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Rosarius, Arbeitssicherheitsjournal 2009, 19
Chemikalien-Verordnung REACH wirkt

Hans T. Rosarius

 Rosarius: Chemikalien-Verordnung REACH wirkt - Arbeitssicherheitsjournal 2009 Heft 1 - 19>>

Chemische Stoffe dürfen innerhalb der Europäischen Union nur noch verwendet werden, wenn sie nach der EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) bei der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki registriert sind. Verstöße stufen die Behörden als Ordnungswidrigkeiten nach dem Chemikaliengesetz ein – bei Vorsatz sogar als Straftaten.

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REACH betrifft alle: Im Unterschied zur früheren Gesetzgebung bezieht die aktuelle Chemikalien- Verordnung neben Herstellern, Händlern und Importeuren auch die Anwender mit ein.

Die seit Juni 2007 europaweit geltende Chemikalien- Verordnung 1907/2006 REACH verfolgt das Ziel, durch die Schaffung einer ausreichenden Datenbasis zu potenziell gefährlichen Stoffeigenschaften den Arbeits-, Gesundheits- und Verbraucherschutz in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Davon betroffen sind nicht nur alle Hersteller, Händler und Importeure von Chemikalien. REACH bezieht auch die Anwender mit ein, insbesondere diejenigen aus dem produzierenden Gewerbe: Mussten sie sich in der Vergangenheit nur an die Verwendungshinweise im Sicherheitsdatenblatt halten, sind sie jetzt in den Registrierungsprozess mit eingebunden.

REACH basiert auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung. Hersteller und Importeure sind für die Sicherheit ihrer Chemikalien selbst verantwortlich. Sie müssen die zur Beurteilung notwendigen Daten beschaffen und überzeugend darstellen, dass die Stoffe für alle von ihren Kunden (also den Anwendern) angegebenen Verwendungen sicher zu handhaben sind, um schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu vermeiden.

So schreibt die Chemikalien-Verordnung vor, dass chemische Stoffe nur noch dann eingesetzt werden dürfen, wenn ein ausreichender Datensatz zu den Stoffeigenschaften vorliegt. Dokumentiert sein müssen zum Beispiel physikalische Eigenschaften, die Giftigkeit und das Verhalten in der Umwelt. Der Hersteller beziehungsweise Importeur ist also selbst für den sicheren Umgang mit seinem chemischen Stoff verantwortlich. Er muss die zur Bewertung notwendigen Daten sammeln und sie entlang der Wertschöpfungskette weitergeben.

Keine Verordnung ohne Ausnahmen

Nicht jeder, der mit chemischen Stoffen zu tun hat, wird automatisch von REACH berührt. So werden nur chemische Stoffe erfasst, die in Mengen von mehr als einer Tonne pro Jahr in der EU produziert oder in die EU importiert werden. Diese müssen künftig bei der neu gegründeten EChA registriert werden. Dabei gilt: Je höher die Menge ist, die in Verkehr gebracht wird, desto mehr Stoffeigenschaften muss der Hersteller beziehungsweise Importeur ermitteln. Neben Chemikalien in geringen Mengen sind verschiedene Stoffgruppen beziehungsweise Einzelstoffe wie etwa radioaktive Stoffe von der allgemeinen Registrierungspflicht ausgenommen. Für sie gelten gesonderte Regelungen.

Chemische Stoffe, die von REACH ausgenommen sind

Die Verordnung gilt nicht für

  1. radioaktive Stoffe,

  2. Stoffe als solche, in Zubereitungen oder Erzeugnissen, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen,

  3. nichtisolierte Zwischenprodukte,

  4. den Transport von gefährlichen Stoffen als solche oder in Zubereitungen als Gefahrgut,

  5. Abfälle im Sinne der Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle und

  6. Stoffe mit Bedeutung für die Landesverteidigung.

Ausgenommen vom Registrierungsverfahren und weiteren Vorgaben der Verordnung sind auch

