestalten. Wie sich der Gesetzgeber die Umsetzung der knapp gehaltenen Verordnung vorstellt, erfahren Sie hier.

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Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) enthält Regelungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten von Arbeitsstätten dienen. Die neue Verordnung von 2004 besteht – im Gegensatz zur früheren Fassung – aus nur acht Paragrafen. Hintergrund war der Wunsch nach Entbürokratisierung, um vor allem kleinere und mittlere Unternehmen zu unterstützen und so die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Jedoch hat die Verordnung einen umfangreichen Anhang, der viele Einzelregelungen enthält, die zu einem großen Teil den Regelungen der früheren Verordnung entsprechen.

Das regelt die ArbStättV

Die ArbStättV legt grundsätzliche Pflichten der Arbeitgeber im Hinblick auf den Gesundheitsschutz und die Sicherheit von Arbeitsplätzen fest. Sie regelt allerdings nur Rahmenbedingungen, die im Anhang des Gesetzes konkretisiert werden. Die ArbStättV gilt (mit Ausnahme des Nichtraucherschutzes) nicht für Arbeitsstätten in Betrieben nach dem Bundesberggesetz, im Reisegewerbe und im Marktverkehr, in Transportmitteln im öffentlichen Verkehr sowie für land- und forstwirtschaftliche Flächen (also Wälder und Felder) außerhalb der bebauten Betriebsflächen. Die §§ 2 bis 4 sowie 6 ArbStättV enthalten die Erläuterungen der Begriffe, die für die Umsetzung der ArbStättV und für das Verständnis der Regelungen im Anhang erforderlich sind. § 5 ArbStättV regelt den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz.

Anhänge geben Hinweise auf die Umsetzung im Betrieb

Der Anhang gliedert sich in fünf Teile, die sich u.a. mit allgemeinen Anforderungen (Konstruktion und Festigkeit von Gebäuden, Kennzeichnungen, Gestaltung von Räumen, Wege, Steigen und Treppen), Maßnahmen zum Schutz vor besonderen Gefahren (Fluchtwege, Notausgänge), Arbeitsbedingungen (Fläche, Lüftung, Arbeitsplatz an sich), Sanitärräumen, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Erste-Hilfe-Räumen, Unterkünften sowie ergänzende Anforderungen an besondere Arbeitsstätten – wie beispielsweise Baustellen – befassen.

Die ArbStättV und der Anhang enthalten nur allgemeine Schutzziele und keine konkreten Messzahlen oder Detailanforderungen. Nirgendwo im Gesetz ist beispielsweise geregelt, welche Maße ein Schreibtisch in einem Büro haben muss oder wie groß ein Büro oder ein Arbeitsraum genau zu sein hat. Nach § 6 ArbStättV hat ein Arbeitgeber lediglich einen Arbeitsraum bereitzustellen, „der eine ausreichende Grundfläche und Höhe sowie einen ausreichenden Luftraum“ aufzuweisen hat.

Etwas konkreter wird die ArbStättV in § 3 Abs. 3 ArbStättV, der das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten regelt, in dem auch Menschen mit Behinderung beschäftigt werden. Hier müssen z.B. die Arbeitsplätze, aber auch die Türen, Verkehrs- und Fluchtwege, Notausgänge, Waschgelegenheiten, Toilettenräume und Treppen barrierefrei gestaltet sein.

Fluchtwege sind immer freizuhalten

Auf Sicherheit wird des Weiteren auch im Hinblick auf Fluchtwege, Notausgänge und Verkehrswege (worunter u.a. jeder Flur und jeder Verbindungsgang zwischen Gebäuden zu verstehen ist) großer Wert gelegt, da diese jederzeit freizuhalten sind und benutzbar sein müssen (§ 4 Abs. 4 ArbStättV). Aufgrund des Sicherheitsaspekts muss ein Arbeitgeber zudem einen Flucht- und Rettungsplan aushängen, sofern dies aufgrund der räumlichen Ausdehnung einer Arbeitsstätte erforderlich ist.

In einer kleinen Firma mit drei Büroräumen und sechs Mitarbeitern dürfte es ausreichend sein, wenn alle Mitarbeiter darüber aufgeklärt werden, wie sie sich im Falle eines Brandes zu verhalten haben und auf welchem Weg sie ggf. das Gebäude verlassen sollen. Wenn es sich jedoch um einen Betrieb mit 100 oder mehr Mitarbeitern handelt, genügt eine kurze, nur mündlich vorgenommene „Unterweisung“ auf keinen Fall. Das gilt z.B. dann, wenn die Mitarbeiter auf mehrere Gebäude verteilt sind oder

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es auf dem Betriebsgelände Räume gibt, in denen mit unterschiedlichen Materialien (reine Büros, Chemikalien, offene Flamme usw.) gearbeitet wird. Hier müssen genaue Pläne für die Mitarbeiter ausliegen, die ihnen – ggf. in regelmäßigen Zeiträumen – erläutert werden.

Nichtraucherschutz hervorgehoben

Besonderen Wert legt die ArbStättV auch auf den Schutz der Nichtraucher (§ 5 ArbStättV). Danach hat der Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, nichtrauchende Mitarbeiter wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch zu schützen. Diese Regelung ist streng auszulegen, sodass beispielsweise eine freiwillige Vereinbarung der nichtrauchenden Beschäftigten mit dem Arbeitgeber zur Tolerierung des Passivrauchens nicht möglich ist.

