TRGS 608 - TR Gefahrstoffe 608

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Anlage 1 TRGS 608 - Toxikologische Bewertung der Ersatzstoffe für Hydrazin durch den Arbeitskreis "Toxikologie" des AGS

Anlage zu TRGS 608

1 Einleitung (gestrichen 4/93)

2 Hydrazin (CAS-Nr. 302-01-2)

Für Hydrazin liegt eine MAK-Begründung von 1989 vor (1). Diese wurde ausgewertet.

Hydrazin verursacht Reizungen von Haut und Schleimhäuten. Nach beruflicher Exposition wurden bei Arbeitern allergische Kontaktdermatiden beschrieben.

Mit Hydrazin bzw. Hydrazinsulfat und Hydrazinhydrat sind eine Reihe von Kanzerogenitätsversuchen an Mäusen, Hamstern und Ratten nach oraler, intraperitonealer und inhalativer Applikation durchgeführt worden. Die älteren Versuche weisen, bis auf den Inhalationsversuch, größtenteils methodische Mängel auf (Verwendung toxischer Dosen, kurze Versuchsdauer etc.). Die Mehrzahl dieser Studien war positiv. Die krebserzeugende Wirkung von Hydrazin konnte jedoch nur nach Verabreichung toxischer oder subtoxischer Dosen bzw. im Inhalationsversuch nach Einwirkung lokalreizender Konzentrationen nachgewiesen werden. Es treten Tumoren der Lunge, der Leber sowie, nach Inhalation, der Nasenhöhlen auf.

In neueren Trinkwasserstudien wurde Hydrazin bei Mäusen und Ratten und Hydrazinsulfat bei Hamstern getestet. Bei Ratten und Mäusen wurde Hydrazin bis zum natürlichen Lebensende der Tiere bzw. über 2 Jahre in Konzentrationen von 2, 10 und 50 mg/l im Trinkwasser verabreicht (Dosis-Durchschnitt aller Tiere der höchsten Konzentration: ca. 3 mg/kg Körpergewicht/Tag). Die höchste Dosierung war bei beiden Spezies eindeutig toxisch (verminderte Körpergewichtsentwicklung), ohne die Überlebenszeiten der Tiere wesentlich zu beeinflussen. Bei Mäusen zeigten sich keine Hinweise auf Kanzerogenität. Bei Ratten induzierte Hydrazin nur bei der höchsten Konzentration eine geringe Zahl von meist gutartigen Leberzelltumoren (11,5 %; Kontrolle 0 %).

In einem weiteren Kanzerogenitätsversuch wurde Hamstern Hydrazinsulfat in Konzentrationen von 170, 340 und 510 mg/l über 2 Jahre im Trinkwasser verabreicht (Dosis-Durchschnitt bezogen auf Hydrazin: 4,6; 8,3 bzw. 10,3 mg/kg Körpergewicht/Tag). Alle Konzentrationen zeigten eine toxische Wirkung (Verkürzung der Überlebenszeiten), hatten jedoch keinen Einfluß auf die Körpergewichte. Nach ca. 18 Monaten fanden sich dosisabhängig in der Leber Nekrosen, Hypertrophien und knotige Hyperplasien. In der mittleren und höchsten Dosis traten Leberzellkarzinome auf (12 % bzw. 32 %; Kontrolle 0 %):

Zur mutagenen Wirkung sind mehrere In-vitro- und In-vivo- Versuche durchgeführt worden. Die Mehrzahl der bakteriellen Reparatur- und Mutationstests ergaben schwach positive Befunde. In Versuchen an Zellkulturen zeigten sich meist positive Resultate nach Einwirkung hoher Konzentrationen. Im Spot-Test an der Maus erwiesen sich Hydrazinchlorid und Hydrazinhydrat als schwach mutagen.

Insgesamt besitzt Hydrazin eine schwache gentoxische und kanzerogene Wirksamkeit.

3 Potentielle Ersatzstoffe für Hydrazin

3.1 Ammoniumascorbat

Zu Ammoniumascorbat konnten keine toxikologischen Daten gefunden werden. Falls vorhanden, dürften spezifische Wirkungen des Salzes im wesentlichen vom Anion ausgehen, so daß die zu Ascorbinsäure vorhandenen Daten benutzt werden können. Unterschiede hinsichtlich der Blasentumor-promovierenden Eigenschaft von Natriumascorbat und Ascorbinsäure werden berichtet (2). Durch das Natriumsalz wird eine erhöhte DNA-Synthese und Hyperplasie im Blasenepithel induziert, nicht jedoch durch die freie Säure. Ob dies durch Änderungen von pH-Wert und Osmolalität des Urins hervorgerufen wird, sei offengelassen.