  1. Stoffe, die in Human- oder Tierarzneimitteln beziehungsweise als Zusatz- oder Aromastoffe in Lebens- oder Futtermitteln eingesetzt werden,

  2. Polymere,

  3. Stoffe des Anhangs IV, wie Wasser, Zucker und Ascorbinsäure, sowie des Anhangs V, zum Beispiel als ungefährlich anzusehende Naturstoffe,

  4. bereits erfasste Wirkstoffe/Formulierungshilfsstoffe in Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten,

  5. Reimporte von bereits registrierten Stoffen,

  6. Stoffe, die im Rahmen des Recyclings zurückgewonnen werden, soweit der ursprüngliche Stoff registriert ist, sowie

  7. Stoffe für produkt- und prozessorientierte Forschung und Entwicklung.

Alt- und Neustoffe

Generell unterscheidet die REACH-Verordnung zwischen Phase-in-Stoffen und Non-Phase-in- Stoffen. Zu den Phase-in-Stoffen zählen alle Stoffe, die im Altstoffverzeichnis der EU (EINECS – European inventory of existing commercial chemical substances) aufgelistet sind. Das sind etwa 100.000 Substanzeinträge, die 1981 (zum Zeitpunkt der Einführung der Ermittlungspflicht für das Gefährdungspotenzial chemischer Stoffe) auf dem Markt waren. Dazu zählen auch bestimmte Polymere sowie Stoffe, die in der EU hergestellt, aber in den vergangenen 15 Jahren nicht in den Verkehr gebracht wurden, wie etwa werksinterne Stoffe. Zu den Non- Phase-in-Stoffen gehören die Substanzen, die nach 1981 erstmals auf den Markt gekommen sind beziehungsweise erstmals auf den Markt kommen werden. Non-Phase-in-Stoffe, die bereits als Neustoffe nach dem alten Chemikaliengesetz angemeldet worden sind, gelten auch unter REACH als registriert.

Vorregistrierung

Mit Stichtag 1. Juni 2008 begann die sechsmonatige Vorregistrierungsphase nach REACH. In diesem Zeitraum mussten alle Phase-in-Stoffe, die weiterhin produziert oder importiert werden sollen, der EChA gemeldet werden. Nach Ablauf der Frist hat die EChA im Internet eine Liste veröffentlicht, die nach Angaben des Bundesumweltministeriums über zwei Mio. Vorregistrierungen umfasst. Ziel ist, Hersteller beziehungsweise Importeure identischer Chemikalien zusammenzubringen, damit sie Informationen untereinander austauschen können. Für jeden Phase-in-Stoff, für den es mehr als einen potenziellen Registrierenden gibt, wurde ein Informations- Austausch-Forum eingerichtet. Herstellern beziehungsweise Importeuren wurde damit die Möglichkeit eingeräumt, untereinander vorhandene Daten auszutauschen und auf diese Weise Kosten zu reduzieren.

Für die Non-Phase-Stoffe gibt es keine Vorregistrierung. Sie müssen grundsätzlich vor Beginn des Importes oder der Herstellung registriert werden. Ist die Vorregistrierung von Phasein- Stoffen versäumt worden, sind diese wie alle neuen Stoffe einer sofortigen Registrierung zu unterziehen. Bis zu ihrer Registrierung bei der EChA dürfen die Stoffe nicht hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden. Verstöße hierzu werden nach dem Chemikaliengesetz als Ordnungswidrigkeit und bei Vorsatz auch als Straftat geahndet, so das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Wird ein Phase-in-Stoff nach Ablauf der Vorregistrierungsphase erstmals in einer Menge von mehr als einer Tonne pro Jahr hergestellt oder importiert, kann die Regelung für eine späte Vorregistrierung in Anspruch genommen werden. Diese muss spätestens sechs Monate nach dem ersten Herstellen oder Importieren und mindestens zwölf Monate vor dem jeweiligen Registrierungsstichtag erfolgen.

