TRGS 530 - TR Gefahrstoffe 530

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Abschnitt 3 TRGS 530 - Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1
Verantwortung

Die Gesamtverantwortung für die Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen durch Gefahrstoffe am Arbeitsplatz liegt beim Arbeitgeber. Er hat dafür zu sorgen, dass sie sachgerecht durchgeführt werden. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein.

3.2
Vorgehensweise

(1) In § 6 der Gefahrstoffverordnung werden die folgenden Schritte zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdung durch Gefahrstoffe gefordert:

  1. 1.

    Beschaffen der Informationen über die verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse,

  2. 2.

    Ermitteln der Gefahrstoffe und der Stoffe mit unbekannten bzw. unzureichend bekannten Eigenschaften,

  3. 3.

    Prüfen des Einsatzes von Ersatzverfahren und Ersatzstoffen (Substitution),

  4. 4.

    Erstellen des Gefahrstoffverzeichnisses,

  5. 5.

    Ermittlung von Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege, hierzu gehört z. B. die Ermittlung der Dauer von Feuchtarbeit,

  6. 6.

    Beurteilung der Gefährdungen,

  7. 7.

    Ergreifen von Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der Gefährdungsbeurteilung,

  8. 8.

    Wirksamkeitsüberprüfung (z. B. Kontrolle der getroffenen Maßnahmen),

  9. 9.

    Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge berücksichtigen.

(2) Eine Arbeitshilfe zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Friseurhandwerk kann bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bezogen werden (siehe Literatur [16]); für Maskenbildnereien hat die Unfallkasse Nord eine entsprechende Arbeitshilfe erstellt (siehe Literatur [17]).

(3) Die notwendigen Informationen zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sind in der Regel in den Sicherheitsdatenblättern nach Artikel 31 und Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) enthalten. Für Produkte ohne Sicherheitsdatenblatt müssen entsprechende Informationen über den Lieferanten bzw. Hersteller bezogen werden (vgl. § 6 Absatz 2 GefStoffV).

(4) Da insbesondere Friseurkosmetika ohne Sicherheitsdatenblatt geliefert werden, hat es sich bewährt, Warnhinweise und Gebrauchsanweisungen der Hersteller zu beachten sowie andere Informationsquellen zu nutzen (siehe z. B. Literatur [22]). In Zweifelsfällen wird empfohlen, beim Hersteller fehlende Informationen einzuholen.

3.3
Ersatzstoffe und -verfahren (Substitution)

(1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die durch einen Gefahrstoff bedingte Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit durch die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maßnahmen beseitigt oder auf ein Mindestmaß verringert wird. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, hat der Arbeitgeber bevorzugt Gefahrstoffe oder Verfahren durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse oder Verfahren zu ersetzen, die unter den jeweiligen Verwendungsbedingungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind. Der Verzicht auf eine mögliche Substitution ist in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung zu begründen.

(2) Dauerwellmittel, die Ester der Thioglykolsäure enthalten (sog. saure Dauerwelle), dürfen nicht angewandt werden. Sie sind durch Mittel mit nicht sensibilisierenden Inhaltsstoffen oder, wenn solche noch nicht zur Verfügung stehen, mit weniger stark sensibilisierenden Stoffen (z. B. Salzen der Thioglykolsäure) zu ersetzen.

(3) Ist der Einsatz weniger gefährlicher Ersatzstoffe nicht möglich, hat der Arbeitgeber nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 GefStoffV zu prüfen, ob die vorgesehenen Stoffe oder Gemische in expositionsarmer Verwendungsform eingesetzt werden können. Staubende Haarkosmetika (z. B. Blondiermittel, Farben, etc.) sind zu vermeiden und Produkte zu bevorzugen, die bei bestimmungsgemäßen Tätigkeiten keinen sichtbaren Staub aufweisen (z. B. Granulate, Pasten, Gele, ölversetzte oder "schwere" Pulver bzw. Creme-Pulver). Hat die Ermittlung des Arbeitgebers ergeben, dass die Stoffe oder Gemische in expositionsarmer Verwendungsform verfügbar sind, hat er diese zu verwenden.

(4) Sind Ersatzstoffe ohne sensibilisierende Wirkung nicht verfügbar, ist zu prüfen, ob Produkte erhältlich sind, die ein geringeres sensibilisierendes Potenzial besitzen. Solche Produkte sind dann einzusetzen.

