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Kring, Arbeitssicherheitsjournal 2010, 4
Hand-Hygiene: Streit um heiße Luft

Dr. Friedhelm Kring

Winterzeit – Erkältungszeit: Dass regelmäßiges Händewaschen mit Seife die Übertragung von Krankheitserregern verringert, darin sind sich die Experten einig. Strittig ist allerdings die beste Methode des Händetrocknens, wie der folgende Beitrag belegt.

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Cartoon: Götz Wiedenroth

In Zeiten ständiger Warnmeldungen vor Schweinegrippe und anderen Infektionskrankheiten wird auch bei der Hygiene am Arbeitsplatz genauer hingeschaut. Untersuchungen der Universität Westminster (London) sorgen daher für Aufsehen. Ein Mikrobiologe hat verschiedene Methoden der Händetrocknung in öffentlichen Toiletten verglichen und herausgefunden, dass bei Benutzung von elektrischen Heißlufttrocknern die Keimzahlen auf der Haut auf das Dreifache ansteigen. Zudem würden bei neueren, stärkeren Geräten Keime bis zu zwei Meter weit geblasen. Der Wissenschaftler hat daher geraten, in allen Einrichtungen, wo es besonders auf Hygiene und niedrige Keimzahlen ankommt, auf solche Geräte zu verzichten und in Kliniken und Pflegeheimen nur noch Papierhandtuchspender zu benutzen.

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) tritt dieser Einschätzung scharf entgegen und beruft sich auf andere Studien. Diese haben gezeigt, dass unter Hygiene-Aspekten die Trocknungsmethoden Papier, Stoff und Gebläse als gleichwertig zu betrachten sind. Elektrische Händetrockner seien keine Bakterienschleudern. Bestätigt sieht der ZVEI seine Sicht indirekt durch die Arbeitsstätten-Richtlinien, die sowohl Papierhandtuchspender als auch Textilhandtuchautomaten bzw. Warmlufthändetrockner anerkennen. Auch argumentiert der ZVEI, dass in der Luft immer Keime vorhanden sind und die Händetrockner diese sogar noch herausfiltern. Dies bestätigen Forschungsergebnisse des Institut Fresenius, die zeigen, dass – selbst ohne Filtersysteme in den Geräten – die Keimzahl in der von elektrischen Warmlufthändetrocknern ausgeblasenen Luft niedriger ist als in der angesaugten Luft.

Wer angesichts dieser Debatte um die optimale Infektionsprävention meint, bei den unterschiedlichen Befunden und Empfehlungen besser auf das Waschen oder Abtrocknen der Hände ganz zu verzichten, liegt allerdings völlig falsch. Denn in einem Punkt sind sich die Experten einig: Hände sind Überträger von Bakterien und Viren, gründliches Händewaschen als Vorbeugemaßnahme daher unverzichtbar. Unbestritten ist auch, dass sich Bakterien im feuchten Milieu deutlich wohler fühlen. Deshalb bleibt ein Händewaschen ohne gründliches Abtrocknen unter hygienischen Gesichtspunkten wenig effizient.

Im Gegenteil: Der TÜV Rheinland hat in einer Versuchsreihe festgestellt, dass Händewaschen die Keimzahl auf der Haut zunächst sogar erhöht. Man vermutet, dass durch Wasser und Seife Bakterien aus tieferen Hautschichten herausgelöst werden. Erst durch das gründliche Abtrocknen der Hände mit Papierhandtüchern fielen bei den Versuchspersonen die Keimzahlen unter den Anfangswert vor dem Waschen. Es bleibt also beim Aufruf „Händewaschen nicht vergessen!“, doch das Abtrocknen gehört ebenfalls dazu. Und dies gilt nicht nur für hygienisch besonders sensible Arbeitsplätze im Gesundheitswesen oder der Lebensmittelindustrie.

metis