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Schaake, Ittermann, Arbeitssicherheitsjournal 2009, 13
Betriebliche Gesundheitsförderung

Monika Schaake und Marcus Ittermann

 Schaake / Ittermann: Betriebliche Gesundheitsförderung - Arbeitssicherheitsjournal 2009 Heft 1 - 13>>

Gerade in der Krise brauchen Unternehmen gesunde und motivierte Mitarbeiter, um überleben zu können. Programme zur Betrieblichen Gesundheitsförderung sind deshalb wichtiger denn je. Dass sich die Investition in die Mitarbeitergesundheit auch finanziell lohnt, belegt jetzt eine neue Studie des DGUV zur sogenannten Präventionsbilanz. Die wichtigsten Fakten zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement in diesem Beitrag.

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Betriebliche Gesundheitsförderung mit prominenter Begleitung: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt im Gespräch mit Stabhochspringer Tim Lobinger und E.ON Energie-Vorstand Hartmut Geldmacher während des 3.000-Schritte-Spaziergangs durch Berlin.

Foto: E.ON Energie

Der Kölner AXA-Konzern macht's vor: Mit seinem vorbildlichen Gesundheitsprogramm erreicht das Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen zumindest theoretisch alle seine über 10.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen sieht sein Programm als Teil der „mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur“. Mit einer Mischung aus Präventionsprogrammen und dem eigenen Gesundheitsportal im Intranet erzielte das Unternehmen bereits signifikante Erfolge: Laut AXA reduzierte sich der Krankenstand seit Einführung des Gesundheitsprogramms erheblich. Doch nicht nur das Versicherungsunternehmen profitierte vom besseren Gesundheitszustand seiner Mitarbeiter. Durch das groß angelegte Vorsorge- und Screening-Programm erfuhren einige Mitarbeiter von bislang unerkannten Krankheiten und konnten sich deshalb rechtzeitig in eine entsprechende Behandlung begeben.

Dass es aber nicht nur die Großen der Wirtschaft mit ihren umfassenden Programmen sind, die von Kampagnen im Bereich Gesundheit profitieren, beweist ein Mittelständler aus dem Schwäbischen: Das Unternehmen S+B Systemtechnik GmbH und Co. KG mit Sitz in Fellbach hat sich auf die Organisation und Durchführung von Präzisionsmontagen für Großunternehmen wie Bose (HiFi-Anlagen) und Festo (Steuerungs- und Automatisierungstechnik) spezialisiert. Wichtigster Erfolgsfaktor ist die Einhaltung der hohen Qualitätsstandards der Auftraggeber, die sich nur durch hoch qualifiziertes und motiviertes Personal erreichen lässt.

Das Gesundheitsprogramm von S+B beschränkte sich in seiner Einführungsphase hauptsächlich auf den Aspekt Ergonomie am Arbeitsplatz. Interne Befragungen hatten ergeben, dass Rückenprobleme sowohl im Bereich der Montage als auch im Büro die Mitarbeiter am stärksten beeinträchtigten. Nachdem Maßnahmen wie etwa höhenverstellbare Arbeitsplätze noch nicht zu optimalen Verbesserungen führten, griff das Unternehmen auf Empfehlung eines Beratungsunternehmens zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Man führte sogenannte MBTSchuhe (MBT = dt. Masai-Barfuß-Technologie) ein, die Überlastungen und Verspannungen vorbeugen sollen.

„Mit den Gesundheitsschuhen wurde nicht nur eine neue Gangart eingeführt. Es konnten vor allem auch Mitarbeiter für das Thema Rückengesundheit interessiert werden, die für Präventionsmaßnahmen wie eine Rückenschule nicht zu motivieren waren“, so das Unternehmen in einer Beschreibung seines Projekts auf dem Internetportal der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Unbewusst sei so das Tragen von Gesundheitsschuhen Ausgangspunkt zur Änderung des Gesundheitsverhaltens geworden und habe damit zur Stärkung der Mitarbeitergesundheit beigetragen.

Mit gesunden Mitarbeitern durch die Krise

Die beiden Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen machen eines deutlich: Betriebliche Gesundheitsförderung setzt immer ein Konzept voraus, das an die Bedürfnisse des einzelnen Unternehmens angepasst ist. Gemeinsam ist aber allen Unternehmen in Deutschland, dass Mitarbeiter immer noch das Kapital sind, das für den Unternehmenserfolg am wichtigsten ist. Gerade in der globalen Wirtschaftskrise kann sich nur durchsetzen, wer über leistungsfähige Mitarbeiter verfügt.