(5) Arbeitsgeräte (z. B. Clips, Pinzetten), die bei längerem Hautkontakt Nickel an die Haut abgeben können, sind ungeeignet. Auf die Bedarfsgegenständeverordnung (§ 6 BedGgstVO) wird hingewiesen.

(6) Portionsspender sowie geeignete Behältnisse zur Verdünnung von Konzentraten sind zu verwenden.

(7) Gepuderte Naturgummilatexhandschuhe sind wegen der Gefahr einer Latexallergie durch andere geeignete Schutzhandschuhe zu ersetzen (vergleiche Abschnitt 4.4 Absatz 2). Insbesondere sollte bei vorgeschädigter Haut auf die Verwendung von Latexhandschuhen zugunsten anderer geeigneter Schutzhandschuhe (Vinyl, Nitril, etc.) gänzlich verzichtet werden.

(8) Produkte, die nicht den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung entsprechen, dürfen nicht eingesetzt werden und müssen durch andere Produkte ersetzt werden. Dies gilt auch für noch vorhandene Altbestände solcher Produkte. Ein Produkt entspricht nicht den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung, wenn das Etikett verpflichtende Angaben (s. Anhang) nicht enthält.

3.4
Gefahrstoffverzeichnis

(1) Der Arbeitgeber hat ein Verzeichnis der im Betrieb vorhandenen Gefahrstoffe zu führen, in dem auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter bzw. Herstellerinformationen verwiesen wird. Dies gilt nicht für Gefahrstoffe, die bei den vorgesehenen Tätigkeiten nur zu einer geringen Gefährdung der Beschäftigten führen. Die BGW hat hierzu eine Ausfüllhilfe erstellt (siehe Literatur [18]).

(2) Das Gefahrstoffverzeichnis hat den Zweck, einen Überblick über die im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe zu geben. Das Verzeichnis kann als eine Grundlage für die tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung, die Erstellung von Betriebsanweisungen und die Festlegung von Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz dienen.

3.5
Gefährdungsbeurteilung

(1) Auf der Grundlage der ermittelten Informationen zu den stofflichen Gefahren der verwendeten Produkte und zur Art und Weise der vorgesehenen Tätigkeiten sind die damit verbundenen dermalen, inhalativen und physikalisch-chemischen Gefährdungen (Brand- und Explosionsgefahren) unabhängig voneinander zu beurteilen und in der Gefährdungsbeurteilung zusammen zu führen.

(2) Die Gefährdungsbeurteilung muss insbesondere die folgenden friseurtypischen Tätigkeiten berücksichtigen:

  1. 1.

    Haarwäsche und Pflege,

  2. 2.

    Farbveränderungen,

  3. 3.

    Dauerwellen und Haarglättung,

  4. 4.

    Styling,

  5. 5.

    Haarverlängerung und -verdichtung, inkl. Entfernung,

  6. 6.

    Nassreinigung bzw. Desinfektionsarbeiten.

(3) Die BGW hat die speziellen Gesundheitsgefährdungen bei friseurtypischen Tätigkeiten mit den üblicherweise verwendeten Produktgruppen in einer Arbeitshilfe zusammengefasst (siehe Literatur [18]). Sie kann als Vorinformation für die eigene betriebsbezogene Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden. Für Maskenbildnereien hat die Unfallkasse Nord eine entsprechende Information erstellt (siehe Literatur [17]).

(4) Die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren. Hierzu können die in Abschnitt 3.2 Absatz 2 genannten Arbeitshilfen der BGW und der Unfallkasse Nord verwendet werden, wenn diese ergänzt werden durch:

  1. 1.

    das Ergebnis der Prüfung auf Möglichkeiten zur Substitution mit Begründung (siehe TRGS 600 "Substitution"),

  2. 2.

    den Hinweis, dass die in Abschnitt 4 aufgeführten Schutzmaßnahmen angewendet und auf ihre Wirksamkeit geprüft worden sind und

  3. 3.

    den Zeitpunkt der Gefährdungsbeurteilung und den Namen der verantwortlichen Person.

(5) Die jeweilige Gefährdung durch Reinigungs- und Desinfektionsmittel und andere Arbeitsstoffe muss individuell nach den Vorgaben der TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen", TRGS 401 "Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen" und TRGS 402 "Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition" beurteilt werden.

3.6
Dermale Gefährdungen

(1) Von Feuchtarbeit geht im Friseurhandwerk eine hohe Gefährdung aus, da Feuchtigkeit die Schutzfunktion der Haut gegenüber irritativ oder sensibilisierend wirkenden Stoffen schwächt.