Die Unterschiede wurden jedoch bei hohen Konzentrationen im Futter (5 %), entspricht ca. 25 g/kg KG/d, gefunden, so daß ihre Relevanz für arbeitsplatzbedingte Expositionen gering eingeschätzt wird.

Mit L-Ascorbinsäure wurde im Rahmen des NTP (3) eine Fütterungsstudie an Ratten und Mäusen durchgeführt. Bei keiner Spezies wurde eine tumorigene Wirkung beobachtet.

In-vitro-Untersuchungen von Säugerzellen zeigten erhöhte SCE-Raten (KM, CH0), DNA-Reparatur und Mutantenhäufigkeit (L5178 Y), jedoch keine Chromosomenaberrationen (CH0). In-vivo-Tests waren negativ (DL; SCE).

Toxikologische Bedenken gegen die Verwendung von Ascorbinsäure bzw. dessen Ammoniumsalz als Ersatzstoff für Hydrazin bestehen nicht.

3.2 Carbohydrazid (CAS-Nr. 497-18-7)

Außer einer subkutanen LD50 bei der weiblichen Maus konnten keine toxikologischen Daten ermittelt werden (130,6 mg/kg KG). Das strukturähnliche Semicarbazid führte in einer Trinkwasserstudie zu erhöhten Lungentumoren und zu Angiosarkomen und Angiomen der Leber bei weiblichen, nicht bei männlichen Mäusen (4).

Wegen fehlender Daten und aufgrund von SAR-Betrachtungen, ist eine Beurteilung, ob Carbohydrazid als Ersatzstoff für Hydrazin geeignet ist, zur Zeit nicht möglich (siehe auch Nr. 6.2 der TRGS 608).

3.3 Diethylhydroxylamin; (CAS-Nr. 3710-84-7)

Als Radikalfänger vermag DEHA die Bildung des photochemischen Smogs zu inhibieren. Es wurde (in den USA) überlegt, die städtische Atmosphäre mit DEHA anzureichern. Vor diesem Hintergrund wurden mit DEHA toxikologische Untersuchungen durchgeführt, um eventuelle Risiken erkennen zu können.

Zur Frage der mutagenen Wirkung sind mehrere Tests durchgeführt worden (SLRL an Dros. melanogaster; DL-Test und MN-Test an der Ratte; Ames-Test mit TA 100 (5, 6). Trotzdem ist es kaum möglich, die mutagene Wirksamkeit von DEHA zu beurteilen, da die verwendete Methodik nur unvollständig beschrieben wurde, gleichzeitig Nitroethan und Diethylaminhydrosulfit verabreicht wurde, oder wesentliche Abweichungen von den validierten Versuchsprotokollen vorgenommen wurden, deren Einfluß auf das Ergebnis schlecht abzuschätzen ist (Expositionsdauer, Untersuchungszeitpunkt etc.).

Auch chronische Inhalationsstudien wurden mit Ratten und Mäusen durchgeführt (7, 8). Neben DEHA waren die Ratten gleichzeitig gegenüber einer unbekannten (wahrscheinlich sehr niedrigen) Konzentration an Diethylhydrosulfit exponiert. Die Testatmosphäre der Mäuse enthielt simultan DEHA, Nitroethan und Diethylhydrogensulfit. Die Exposition dauerte ca. 24 Monate. Die Untersuchung der Überlebenden Ratten erfolgte einige Monate nach Expositionsende, die der Mäuse sofort nach Expositionsende. Bei keiner Spezies konnte eine auffallende Erhöhung der Tumorinzidenzen festgestellt werden. Dieses Ergebnis kann jedoch nicht zur toxikologischen Beurteilung von DEHA herangezogen werden, da die exponierten Tiere nur zum Teil histologisch untersucht wurden und aufgrund des Fehlens sonstiger toxikologischer Effekte zu vermuten ist, daß eine zu niedrige Luftkonzentration gewählt wurde. Weiterhin ist der Einfluß der simultanen Exposition nicht abschätzbar. In einer Trinkwasserstudie wurde Mäusen von der 8. bis 16. Woche DEHA und von der 10. bis 14. Woche zusätzlich B(a)P mit der Schlundsonde verabreicht (9). Trotz widersprüchlicher Angaben in der Publikation, wurden die Tiere wahrscheinlich im Alter von 16 Wochen getötet. Mit diesem Versuch sollte geprüft werden, ob DEHA eine antikanzerogene Wirkung besitzt. Die Inzidenz an Lungentumoren wurde durch DEHA nicht beeinflußt. Insbesondere bei den weiblichen Mäusen wurde durch DEHA eine Inzidenzerhöhung der Magentumore gefunden. Die Ergebnisse erscheinen nicht plausibel, da nach der kurzen Versuchszeit von 8 Wochen ein hoher Prozentsatz der Versuchstiere an Tumoren erkrankt war (Magentumore z.T. > 50 %). Gleiches gilt für B(a)P, das zum ersten Mal 6 Wochen vor Beendigung des Versuches verabreicht wurde.