Die wichtigste Voraussetzung dafür: eine gesunde Belegschaft, die motiviert für den Unternehmenserfolg kämpft – zur Not auch unter erschwerten Bedingungen, sprich bei hohem Arbeitsaufkommen und mehr Stress, wenn in Zeiten der Kurzarbeit und der Entlassungen immer weniger Menschen immer mehr leisten müssen. Der aktuelle Fehlzeiten-Report 2008, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) und die Universität Bielefeld gemeinsam herausgeben, belegt den positiven Effekt betrieblicher Gesundheitsprogramme. Die Befragung von 200 Unternehmen zeigt eindeutig, dass Betriebliches Gesundheitsmanagement

  1. die Kooperation der Belegschaft im Betrieb verbessert,

  2. Organisations- und Arbeitsabläufe optimiert und

  3. Belastungen für die Arbeitnehmer abbaut.

Manchmal reichen auch schon Einzelaktionen, die das Gemeinschaftsgefühl stärken. Im Rahmen der vom Bundesgesundheitsministerium initiierten Kampagne „Bewegung und Gesundheit“ hat beispielsweise E.ON Energie letztes Jahr mit der Botschaft „Jeden Tag 3.000 Schritte extra“ rund 33.000 Schrittzähler an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt. Dr. Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender der E.ON Energie AG, sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen Betrieblicher Gesundheitsförderung und unternehmerischem Erfolg: „Nur wenn sich unsere Beschäftigten fit und wohl fühlen, können sie optimale Leistungen zeigen und die Zukunft der E.ON Energie AG erfolgreich mit gestalten.“

Steuererleichterung für Gesundheitsprogramme

Erleichtert wird die Betriebliche Gesundheitsförderung in Unternehmen seit Beginn dieses Jahres durch einen Steuerfreibetrag von 500 € pro Arbeitnehmer und Jahr. Das hat das Finanzministerium im Jahressteuergesetz 2009 so festgeschrieben. Kurse zur gesunden Ernährung, Rückengymnastik, Suchtprävention und Stressbewältigung, die den Anforderungen des Sozialgesetzbuchs (§ 20a Abs. 1 SGB V) entsprechen, fallen unter die Steuerbefreiung.

Voraussetzung ist auch, dass die Maßnahmen zusätzlich zum Arbeitslohn geleistet werden. Zuschüsse zu Sportvereinen oder Fitnessstudios fallen nicht unter die Regelung: externe Kurse darf das Unternehmen erstatten, Beiträge für dauerhafte Mitgliedschaften jedoch nicht. Konzeptionelle Unterstützung finden sie dafür bei den Krankenkassen, die Durchführung der Programme übernehmen spezialisierte Dienstleister.

Noch verhalten sich viele Unternehmen zurückhaltend, doch die Bereitschaft zu betrieblichen Gesundheitsprogrammen steigt. Das zeigt eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung, nach der mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen ihre Angebote für Mitarbeiter ausbauen wollen. Im Auftrag der Gütersloher Stiftung befragte das Bonner Marktforschungsunternehmen EuPH Research insgesamt 135 Personalleiter, Geschäftsführer und Gesundheitsmanager deutscher Unternehmen.

Danach wollen 34,8 % der befragten Unternehmen ihre Programme in diesem Bereich erweitern. Der steuerliche Anreiz wirkt offenbar auch auf Verantwortliche, in deren Betrieben bislang keine Gesundheitsleistungen angeboten wurden: Immerhin 17,8 % gaben an, aufgrund der neuen Gesetzeslage erstmals Gesundheitsprogramme zu implementieren.

Die Vorteile von betrieblichen Gesundheitsprogrammen bringt die stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Bertelsmann

 Schaake / Ittermann: Betriebliche Gesundheitsförderung - Arbeitssicherheitsjournal 2009 Heft 1 - 14<<>>

Stiftung, Liz Mohn, auf den Punkt. Der Bonner Wirtschaftsblog zitiert die Unternehmerin folgendermaßen: „Von Verbesserungen der Gesundheitsförderung profitieren Unternehmen und Mitarbeiter. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss künftig mehr als bisher in die Beschäftigungsfähigkeit und Gesundheit seiner Mitarbeiter investieren, weil er dadurch auch Motivation und Kreativität fördert.“

Auch wenn laut der Untersuchung bereits 60 % der Unternehmen Einzelmaßnahmen und einige von ihnen umfassende Gesundheitsprogramme anbieten, zeigen vier von zehn Unternehmen bislang keine Aktivitäten in diesem Bereich. Die Steuererleichterung kann dazu einen ersten Anreiz schaffen, war jedoch laut der Studienleitung vielen Unternehmen noch nicht bekannt.