(2) Häufige Kontakte der Haut mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten, häufiges Händewaschen - auch im Wechsel mit dem Tragen flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe - kann zu irritativen Hautschädigungen führen und die Entwicklung von Sensibilisierungen (Allergien) begünstigen.

(3) Mit gehäuften Schädigungen ist insbesondere bei einer täglichen Feuchtarbeit über mehrere Stunden zu rechnen. Typische Feuchtarbeiten im Friseurhandwerk sind z. B. das Haarewaschen und das Behandeln (Schneiden, Legen, etc.) von feuchten Haaren.

(4) Das ununterbrochene Tragen oder die unsachgemäße Anwendung flüssigkeitsdichter Schutzhandschuhe kann zusätzlich die Entwicklung von Hautschädigungen begünstigen.

(5) Haarkosmetika können bei gehäuftem, ungeschütztem Hautkontakt oder sonstiger unsachgemäßer Verwendung (nicht wie vom Hersteller oder im Sicherheitsdatenblatt beschrieben) zu irritativen Hautschädigungen und Sensibilisierungen (Allergien) führen. Dies bezieht sich auf Produkte zur Haarwäsche und -pflege, Haarfärbemittel (diese können z. B. enthalten: p-Phenylendiamin, p-Toluylendiamin, Wasserstoffperoxid), Haarbleich- und Haarentfärbungsmittel (diese können z. B. enthalten: Persulfate, Wasserstoffperoxid), Dauerwellflüssigkeiten (diese können z. B. enthalten: Thioglykolate, Fixiermittel, Wasserstoffperoxid), Haarglättungsmittel (diese können entweder Alkali-/Erdalkalihydroxide oder Thioglykolate enthalten) und Stylingmittel (diese können z. B. sensibilisierende Konservierungsmittel enthalten). Es gibt auch Hinweise auf die sensibilisierende Wirkung von pflanzenbasierten Färbemitteln (z. B. kann Hennafarbe p-Phenylendiamin zum Abdunkeln und zur Farbintensivierung enthalten).

(6) Ferner können auch Reinigungs- und Desinfektionsmittel bei häufigem Hautkontakt oder unsachgemäßer Verwendung irritative Hautschädigungen und Sensibilisierungen (Allergien) verursachen.

(7) Bestimmte, im Friseurhandwerk vorkommende Stoffe (wie z. B. Persulfate, Wasserstoffperoxid, Desinfektionsmittel) können bei unsachgemäßer Verwendung auch aerogen (luftgetragen) zu irritativen Hautschädigungen und Sensibilisierungen (Allergien) führen.

(8) Weitere Hilfestellungen zur Beurteilung des Ausmaßes einer Hautgefährdung und zur Auswahl notwendiger Schutzmaßnahmen sind in der TRGS 401 enthalten.

3.7
Inhalative Gefährdungen

(1) Die Verwendung von Stylingmitteln, insbesondere die Verwendung von Haarsprays, kann zu Belastungen der Atemwege führen. Hingegen zeigen Untersuchungen [23], dass mit einer Überschreitung von Arbeitsplatzgrenzwerten gegenüber alkoholischen Inhaltsstoffen (Ethanol, 2-Propanol) bei branchenüblichen Tätigkeiten mit Haarspray und bei der in dieser TRGS für den Regelfall geforderten Mindestlüftungsmenge (Abschnitt 4.2) nicht zu rechnen ist.

(2) Beim Einsatz von nicht staubenden Blondierungsmitteln ist mit einer relevanten inhalativen Belastung durch Persulfate in der Regel nicht zu rechnen.

3.8
Physikalisch-chemische Gefährdungen (Brand- und Explosionsgefahren)

(1) Bei Anwendung von Aerosolpackungen (Spraydosen) mit einem leicht oder extrem entzündbaren Treibmittel, z. B. Propan bzw. Butan, bzw. von alkoholbasierten Desinfektionsmitteln können Brand- und Explosionsgefahren im Arbeitsbereich auftreten, wenn die freigesetzten Tröpfchen bzw. der Dampf in der Luft eine nach TRGS 721, Abschnitt 3.4.3 Absatz 2 gefahrdrohende Menge an explosionsfähiger Atmosphäre bilden.

(2) Die Bereithaltung entzündbarer Produkte in Verkaufsständen im Verkaufsraum sowie die Lagerung in den jeweiligen Räumen erhöhen die Brandlast.

(3) Zu den erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduzierung der Brand- und Explosionsgefahren siehe Abschnitt 4.3.