Von der gleichen Arbeitsgruppe wurden weiterhin reproduktions-toxikologische Untersuchungen an Mäusen nicht simultaner Inhalation von DEHA, Nitroethan und Diethylaminhydrogensulfit publiziert (10, 11). In der Teratogenitätsstudie konnten keine Schäden an den Nachkommen festgestellt werden. Die getestete Luftkonzentration verursachte jedoch auch keine toxischen Effekte bei den Muttertieren.

Auch die als "3-Generationen-Reproduktions-Studie" bezeichnete Untersuchung verlief negativ. Unklar bleibt jedoch, wann und wie lange die F-Generationen exponiert wurden und warum ganze Würfe verworfen wurden. Die Studie kann nicht bewertet werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden:

DEHA wurde, zum größten Teil simultan mit anderen Substanzen, mehreren toxikologischen Tests unterworfen. Wegen verschiedener methodischer Mängel ist eine Bewertung der toxikologischen Eigenschaften nicht möglich, so daß eine Beurteilung, ob DEHA als Ersatzstoff für Hydrazin in Betracht gezogen werden kann, zur Zeit nicht möglich ist.

3.4 Hydrochinon; (CAS-Nr. 123-31-9)

Zu Hydrochinon liegt ein "Toxicity Profile" von BIBRA vor (12). Dieses und die vorläufigen Ergebnisse eines NTP-Versuches, wurden ausgewertet. Hydrochinon verursacht lokale Effekte an Haut und Augen (Reizung, Sensibilisierung, Depigmentierung, Hornhauttrübung). Veränderungen des blutbildenden Systems und verschiedener weiterer Organe wurden bei Versuchstieren beobachtet. Hinweise auf eine Schädigung des Reproduktionssystems von männlichen und weiblichen Ratten liegen vor.

Im Ames-Test zeigte Hydrochinon keine Wirksamkeit, chromosomale Effekte konnten aber in Sängerzellen in-vitro beobachtet werden. In begrenzt aussagefähigen Kanzerogenitätsversuchen mit oraler und dermaler Applikation wurde keine Tumorigenität beobachtet. Hydrochinon wird z.Zt. im Rahmen des NTP mit Schlundsonden-Applikationen auf Kanzerogenität untersucht Entsprechend den vorläufigen Ergebnissen wurden folgende substanzbedingte Tumore beobachtet (13):

  • Ratte, männlich:tubuläre Adenome der Niere
    Ratte, weiblich:mononukleare Leukämie
    Maus, männlich:negativ
    Maus, weiblich:hepatozelluläre Adenome/Karzinome

Der detaillierte NTP-Bericht liegt noch nicht vor, so daß z.Zt. nicht über die Verwendbarkeit von Hydrochinon als Ersatzstoff für Hydrazin entschieden werden kann. Nach Publikation des NTP-Berichtes sollten auch die übrigen toxischen Eigenschaften des Hydrochinons detailliert mit denen des Hydrazins verglichen werden.

3.5 Natriumdithionit (CAS-Nr. 7775-14-6)

In wäßriger Lösung zerfällt Natriumdithionit (frühere Bezeichnung Natriumhyposulfit) in Gegenwart von Sauerstoff zu Hydrogensulfat und Hydrogensulfit im schwach alkalischen Milieu. In schwach saurer Lösung kann Thiosulfat, Disulfat oder Hydrogensulfit entstehen.

Zu Natriumdithionit wird in der Literatur nur ein negatives Ames-Test-Ergebnis berichtet (14). Angesichts der oben erwähnten Instabilität können, zumindest teilweise, die toxikologischen Daten von Natriumsulfit auf Natriumdithionit übertragen werden.