Befürworter von betrieblichen Gesundheitsprogrammen stellen immer wieder die positiven Wirkungen solcher Maßnahmen für die Arbeitszufriedenheit und Motivation von Mitarbeitern. Viele Unternehmen leisten auf diesem Gebiet allerdings eher nur das, was ihnen in Bezug auf Arbeitssicherheit vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist. Unter anderem argumentieren sie damit, dass die „weichen“ positiven Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit und Imagesteigerung nicht durch Zahlen belegt werden konnten, Investitionen in diesen Bereichen sich also nicht „lohnen“.

DGUV-Studie belegt wirtschaftlichen Nutzen von Präventionsmaßnahmen

Um dieser Argumentation entgegenzuwirken, bedarf es einer wissenschaftlichen Methode, die den Erfolg von Präventionsarbeit abbildet. Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Management personaler Versorgungsbetriebe der Universität Gießen haben dazu jetzt unter der Leitung von Professor Dietmar Bräunig einen neuen Ansatz entwickelt, die sogenannte Präventionsbilanzierung. In ihrem Bericht stellen sie nicht nur ihre Methode vor, sondern können auch eine positive Präventionsbilanz von Maßnahmen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in ausgewählten Unternehmen empirisch belegen.

Das Ergebnis: Investitionen in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz steigern die Produktivität und tragen nachweislich zum betriebswirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei. Die Studie ist Teil des Projekts „Qualität in der Prävention“ des Instituts Arbeit und Gesundheit (BGAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Wissenschaftler fassen ihre positiven Ergebnisse unter dem neu geschaffenen Begriff des „Return on Prevention“ zusammen. In Anlehnung an den Kapitalertrag („Return on Investment“) stellten sie in ihrer Studie Kosten und Nutzen der betrieblichen Prävention in einer Bilanz gegenüber.

Weil sich der Nutzen nicht in jedem Fall durch eine rein finanztechnische Bilanz von Kosten und Nutzen beschreiben ließ, setzten sie unter anderem Methoden aus der Sozialforschung wie etwa Wirkungsanalysen ein. Mithilfe statistischer Methoden ermittelten sie einen Betrag von 1,60 € für den „Präventions-Ertrag“: Jeder in den Arbeits- und Gesundheitsschutz investierte Euro bewirkt demnach ein „wirtschaftliches Erfolgssteigerungspotenzial“ bei den befragten Unternehmen von 1,60€.

Die Bezeichnung „Potenzial“ deutet jedoch schon darauf hin, dass im Bereich Prävention eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung nicht möglich ist. Die Schwierigkeit, den Erfolg von Präventionsprogrammen in wirtschaftlichen Zahlen zu belegen, liegt in der Langfristigkeit dieser Maßnahmen. Während den Unternehmen durch Präventionsmaßnahmen konkrete Kosten entstehen, ist der Nutzen – etwa durch höhere Motivation und Imagevorteile – nur schwer zu beziffern. Studienleiter Professor Bräunig schränkt deshalb ein, dass zwischen dem Aufwand und dem Erlös „kein linearer Zusammenhang“ bestehe. Die Forscher begreifen das Ergebnis ihrer Präventionsbilanz deshalb als eine „erweiterte Investitionsrechnung“.

An der Gießener Studie nahmen insgesamt 39 Unternehmen aus den Branchen Bau, Dienstleistung, Feinmechanik, Elektrotechnik und Metall teil. Zu den Kostenfaktoren zählten persönliche Schutzausrüstung, Arbeitsmedizin, Qualifizierung und Vorsorgeuntersuchungen. Sie wurden durch die positiven Effekte überwogen, bei denen sich folgende Schwerpunkte zeigten:

  1. Wertzuwachs durch gestiegene Zufriedenheit der Beschäftigten

  2. Kosteneinsparung durch vermeidbare Betriebsstörungen

  3. Wertzuwachs durch ein höheres Image und verbesserte Produktqualität

Aus der Tatsache, dass an der Studie insbesondere Unternehmen teilnahmen, die der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz positiv gegenüberstehen („Positivauswahl“), ziehen die Wissenschaftler einen ermutigenden Schluss: „Der Präventionserfolg dürfte bei Unternehmen, die sich bei Investitionen in betriebliche Präventionsarbeit bislang zurückgehalten haben, tendenziell eher noch besser ausfallen.“