Anforderungen an die Registrierung

Bei einer Registrierung verlangt der Gesetzgeber neben einem technischen Dossier auch Angaben zur Verwendung des Stoffes. Ab zehn Tonnen Jahresproduktion sind Hersteller und Importeure verpflichtet, in einem Stoffsicherheitsbericht zusätzliche Informationen zu Wirkungen und zum Umweltverhalten zu liefern. In dem Bericht sind die möglichen Risiken der betreffenden Substanz zu erläutern und die Maßnahmen aufzuführen, um diesen zu begegnen.

Aus dem Stoffsicherheitsbericht muss zudem hervorgehen, ob es sich bei der Substanz um einen sogenannten PBt- oder vPvB-Stoff handelt. Ein PBt-Stoffe ist persistent, bioakkumulierend und toxisch. Das heißt, der Stoff ist in der Umwelt stabil und unterliegt nur einem langsamen Abbau (persistent). Daneben kann er sich in Lebewesen anreichern (bioakkumulierend), wodurch im Gewebe Konzentrationen möglich sind, die toxische Effekte auslösen können. Dagegen sind vPvB-Stoffe nicht als toxisch bekannt, dafür aber als besonders persistent und stark bioakkumulierend, wodurch die Kriterien für die Einstufung noch schärfer sind als bei PBt- Stoffen.

Bei als gefährlich anzusehenden Chemikalien ist auf Basis der Verwendungen auch eine Risikobeschreibung zu erstellen. Eine Beurteilung der von einem Stoff ausgehenden Risiken haben Lieferanten für alle angegebenen Verwendungen vorzunehmen, die ihnen von ihren Kunden genannt werden. Hier sind also die Anwender gefragt, die im Unterschied zu früheren Regelungen von REACH ebenfalls betroffen sind. Der Einsatz der Chemikalien im Produktionsprozess ist Bestandteil des Sicherheitsdatenblattes, das der Hersteller oder der Importeur dem Kunden aushändigt. Soweit kein Sicherheitsdatenblatt erforderlich ist, sind dem Kunden die Registrierungsnummer, eventuelle Beschränkungen der Verwendung und sonstige verfügbare und sachdienliche Informationen über den Stoff zur Verfügung zu stellen.

Gefährliche Stoffe bedürfen der Zulassung

Bestimmte, besonders gefährliche Stoffe, wie krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe, werden nach und nach im Anhang XIV, dem Verzeichnis der

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zulassungspflichtigen Stoffe der Chemikalien- Verordnung, bekannt gemacht. Diese bedürfen neben der Registrierung auch einer Zulassung der EChA. Dabei muss der Antragsteller prüfen, ob alternative Stoffe eingesetzt werden können. Mit der Bekanntmachung im Anhang XIV wird eine Übergangsfrist genannt, ab der dieser Stoff nicht mehr oder nur nach Maßgabe der Zulassung in den Verkehr gebracht werden darf. Beschränkungen der Herstellung, des Inverkehrsbringens und der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse sind in Anhang XVII der Chemikalien- Verordnung aufgeführt. Neue Beschränkungen werden ebenfalls von der EU-Kommission auf Basis der Beschlüsse eines Regelungsausschusses in Anhang XVII aufgenommen.

Hilfe für Unternehmen

Mit dem Inkrafttreten der komplexen Chemikalien- Verordnung REACH übernehmen Hersteller, Importeure und Weiterverarbeiter die Verantwortung für den sicheren Umgang mit Chemikalien. Mit REACH wurden die beiden bisherigen Systeme Altstoffbewertung und Neustoffanmeldung für alle Stoffe ersetzt. Das komplexe Regelwerk REACH fordert die Wirtschaft in erheblichem Maße. Darunter sind große wie kleine Unternehmen, die bereits über Gefahrstoffexperten wie etwa Gefahrgutbeauftragte und/oder Arbeitssicherheitsingenieure verfügen. Diese Mitarbeiter sind aufgrund des von ihnen verantworteten Aufgabenbereichs geeignet, auch das erforderliche Fachwissen zu erwerben, um die Aufgaben wahrzunehmen, die mit REACH auf die Unternehmen zugekommen sind.