3.6 Natriumsulfit (CAS-Nr. 7757-83-7)

In einer wäßrigen Lösung des Sulfit-Anions stellt sich schnell ein pH-abhängiges Gleichgewicht zwischen hydratisiertem Schwefeldioxid, schwefliger Säure, Hydrogensulfit- und Sulfitionen ein. Eine vergleichbare Reaktion findet statt, wenn gasförmiges Schwefeldioxid in Wasser eingeleitet wird. Vergleichbare Reaktionen dürften im biologischen Material stattfinden. Die toxischen Effekte nach Inhalation von S0 sind in einem EPA-Bericht (15) und der MAK-Begründung ( href="608b.htm#16">16), diejenigen nach oraler Aufnahme in einem WHO-Bericht (17) zusammengefaßt. Nachfolgend wird im wesentlichen auf diese Publikationen Bezug genommen.

Der MAK-Wert von 2 ppm für Schwefeldioxid soll vor Reizerscheinungen, Erhöhung des Atemwegwiderstandes, Verminderung der nasalen mukoziliären Clearance und vor Bronchospasmen bei überempfindlichen Individuen schützen.

In älteren Versuchen zeigten Schwefeldioxid und Hydrogensulfit in mikrobiellen Testsystemen bei unphysiologischen pH-Werten eine mutagene Wirkung. In neueren Ames-Tests waren Natriumsulfit und Natriumhydrogensulfit negativ (18, 19). In-vitro-Untersuchungen an Säugerzellen verliefen negativ (Punktmutationen, Chromosomenaberrationen). Auch in In-vivo-Tests (DL-Test; HT-Test) wurden keine mutagenen Effekte beobachtet.

Nach lebenslanger Inhalation von Schwefeldioxid wurde bei Mäusen eine erhöhte Lungentumorrate beobachtet (0: 31 % vs. 54 %; 0:17 % vs. 43 %). Die Belastungshöhe in diesem Versuch kann jedoch nicht angegeben werden. Inhalation von 10 ppm SO, 6 h/d, über die Lebenszeit, führte bei Ratten nicht zur Bildung von Plattenepithelkarzinomen. Auch in dieser Studie sind methodische Einzelheiten unklar.

Die Verabreichung von K2S2O2 mit dem Trinkwasser verursachte bei Mäusen und Ratten keine Tumoren.

In einer 3-Generationen Reproduktionsstudie an Ratten mit Verabreichung von Na2S2O5 im Futter (0,13/ 0,25/0,5/1,0 oder 2,0 %) war bei den Nachkommen eine verzögerte Körpergewichtsentwicklung zu verzeichnen. Bei Sulfitoxidase-defizienten Ratten (durch Verabreichung von Wolframat) zeigte NaSO keine teratogene Wirksamkeit.

Eine systematische kanzerogene Wirkung von Na2S2O3 ist aufgrund der durchgeführten Versuche nicht zu erwarten. Unsicherheiten bestehen zwar hinsichtlich einer lokalen kanzerogenen Wirkung am Atemtrakt, aus Plausibilitätsüberlegungen (mögliche zytotoxische Wirkung des inhalierten S02 in den Mäuseversuchen, negative Mutagenitätsbefunde) ist jedoch eine derartige Wirkung unwahrscheinlich. Aus toxikologischer Sicht kann Na2S2O3 (und Na2S2O4) als Ersatzstoff für Hydrazin verwendet werden, wenn am Arbeitsplatz die Reizschwelle für S032-/S2O42-SO2 nicht überschritten wird.

3.7 Methylethylketoxim (CAS-NR. 96-29-7)

Methylethylketoxim (MEKO) ist im Abschnitt II b der MAK-Liste aufgeführt. In der zugehörigen "Begründung" wird auf lokale Effekte an Haut und Schleimhäuten hingewiesen; längerfristige Verabreichung (s.c.) führt zu Veränderungen des Blutbildes, Atrophie des lymphatischen Gewebes, Atelektase der Lunge, Emphysen und Bronchopneumonie; ein Hinweis auf Entstehung von Milz-Tumoren besteht.