Gesundheitswissenschaftler belegen das „Sozialkapital“ von Unternehmen

Zu ähnlich positiven Ergebnissen kam bereits eine Forschungsstudie, die im Auftrag des Landes NRW und mit Mitteln der Europäischen Union an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Uni Bielefeld durchgeführt wurde. Unter der Leitung von Professor Bernhard Badura untersuchte ein Team aus Wissenschaftlern das von ihnen als „Sozialkapital“ bezeichnete Zusammenspiel von Gesundheit und wirtschaflichem Unternehmenserfolg.

Für ihre Studie erhoben die Forscher betriebswirtschaftliche Daten von Unternehmen aus dem Produktions- und Dienstleistungsbereich mit zwischen 100 und 2.500 Beschäftigten. Zudem befragten sie zirka 5.000 Mitarbeiter. Die Rücklaufquote der dazu eingesetzten Fragebögen lag bei 45 %. In Form von Fallstudien wurden die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung den Unternehm|en als Grundlage für ihre Unternehmenspolitik und ihr Gesundheitsmanagement zurückgemeldet.

Badura und sein Team ermittelten einen direkten Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden von Mitarbeitern und dem Unternehmenserfolg. Stimmte beispielsweise das Verhältnis zwischen den Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht, kam es zu depressiven Verstimmungen, die sich naturgemäß negativ auf die persönliche Leistungsfähigkeit auswirkten. Den Bielefelder Wissenschaftlern gelang es auch, einen direkten betriebswirtschaftlichen Zusammenhang zu schaffen. Die Qualität der Beziehungen unter den Mitarbeitern, ihr „Netzwerkkapital“, übt nach den Ergebnissen einen direkten Effekt auf die Qualität der Arbeit, den Krankenstand und die freiwillige Fluktuation aus – Faktoren also, die sich durchaus in Euros und Cents beziffern lassen.

Betriebliche Gesundheitsförderung in (Groß-)Unternehmen

Eine Reihe namhafter Großunternehmen in Deutschland hat sich zum nationalen Unternehmensnetzwerk zur Betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union zusammengeschlossen. Die deutsche Sektion des europäischen Netzwerks bekennt sich zu den Leitlinien, die die Mitglieder aus allen europäischen Ländern und der Schweiz in der „Luxemburger Deklaration“ verabschiedet haben. Auf den Internetseiten des Unternehmensnetzwerks findet sich eine Liste der aktuellen Mitglieder sowie jeweils eine Darstellung der Aktivitäten im Gesundheitsbereich mit Ansprechpartnern.

 Schaake / Ittermann: Betriebliche Gesundheitsförderung - Arbeitssicherheitsjournal 2009 Heft 1 - 15<<

Entscheidend ist, dass die Aktivitäten auf ein integriertes Programm aus Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Prävention zielen. Es geht nicht allein darum, die Arbeitssicherheit zu optimieren, sondern vielmehr darum, mit einer gesunden und motivierten Belegschaft gemeinsam am Unternehmenserfolg zu arbeiten – nicht die Abwesenheit von Krankheit ist das Ziel, sondern – wie es in der Luxemburger Deklaration formuliert ist – das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Wichtigster Indikator für Gesundheitsprobleme in Unternehmen sind die Fehltage. Aufgeschlüsselt nach den Ursachen beruhten im vergangenen Jahr die meisten Ausfalltage auf

  1. Muskel- und Skeletterkrankungen (24,2 %), gefolgt von

  2. Verletzungen (12,8 %),

  3. Atemwegs- (12,4 %)

  4. und psychischen Erkrankungen (8,2 %).

Das geht aus dem Fehlzeitenreport 2008 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) hervor.

Krankenkassen als Partner in der betrieblichen Prävention

Die gesetzlichen Krankenversicherer wie TKK, DAK, AOK, Barmer, Betriebskrankenkassen usw. richten ihre Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches aus. Mit der Gesundheitsreform aus dem Jahre 2007 stehen die Versicherer stärker in der Pflicht, Präventionsmaßnahmen zu unterstützen. In § 20 a Abs. 1 SGB V bezieht sich das Sozialgesetzbuch auf die Betriebliche Gesundheitsförderung und die Verpflichtung der Krankenkassen.

