Anlage 3 - Alternative bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten
(zu § 2 Abs. 4)
Unternehmermodell
1.
Allgemeines
Bei der Anwendung der alternativen bedarfsorientierten betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung (Unternehmermodell) wird der Unternehmer zu Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb informiert und für die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen motiviert.
Die alternative bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung besteht aus
Motivations- und Informationsmaßnahmen,
Fortbildungsmaßnahmen,
der Inanspruchnahme der bedarfsorientierten Betreuung und
der Dokumentation der genannten Maßnahmen.
Die Beschäftigten werden über die Art der praktizierten betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung informiert und wissen, welcher Betriebsarzt und welche Fachkraft für Arbeitssicherheit anzusprechen ist.
2.
Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen
Die Teilnahme an den Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen soll grundsätzlich nur durch den Unternehmer selbst erfolgen. Im Einzelfall kann statt des Unternehmers sein für die Arbeitssicherheit verantwortlicher Betriebsleiter bzw. bei Unternehmen, die in der Form einer juristischen Person geführt werden, der gesetzliche Vertreter oder der vertretungsberechtigte Gesellschafter teilnehmen.
Die Teilnahme des Betriebsleiters setzt voraus, dass diesem die Pflichten hinsichtlich des Arbeitsschutzes übertragen worden sind und gewährleistet ist, dass er Entscheidungsgewalt hinsichtlich des Bedarfs an externer Betreuung hat.
Die Teilnahme des Betriebsleiters kann möglicherweise dann sinnvoll sein, wenn der Unternehmer nicht die nötigen fachlichen Kenntnisse besitzt und im Kleinbetrieb die Durchführung der praktischen Tätigkeit und damit auch aller sicherheitstechnischen Maßnahmen in der Hand eines fachlich geeigneten und vorgebildeten Mitarbeiters liegt, der auch die entsprechende Verantwortung trägt (z. B. der angestellte Meister und Konzessionsträger im kleinen Handwerksbetrieb). Die Teilnahme von Personen, die lediglich im Wege der Einzelübertragung mit der Wahrnehmung bestimmter Arbeitsschutzpflichten des Unternehmers besonders beauftragt wurden, genügt nicht.
2.1
Motivations- und Informationsmaßnahmen
Art und Umfang der Motivations- und Informationsmaßnahmen ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle.
Motivations- und Informationsmaßnahmen im Unternehmermodell
1 | 2 | 3 | 4 |
---|---|---|---|
Betriebsart | Art der Motivations- und Informationsmaßnahmen | Umfang der Einzelmaßnahmen | Gesamtumfang der Motivations- und Informationsmaßnahmen |
Gruppe I | |||
| Grundseminar Aufbauseminar Selbstlernen | 8 LE 16 LE 16 LE | 40 LE |
Gruppe II | |||
| Grundseminar Aufbauseminar Selbstlernen | 8 LE 8 LE 8 LE | 24 LE |
Gruppe II | |||
Betriebe der Branchen Elektronische Medienerstellung, Druck und Papierverarbeitung, die nicht der Gruppe III zuzuordnen sind | Präsenzphase Fernlehrgang | 8 LE 8 LE | 16 LE |
Gruppe III | |||
| Präsenzphase Fernlehrgang | 6 LE 8 LE | 14 LE |
Gruppe III | |||
| Fernlehrgang | 8 LE | 8 LE |
Eine Lehreinheit (LE) entspricht 45 Minuten.
Die Motivations- und Informationsmaßnahmen sind innerhalb von 2 Jahren zu absolvieren.
Inhalte der Motivation und branchenneutralen Information sind:
Verantwortung des Unternehmers und der Führungskräfte für Sicherheit und Gesundheitsschutz, Rechtspflichten, Rechtsfolgen
Wirtschaftliche Aspekte von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Nutzen für den Betrieb
Psychologische Aspekte der Gefahrenwahrnehmung und des sicheren Verhaltens
Organisation der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes
Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Entwicklung von Handlungsprogrammen für den Unternehmer
Anlässe bedarfsgerechter betriebsärztlicher und sicherheitstechnischer Beratung
Dienstleistungsangebote der Berufsgenossenschaft .
Themen der Informationsmaßnahmen sind z. B.:
Handlungsfelder des Betriebsarztes
Anlässe zur Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
Branchen- und tätigkeitsspezifische Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie typische gesundheitliche Beschwerden der Beschäftigten
Schutzmaßnahmen zur Abwehr von Unfall- und Gesundheitsgefahren
Ergonomische Fragestellungen
Psychomentale Fehlbelastungen
Maschinen und maschinelle Einrichtungen; verfahrenstechnische Anlagen
Transport und Verkehr
Arbeitsplätze/bauliche Einrichtungen
Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Brand- und Explosionsschutz
Primärer und sekundärer Lärmschutz
Sicherheit bei Arbeits- und Dienstwegen.
Unternehmer von Betrieben der
Aufbereitung, Spinnerei mit Vorwerk, Vliesherstellung,
Weberei,
Veredlung,
die im Rahmen einer nicht länger als fünf Jahre zurückliegenden Ingenieurausbildung (TU oder FH) oder Ausbildung zum staatlich anerkannten Techniker oder Meister bereits prüfungsrelevante Kenntnisse über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nachweislich erworben haben oder der Berufsgenossenschaft gegenüber eine nicht länger als fünf Jahre zurückliegende Ausbildung nachweisen können, die diese Themenbereiche einschließt, können auch Selbstlernmaßnahmen mit Wirksamkeitskontrolle (Fernlehrgang ohne Präsenzphasen) wählen.