Sollten in einem Betrieb einzelne Raucherräume eingerichtet sein, ist es den nichtrauchenden Arbeitnehmern natürlich freigestellt, sich in diesen aufzuhalten oder nicht. Es muss jedoch in jedem Fall vom Arbeitgeber sichergestellt werden, dass in den Räumlichkeiten, zu denen auch nichtrauchende Arbeitnehmer Zutritt haben (z.B. Arbeitsplätze, Besprechungsräume, Treppenraum, Flur, Toiletten-, Pausen-, Umkleide-, Waschräume), der Nichtraucherschutz beachtet wird.

Präziser: Arbeitsstätten-Richtlinien und Technische Regeln

Sofern die Regelungen der ArbStättV nicht die gewünschten präzisen Angaben bieten, können die Arbeitsstätten-Richtlinien und die Technischen Regeln für Arbeitsstätten weitere Hilfestellungen liefern. Die schon länger bestehenden Arbeitsstätten-Richtlinien gelten weiter fort, allerdings nur bis längstens August 2010. Sie wurden bereits in den letzten Jahren nach und nach durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ersetzt.

Sollte es also zu einem gesuchten Regelungsbereich (noch) keine Technischen Regeln für Arbeitsstätten geben, können die Arbeitsstätten-Richtlinien bis zum August 2010 weiterhin als Orientierung hinsichtlich einzelner Bestimmungen der ArbStättV herangezogen werden. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass die Paragrafenangaben in den Richtlinien nicht mehr mit denjenigen der (neuen) ArbStättV aus dem Jahr 2004 übereinstimmen.

Stand der Technik

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt auf der Grundlage von § 7 Abs. 4 ArbStättV die Technischen Regeln für Arbeitsstätten im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt. Die vom Ausschuss für Arbeitsstätten erstellten Technischen Regeln für Arbeitsstätten geben im Hinblick für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten auf der Grundlage des Stands der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene die entsprechenden Regeln und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse wieder.

Bisher gibt es die folgenden ASR:

ASR A1.3

Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung

ASR A1.7

Türen und Tore

ASR A2.3

Fluchtwege, Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan

ASR A3.4/3

Sicherheitsbeleuchtung, optische Sicherheitsleitsysteme

Beispiel 1:

In der Firma X stellt sich die Frage, ob Laserkopierer in einem Büroraum betrieben werden dürfen oder ob sie in einem separaten Raum aufgestellt werden müssen. Innerhalb der acht Paragrafen der ArbStättV findet sich dazu keine Regelung. Auch der Anhang der ArbStättV sagt dazu konkret nichts aus. Die Nr. 3.6 des Anhangs enthält jedoch Bestimmungen zur Lüftung, die aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen in Hinblick auf die Innenraumbelastungen hier relevant sind.

Danach muss in umschlossenen Arbeitsräumen unter Berücksichtigung der Anzahl der Beschäftigten, der körperlichen Beanspruchung und der jeweiligen Arbeitsverfahren ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein. Weitere Informationen dazu bietet die Arbeitsstättenrichtlinie 5 an, die sich unter Nr. 2 mit der Innenraumluft befasst, die dann als ausreichend gesundheitlich zuträglich angesehen wird, wenn sie im Wesentlichen der Qualität der Außenluft entspricht.

Bevor nun umfangreiche Messungen zu evtl. unklaren Ergebnissen führen, können weitere Informationen zu diesem Themenbereich herangezogen werden, wie beispielsweise der BGI 820 „Laserdrucker sicher betreiben“ (Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit). Dort wird in Kapitel 4 ausgeführt, dass es grundsätzlich zulässig ist, einen Laser-Kopierer in einem Büroraum aufzustellen und zu nutzen.

Beispiel 2:

Als weiterer Problempunkt hat sich – vor allem in heißen Sommern – die Raumtemperatur herauskristallisiert. Auch hier gibt es keine konkreten Angaben in der ArbStättV oder im Anhang zur ArbStättV (siehe dazu Nr. 3.5 des Anhangs). Auch hier muss wieder die „alte“ Arbeitsstättenrichtlinie 6 herangezogen werden, in der es in Nr. 3.3 heißt, dass die Lufttemperatur in Arbeitsräumen + 26°C nicht überschreiten soll.

Sofern die Außentemperaturen darüber liegen sollten, darf ausnahmsweise auch die Lufttemperatur höher sein. Jedoch besagt die Nr. 3.5 Abs. 2 des Anhangs zur ArbStättV, dass Fenster, Oberlichter und Glaswände eine Abschirmung gegen übermäßige Sonneneinstrahlung ermöglichen müssen. Darausist auf jeden Fall zu schließen, dass es keinem Arbeitnehmer zuzumuten ist, dass er in heißen Sommern in seinem Büro in der Hitze „brüten“ muss.

Das droht bei Verstößen gegen die ArbStättV

Für den Vollzug der ArbStättV sind die staatlichen Arbeitsschutzbehörden – je nach Bundesland Gewerbeaufsichtsämter oder Ämter für Arbeitsschutz – zuständig. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der ArbStättV kann zur Verhängung von Bußgeld führen oder auch zum Entzug der Gewerbeerlaubnis. Sofern bereits Verstöße beim Aufbau eines Betriebs festgestellt werden, kann es auch passieren, dass erst gar keine Gewerbeerlaubnis erteilt wird.

Hinweis:

Auf www.arbeitssicherheit.de finden Sie im Bereich Bibliothek die Arbeitsstättenverordnung sowie die relevanten Richtlinien und Technische Regeln. Noch schneller geht es perWebcode 13849

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