Der Präventionsleitfaden, der für alle Krankenkassen gilt, fasst die Handlungsfelder der vom Gesetzgeber geforderten, qualitätsgesicherten betrieblichen Gesundheitsförderung in vier Gruppen zusammen. Qualitätsgesichert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Maßnahmen nachweislich gesundheitlich wirksam sind:

  1. Vorbeugung und Reduktion arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparats z.B. durch Angebote wie Rückentraining oder Yoga

  2. Gesundheitsgerechtes Essen in der Kantine (fettreduzierte Gerichte und Biokost)

  3. Vorbeugung und Reduktion von psychosozialem Stress durch Stressmanagement und gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung

  4. Vorbeugung und Abbau von Genuss- und Suchtmittelmissbrauch etwa durch Raucherentwöhnungskurse

Umsetzung von Betrieblicher Gesund eitsförderung im Unternehmen

Betriebliche Gesundheitsförderung muss als Bestandteil der Unternehmenskultur von Unternehmensleitung, Führungskräften und Mitarbeitern aktiv getragen werden: Der Arbeitgeber ist gefordert, gesundheitsgerechte Bedingungen am Arbeitsplatz zu schaffen. Gesundheitsprogramme können aber nur dann greifen, wenn sich jeder einzelne Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz gesundheitsgerecht verhält und auf seine Gesundheit insgesamt in Eigenverantwortung achtgibt.

Es reicht beispielsweise nicht, ergonomische Arbeitsplätze einzurichten. Erst wenn die Mitarbeiter geschult werden, diese gesundheitsgerecht zu nutzen, und dies auch im Arbeitsalltag berücksichtigen, können sich Erfolge wie etwa der Rückgang von Fehlzeiten aufgrund von Rückenbeschwerden einstellen.

Weiterer wichtiger Faktor ist ein gesundes Betriebsklima auf allen Ebenen – ob in der täglichen Zusammenarbeit, im Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten oder in der Integration des einzelnen Beschäftigten in die Unternehmenskultur. Deshalb sind Teamentwicklungsseminare, Mobbing-Prävention und Führungskräftetrainings von entscheidender Bedeutung für gesundes Arbeiten.

Voraussetzung für den Erfolg von Betrieblicher Gesundheitsförderung ihrerseits ist ein strukturierter Projektablauf über ein Gesundheitsmanagment- System. Ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement regelt den gesamten Prozess ab der ersten Beratung durch kompetente Fachleute der Krankenkassen beziehungsweise durch deren Beauftragte. Bewährt hat sich dabei die Bildung eines Arbeitskreises „AK Gesundheit“ aus Vertretern der verschiedenen Unternehmensbereiche (Unternehmensführung, Personalabteilung, Arbeitsmedizin, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, ggf. Gesundheitsbeauftragte).

Die anschließende Analyse der Ist-Situation und die Dokumentation der Ergebnisse liefern die Grundlagen für die Zielfindung. Anschließend erfolgt die Planung der Maßnahmen und ihre konkrete Umsetzung – seien es gesündere Kantinenessen, Ausgleichssport z.B. durch Walking-Kurse, Rückenschulen oder Angebote zur Raucherentwöhnung.

Entscheidend für einen dauerhaften Erfolg solcher Maßnahmen ist die fortwährende Evaluation und Weiterentwicklung. Betriebliches Gesundheitsmanagement ist keine einmalige Aktion, sondern vielmehr ein fortwährender Verbesserungsprozess zum Wohle aller Beteiligten. Einen Überblick über den Projektablauf bietet die Zusammenstellung der DAK (siehe Kasten, S. 14).

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) bietet auf seinen Internetseiten eine Reihe hilfreicher Tools für betriebliches Gesundheitsmanagement an. Kernstück ist die Word-Vorlage für ein Betriebshandbuch Gesundheitsmanagement, das zum kostenlosen Download bereitsteht. Es richtet sich an Unternehmen ab 50 Mitarbeitern. Das etwa 40-seitige Dokument enthält eine Fülle von Informationen im Zusammenhang mit Betrieblicher Gesundheitsförderung, aber auch Mustervorlagen z.B. für Protokolle des „AK Gesundheit“ und Abteilungsgespräche, Fragebögen für Mitarbeiterbefragungen sowie einen Zeitplan für die Milestones des Projekts. Da es sich um eine offene Datei handelt, kann sie in jedem Unternehmen individuell verändert und angepasst werden.