2.2
Fortbildungsmaßnahmen
Im Anschluss an die Motivations- und Informationsmaßnahmen nimmt der Unternehmer regelmäßig an von der Berufsgenossenschaft durchgeführten oder anerkannten Fortbildungsveranstaltungen teil:
Fortbildungsmaßnahmen
1 | 2 | 3 | 4 |
---|---|---|---|
Längstmögliche Frist zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen | Art der Fortbildungsmaßnahme | Mindestumfang der Fortbildungsmaßnahme | |
Gruppe I | 3 Jahre | Präsenzmaßnahme | 8 LE |
Gruppe I | 5 Jahre | Präsenzmaßnahme | 4 LE |
Gruppe III | 5 Jahre | Präsenz- oder Selbstlernmaßnahme | 2 LE |
Der Unternehmer ist nach der Teilnahme an Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen nicht dazu befähigt, als Betriebsarzt oder Fachkraft für Arbeitssicherheit tätig zu werden.
3.
Bedarfsorientierte Betreuung
Nach dem Abschluss der Motivations- und Informationsmaßnahmen kann der Unternehmer über die Notwendigkeit und das Ausmaß einer externen Betreuung selbst entscheiden. Eine sachgerechte bedarfsorientierte betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung im Betrieb erfolgt auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung, die erforderlichenfalls unter Einschaltung von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit mit branchenspezifischen Kenntnissen durchgeführt wird.
Darüber hinaus ist der Unternehmer verpflichtet, sich bei besonderen Anlässen qualifiziert in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes durch einen Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit mit branchenbezogener Fachkunde betreuen zu lassen. Besondere Anlässe für eine Betreuung durch den Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit können unter anderem sein die
Planung, Errichtung und Änderung von Betriebsanlagen,
Einführung neuer Arbeitsmittel, die ein erhöhtes oder verändertes Gefährdungspotenzial zur Folge haben,
grundlegende Änderung von Arbeitsverfahren,
Einführung neuer Arbeitsverfahren,
Gestaltung neuer Arbeitsplätze und -abläufe,
Einführung neuer Arbeitsstoffe bzw. Gefahrstoffe, die ein erhöhtes oder verändertes Gefährdungspotenzial zur Folge haben,
Untersuchung von Unfällen und Berufskrankheiten,
Beratung der Beschäftigten über besondere Unfall- und Gesundheitsgefahren bei der Arbeit,
Erstellung von Notfall- und Alarmplänen,
Einführung neuer persönlicher Schutzausrüstung und Einweisung der Beschäftigten, falls erforderlich (insbesondere in den Fällen des § 31 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV A1)).
Ein weiterer Anlass für das Tätigwerden einer Fachkraft für Arbeitssicherheit kann unter anderem sein die
Durchführung sicherheitstechnischer Überprüfungen und Beurteilungen von Anlagen, Arbeitssystemen und Arbeitsverfahren.
Weitere Anlässe für das Tätigwerden eines Betriebsarztes können unter anderem sein
eine grundlegende Umgestaltung von Arbeitszeit-, Pausen- und Schichtsystemen,
die Erforderlichkeit der Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Beurteilungen und Beratungen,
Suchterkrankungen, die ein gefährdungsfreies Arbeiten beeinträchtigen,
Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung behinderter Menschen und der (Wieder-) Eingliederung von Rehabilitanden,
Wunsch des Arbeitnehmers nach betriebsärztlicher Beratung,
die Häufung gesundheitlicher Probleme,
das Auftreten von Gesundheitsbeschwerden oder Erkrankungen, die durch die Arbeit verursacht sein könnten,
das Auftreten posttraumatischer Belastungszustände.
Vorgenannte Aufstellung enthält typische Beratungsinhalte. Im Einzelfall ist aufgrund betriebsspezifischer Gegebenheiten weiterer Beratungsbedarf durch den Unternehmer festzulegen.
Anlassbezogene Beratungen zu spezifischen Fachthemen können im Einzelfall auch durch Personen mit spezieller anlassbezogener Fachkunde erbracht werden, die nicht über eine Qualifikation als Betriebsarzt bzw. Fachkraft für Arbeitssicherheit verfügen. Dies kann beispielsweise für Beratungen im Zusammenhang mit Lärmminderungs-, Brandschutz- und Lüftungsmaßnahmen zutreffen.
4.
Schriftliche Nachweise
Im Betrieb sind die nachfolgend aufgeführten schriftlichen Nachweise zur Einsichtnahme durch die zuständigen Aufsichtsorgane vorzuhalten
Teilnahmenachweise an den Maßnahmen zur Motivation, Information sowie der Fortbildung,
aktuelle Unterlagen über die im Betrieb durchgeführte Gefährdungsbeurteilung,
die Berichte nach § 5 dieser Unfallverhütungsvorschrift .
Erfüllt der Unternehmer seine Verpflichtungen im Rahmen der alternativen bedarfsorientierten Betreuungsform nicht, unterliegt er mit seinem Betrieb der Regelbetreuung nach § 2 Abs. 2 oder 3 dieser Unfallverhütungsvorschrift .