Auf der Grundlage von Sektion 4(a) TSCA beabsichtigt die EPA, die Durchführung folgender Tests zu verlangen ( 20):

  • pharmakokinetische Untersuchungen

    Tumorigenität

    Mutagenität

    Teratogenität

    Reproduktionstoxizität

    Neurotoxizität

Neben Expositionsabschätzungen führt die EPA hierfür folgende Gründe an:

Pharmakokinetik:ausreichende Untersuchungen liegen nicht vor.
KanzerogenitätMEKO ist strukturell verwandt mit Acetoxim, das gut- und bösartige hepatozelluläre Tumore bei der Maus hervorruft. Darüber hinaus ist MEKO positiv im Maus-Lymphom-Test.
Mutagenität:Neben dem positiven Maus-Lymphom-Test wird auf den möglichen Metaboliten Hydroxylamin hingewiesen, der in verschiedenen Testsystemen mutagene Wirksamkeit zeigte
Reproduktionstoxizität:In einer subchronischen Studie mit MEKO an Ratten (Schlundsonde) tragen hämolytische Anämie und Hodeneffekte auf. Der mögliche Metabolit des MEKO, Hydroxylamin, scheint Störungen des Reproduktionssystems zu bewirken.
Teratogenität:Methylethylketon, ein weiterer möglicher Metabolit des MEKO, verursachte Skelett- und Bindegewebsanomalien.
Neurotoxizität:Entsprechende Daten liegen nicht vor.

Wegen fehlender Daten und weil Verdachtsmomente auf gravierende Wirkungen bestehen, ist zur Zeit eine Beurteilung von MEKO als Ersatzstoff für Hydrazin nicht möglich.

3.8 Tannine (CAS-Nr. 1401-55-4)

Tannine pflanzlichen Ursprungs bestehen aus einer großen Gruppe phenolischer Verbindungen, die als komplexe Mischungen in der Natur weit verbreitet sind. Entsprechend der Bewertung der IARC (21) wurden nach s.c.-Applikation bei Ratten Lebertumore induziert. Nach neueren Untersuchungen führte die s.c.-Applikation von 0,1 g/kg KG Farn-Tannin, einmal pro Woche, während 38 Wochen bei 16/20 Ratten zu lokalen Tumoren (22). Nach oraler Verabreichung mit dem Futter wurden keine Tumoren der Blase oder des GI-Traktes beobachtet.

Bei Mäusen induziert die s.c.-Applikation von Tanninen lokale Sarkome und Lebertumore; keine Wirkung wurde bei der Maus nach i.m.-Injektion beobachtet (21).

Gallussäure (3,4,5-Trihydroxy-benzoesäure), Tannin-Mischung und gereinigtes Tannin, zeigten in den untersuchten S.thyphimurium Stämmen TA 98, TA 100 und TA 1535 keine mutagene Wirksamkeit (23). Nach Injektion induzierte Tannin bei der Ratte im hämatopoetischen System numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen (24).

Tannine sind unzureichend auf toxische Eigenschaften untersucht. Hinweise auf tumorigene Wirksamkeit liegen vor. Eine Beurteilung, ob Tannine als Ersatzstoffe für Hydrazin geeignet sind, ist zur Zeit nicht möglich.

4 Zusammenfassung

Hydrazin wirkt reizend und sensibilisierend. Die gentoxische und kanzerogene Wirkung ist nur schwach ausgeprägt.

Aus toxikologischer Sicht sind z.Zt. für die Verwendung als Ersatzstoff für Hydrazin

4.1 geeignet:

Ammoniumascorbat

In einem Fütterungsversuch mit Ascorbinsäure wurde bei Ratten und Mäusen keine kanzerogene Wirkung beobachtet.

4.2 bedingt geeignet:

Natriumdithionit

Natriumsulfit

In begrenzt aussagefähigen Versuchen wurde nur bei Mäusen nach Inhalation von S0 eine erhöhte Lungentumorinzidenz beobachtet. Da zudem in Kurz-Zeit-Tests negative Befunde erhalten wurden, erscheint eine Übertragung der Mäuseergebnisse auf Menschen unter Arbeitsplatzbedingungen nicht gerechtfertigt.