Auf einen Blick

Die positiven Effekte von Betrieblicher Gesundheitsförderung

  1. Rückgang der Fehlzeiten

  2. Höhere Arbeitszufriedenheit auf allen Stufen und geringere Personalfluktuation

  3. Steigerung der individuellen Produktivität und Arbeitsqualität

  4. Besseres Unternehmensimage

  5. Besseres Betriebsklima

  6. Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bis ins hohe Alter

  7. Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit

  8. Attraktives Unternehmen für Fachkräfte

Info-Box

Fehlzeiten

Aufgeschlüsselt nach den Ursachen beruhten die meisten Ausfalltage auf

  1. Muskel- und Skeletterkrankungen (24,2 %), gefolgt von

  2. Verletzungen (12,8 %),

  3. Atemwegs- (12,4 %) und

  4. psychischen Erkrankungen (8,2 %).

Quelle: Fehlzeiten-Report 2008 der des WIdO

Info-Box

Sechs Schritte zum erfolgreichen Gesundheitsmanagement

Betriebliches Gesundheitsmanagement setzt bewusst auf ein systematisches Vorgehen, bei dem die Festlegung von Gesundheitszielen von zentraler Bedeutung ist.

1. Verantwortlichkeiten festlegen

Gesundheitsmanagement kann nur erfolgreich sein, wenn es als Führungsaufgabe wahrgenommen und in bestehende Managementsysteme eingegliedert wird. Unternehmensleitung und alle Führungskräfte unterstützen den Prozess kontinuierlich. Dies erfordert Protagonisten, die steuern und alle Aktivitäten koordinieren. Einblicke in die Praxis zeigen, dass die Gründung eines „Arbeitskreises Gesundheit“ sinnvoll ist, der den Prozess des Gesundheitsmanagements steuert.

2. Bestandsaufnahme durchführen

Betriebliches Gesundheitsmanagement startet mit einer Analyse der Ist-Situation, um vorhandene Gesundheitsprobleme und Gesundheitsressourcen zu ermitteln:

  1. Welche Einflüsse auf die Gesundheit der Mitarbeiter lassen sich identifizieren?

  2. Wo liegen Missstände vor?

  3. Wie ist es um das körperliche und psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter bestellt?

  4. Wo gibt es nachahmenswerte Beispiele im Betrieb?

Hier liefern die vorhandenen Daten des Unternehmens wertvolle Anhaltspunkte. Das können Daten aus den Arbeitsplatzbegehungen, der Arbeitsmedizin, der Arbeitssicherheit, dem betrieblichen Vorschlagswesen oder Erhebungen zur Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiter sein.

Die DAK bietet mit ergänzenden Angeboten, wie dem DAK-Betriebsbericht, Mitarbeiterbefragungen, Workshops zur Arbeitssituationsanalyse und Gesundheitszirkeln Unterstützung bei der Analyse an.

3. Projektziele festlegen

Entscheidend für den Erfolg ist eine klare Zielsetzung, die genau festlegt, was erreicht werden soll. Folgende Fragestellungen sollten dabei berücksichtigt werden:

  1. Ist das Ziel im Interesse aller Mitarbeiter?

  2. Kann das Ziel erreicht werden?

  3. Bis wann soll das Ziel erreicht sein?

  4. Wie lässt sich die Veränderung im Betrieb und bei den Mitarbeitern messen?

4. Maßnahmen planen und umsetzen

Aus der Diagnose leiten die Verantwortlichen des „Arbeitskreises Gesundheit“ dann erste Maßnahmen ab und planen die Umsetzung. Zahlreiche Entscheidungen werden in dieser Phase getroffen.

Zum Beispiel:

  1. Welche Programme sind wo sinnvoll?

  2. Wie lassen sich die Programme realisieren?

  3. Wer soll einbezogen werden?

  4. Wo fängt man an?

5. Maßnahmen überprüfen

Nach dem im AK Gesundheit vereinbarten Zeitraum werden die durchgeführten Maßnahmen auf Qualität und Wirksamkeit hinsichtlich der gesetzten Ziele überprüft. Gegebenenfalls wird nach neuen oder besseren Veränderungsmöglichkeiten und Maßnahmen gesucht.

6. In das Managementsystem integrieren

Nach Beendigung des Projektes und Überprüfung der Zielsetzung sollten Überlegungen folgen, wie erfolgreiche Elemente in das Managementsystem integriert werden können.

Hinweis:

Eine umfangreiche Sammlung von Literaturhinweisen und kommentierten Links zum Abruf unterWebcode 11907

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