Zahlreiche Beratungsfirmen, Überwachungsorganisationen und Seminaranbieter werben derzeit für Schulungsmaßnahmen, damit Unternehmen die Anforderungen von REACH erkennen und effizient sowie sicher umsetzen können. Teilweise wird dabei mit Schulungen zum REACH-Beauftragten geworben. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Verordnung, wie im Gefahrgutrecht, einen Beauftragten fordert. Dem ist nicht so. Welche Maßnahmen Unternehmen zur Umsetzung von REACH zu ergreifen haben und welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen, erfahren Anwender von Chemikalien unter anderem auch bei den Umweltexperten der rund 87 Industrie- und Handelskammern (IHK) in Deutschland.

Tatkräftige Hilfestellung bietet zudem die kostenlose Online-Beratungsplattform REACh-Net im Internet, die unter Federführung der nordrhein- westfälischen Landesregierung mit Partnern aus Wirtschaft und Verwaltung Ende vergangenen Jahres eingerichtet wurde. Sie will vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung der Chemikalien-Verordnung unterstützen, sagt der Umweltexperte der IHK Bonn/Rhein-Sieg, Dr. Rainer Neuerbourg. Die Beratungsplattform bietet den Zugriff auf aktuelles Expertenwissen aus der Industrie, den Bundesbehörden und von ausgewiesenen Beratern. Mit der Plattform vernetzte Experten beantworten schnell und kompetent Standard- wie auch Spezialfragen. Die Fragen und Antworten werden gespeichert und bauen sich zu einer Wissensdatenbank aus, die Unternehmen direkt in die Praxis integrieren können.

Auf einen Blick

Stichtage für die endgültige Registrierung

In Abhängigkeit von der hergestellten oder importierten Stoffmenge und deren Gefährlichkeit können Übergangsfristen zwischen dreieinhalb bis elf Jahren für die eigentliche Registrierung in Anspruch genommen werden:

seit 1. Juni 2008

Registrierung für Non-Phase-in-Stoffe, optionale Registrierung für Phase-in- Stoffe

1. Juni bis 30. November 2008

Vorregistrierung für hergestellte/importierte Phase-in-Stoffe (abgeschlossen)

bis 1. Dez. 2010

Registrierung der Phase-in-Stoffe in folgenden Kategorien:

  • hochvolumige Stoffe ab einer Menge von 1.000 Tonnen pro Jahr

  • CMR (carcinogenic, mutagenic or toxic for reproduction – krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende)-Stoffe ab einer Menge von einer Tonne pro Jahr

  • umweltgefährliche Stoffe mit Einstufung N, (R50/53) ab einer Menge von 100 Tonnen pro Jahr

bis 1. Juni 2013

Registrierung der Phase-in-Stoffe ab einer Menge von 100 Tonnen pro Jahr

bis 1. Juni 2018

Registrierung der Phase-in-Stoffe ab einer Menge von einer Tonne pro Jahr

Begriffe

REACH – EU-Chemikalienverordung Nr. 1907/2006 – Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe)

EChA – European Chemicals Agency (Europäische Chemikalienagentur), Helsinki

EINECS – European inventory of existing commercial chemical substances (Altstoffverzeichnis der EU mit ca. 100.000 Substanzeinträgen bis 1981)

Phase-in-Stoffe – Stoffe, die im Altstoffverzeichnis EINECS aufgeführt sind (Vorregistrierung war bis 30.11.2008 möglich)

Non-Phase-in-Stoffe – Stoffe, die ab 1981 erstmals auf dem Markt sind bzw. kommen werden (keine Vorregistrierung möglich)

PBT-Stoff – substances that are potentially persistent, bioaccumulative and toxic (persistenter, bioakkumulierbarer und toxischer Stoff)

vPvB-Stoff – substances that are potentially very persistent and very bioaccumulative (persistenter und bioakkumulierbarer Stoff)

Hinweis:

Praktische Tipps und Informationen auf folgenden WebseitenWebcode 15222

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