4.3 Keine Beurteilung möglich, mangels aus reichender Datenlage:

Carbohydrazid

Diethylhydroxylamin

Hydrochinon

Methylethylketoxim

Tannine

Literatur

1) Toxikologisch arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, Hydrazin (1989); Hrsg.: Prof. Dr. D. Henschler, VCH Verlagsgesellschaft, 6940 Weinheim)

2) M. Shibata, M. Yamada, H. Tanaka, M. Kagawa, S. Fukushima; Changes in urine composition, bladder epithelial morphology, and DNA synthesis in male F 344 rats in response to ingestion of bladder tumor promoters; Toxicol. Appl. Pharmacol. 99,37-49 (1989)

3) National Toxicology Program Technical Report No. 247 (1983) NTP Public Information Office National Toxicology Program P.O. Box 122 33 Research Triangle Park, North Carolina 27709

4) IARC Monographs on the evaluation of the carcinogenic risk of chemicals 12, 209-215 (1976)

5) M. Legator, R.E. Kouri, A.S. Parmar, S. Zimmering, C. Putman, R. Latt, J. Heicklen, J.F. Meagher, J. Weaver, N. Kelly Mutagenic testing of Diethylhydroxylamine, Nitroethane, and Diethylarnine Hydrogen Sulfite Environm, Res. 20, 99-124 (1979)

6) R. Münrer, W.G. Filby; Evaluation of the mutagenic effect of N.N.-Diethylhydroxylamine in salmonella typhimurium TA 100; Chemosphere 10, 809-813 (1979)

7) J. Heicklen, J. f. Meagher, J. Weaver, N. Kelly, K. Partymiller, R. Latt, F. Ferguson, C. Putman, W. Sapanski, L. Billups Toxicological testings of rats subjected to inhalation of Diethylhydroxylamine, Nitroethane, and Diethylamine Hydrogen Sulfite Environm, Res. 26, 258-273 (1981)

8) J. Heicklen, R. Lundgard, K. Partymiller Chronic inhalation study of mice subjected to Diethylhydroxylamme, Nitroethane, And Diethylamine Hydrogen Sulfite; Environm, Res. 27, 277-289 (1982)

9) J. Heicklen, T. Wilson, G.D. Miller, E.J. Massaro; The effect of Diethylhydroxylamine on the mdicence of tumors induced by Benzo(a)pyrene in the mouse; Drug. Chem. Toxicol, 7 (4), 315-327 (1984)

10) R.P. Bellies, S. L. Makris, F. Ferguson, C. Putman, W. Sapanski, N. Kelly, K. Partymiller, J. Heicklen; Teratology study in mice subjected to inhalation of Diethylhydroxylamine, Nitroethane, and Diethylamine Hydrogen Sulfite Environm, Res. 17,165-176 (1978)

11) J. Heicklen, K. Partymiller, N. Kelly, W. Sapanski, C. Putmarin, L. H. Billups Three-generation reproduction study in mice subjected to inhalation of Diethylhydroxylamine, Nitroethane, and Diethylamine Hydrogen Sulfite Environm, Res. 20, 450-454 (1979)

12) British Industrial Biological Research Association (BIBRA, Toxicity Profile (1987); Bibra Information Section, Woodmansterne; Road, Carshalton, Surrey SM5 4 DS; Great Britain

13) National toxicology program draft report abstracts for six bioassays, report summary for hydroquinone; CRR 12 (28), 1048-1049 (1988)

14) H. Shirnizu, Y. Suzuki, N. Takemura, S. Goto, H. Matsushita; The results of microbial mutation test for fortythree industrial chernicals; Jpn. J. md. Health 27, 400-419 (1985)

15) Air quality criteria for particulate matter and sulfur oxides, EPA-600/8-82-029; U.S. Envirormental Protection Agency, Office of Research and Development Environmental Criteria and Assessment Office Research Triangle Park, North Carolina 27711

16) Toxikologisch arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, Schwefeldioxid (1981)

17) IPCS-International Programme on Chemical Safety; Toxicological evaluation of certain food addivitives and contaminants; WHO Food Additives Series 28 (1985)

18) S. De Flora, A. Camoirano, P. Zanacchi, C. Bennicelli; Mutagenicity testing with TA 97 and TA 102 of 30; DNA-damagihg compounds, negative with other salmonella strains; Mut Res. 134, 159-165 (1984)

19) M. Ishidate, Jr. T. Sofuni, K. Yoshikawa, M. Hayashi, T. Nohmi, M. Sawada, A. Matsuoka; Primary mutagenicity screening of food additives currently used in Japan; Fd. Chem. Toxicol. 22(8), 623-636 (1984)

20) EPA proposed test rule for Methyl Ethylketoxime and proposed guidelines for pharmacokinetic testing CRR 12(25), 879-880, 889-902 (1988)

21) JARC Monographs on the evaluation of the carcinogenic risk of chemicals 10, 253-262 (1976)