TRGS 505 - TR Gefahrstoffe 505

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Abschnitt 3 TRGS 505 - Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung

3.1 Informationsermittlung

(1) Bei Tätigkeiten mit Blei und Bleiverbindungen ist zu beachten, dass nur ein Teil der individuellen Belastung der Beschäftigten durch Einatmen von Bleistäuben und Bleirauchen verursacht wird. Trotz einer nur geringen Konzentration von Blei in der Luft am Arbeitsplatz kann der Biologische Grenzwert (BGW) überschritten werden. Ein wesentlicher Teil der Belastung kann durch orale Aufnahme über Hand-Mund-Kontakt infolge mangelnder Hygiene verursacht werden, während die dermale Aufnahme vernachlässigt werden kann. Die Hygiene umfasst betriebliche und persönliche Sauberkeit sowie persönliche Verhaltensweisen.

(2) In der "Begründung zu Blei in TRGS 903" [6] wird darauf hingewiesen, dass der Gehalt an Blei im Blut von exponierten Beschäftigten eine unzureichende Korrelation mit Blei in der Luft am Arbeitsplatz aufweist, so dass ein Arbeitsplatzgrenzwert in der Luft nicht belastbar abgeleitet werden kann. Daher ist in Deutschland kein eigener Arbeitsplatzgrenzwert in der Luft festgelegt.

(3) Die RL 98/24/EG legt einen bindenden Luftgrenzwert von 150 μg Blei/m3 fest, der somit als maximale Obergrenze in der Luft am Arbeitsplatz zu betrachten ist. Dieser Wert ist nicht gesundheitsbasiert und entspricht zudem nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik. Es besteht keine Korrelation zwischen Luftmesswerten und Wirkungsdaten. Darüber hinaus ist auch die Auslöseschwelle der ArbMedVV für eine Pflichtvorsorge keine gesundheitsbasierte Luftkonzentration.

(4) Zur Bewertung der Exposition und Erfordernis weiterer Schutzmaßnahmen ist die Umsetzung des Standes der Technik zu prüfen. Dabei sind alle Aufnahmewege in den Körper zu berücksichtigen.

(5) Durch die Messung der Luftkonzentration kann aber eine Bezugsgröße ermittelt werden:

  1. 1.

    Um frühzeitig sich ändernde Arbeitsbedingungen zu erkennen und bei sich erhöhenden Konzentrationen rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen,

  2. 2.

    um die Wirksamkeit von technischen Maßnahmen zu kontrollieren und

  3. 3.

    um zu ermitteln, ob der Arbeitgeber eine Pflichtvorsorge nach ArbMedVV zu veranlassen hat.

(6) Tätigkeiten mit Blei und Bleiverbindungen nach dem derzeitigen Stand der Kenntnisse sind insbesondere:

  1. 1.

    Verhütten von Bleierzen und Bleikonzentraten (Primär-Bleihütten),

  2. 2.

    Recycling bleihaltiger Abfälle und Sekundärrohstoffe (Primär/Sekundär-Bleihütten),

  3. 3.

    Raffinieren von Blei,

  4. 4.

    Transportieren, Lagern und Stapeln von Blei in Barren, Blechen, Stangen, Altbatterien u. ä.,

  5. 5.

    Verladen und Abfahren bleihaltiger Krätze, Asche oder anderen staubenden Materials sowie Entleeren der Behälter,

  6. 6.

    Handhaben und Verladen von Bleiverbindungen in geschlossenen Gebinden,

  7. 7.

    Herstellen und Verarbeiten von Bleibronzen, Bleipigmenten, Bleiglasuren, Bleipulvern und staubenden Bleiverbindungen,

  8. 8.

    Verwendung pulverförmiger Bleiverbindungen bei der Herstellung von Farben (Restaurierung), Elektronikbauteilen (Piezokeramik), Sinterteilen, Akkumulatoren und Gegenständen aus Kunststoff,

  9. 9.

    Schmelzen und Gießen von Blei und Bleilegierungen.

  10. 10.

    Herstellen, Transportieren und Einbauen von Ladungsträgern in der Akkumulatorenindustrie,

  11. 11.

    Erzeugung, Schmelzen und Gießen bleihaltiger Legierungen wie Automatenstahl, Kupferlegierungen usw.,

  12. 12.

    Bearbeiten von Blei und Bleilegierungen durch mechanische (z. B. Schleifen, Bürsten, Polieren und Strahlen) oder thermische Verfahren,

  13. 13.

    Wärmebehandlung von Stahldrähten und -bändern,

  14. 14.

    Homogenverbleien,

  15. 15.

    Herstellung von bleihaltigen Geschossen,

  16. 16.

    Instandsetzungs-, Reinigungs- und Revisionsarbeiten in bleierzeugenden, verarbeitenden und -verwendenden Bereichen,

  17. 17.

    Weichlöten mit bleihaltigen Loten,

  18. 18.

    Herstellung und Bearbeitung von Orgelpfeifen,

  19. 19.

    Verwenden von Blei zum Biegen von Schallstücken für die Herstellung von Blechblasinstrumenten,

  20. 20.

    Dacheindeckungen mit bleihaltigen Werkstoffen,

  21. 21.

    Glasmalarbeiten, Bleiverglasungen (insbesondere bei Restaurierung historischer Bleiverglasungen),

  22. 22.

    Auftragen bleihaltiger Dekorfarben auf Emaille, Glas und Keramik in Form von Pasten oder von erstarrten Thermoplasten,

  23. 23.

    Verarbeiten von Pasten mit bleihaltigen Pigmenten und bleihaltiger Dekorfarben als Siebdruckpasten oder Thermoplaste,

  24. 24.

    Anrichten und Einlegen von Bleiglasgemengen,

  25. 25.

    Auftragen bleihaltiger Anstrichstoffe (Restaurierung) oder anderer bleihaltiger Produkte im Spritzverfahren,

  26. 26.

    Verwenden bleihaltiger Explosivstoffe (Munition und Spezialsprengmaterial), Überwachen von Schießübungen mit bleihaltiger Munition und Reinigen von Plätzen (u. a. Schießstände), auf denen bleihaltige Materialien angewandt wurden,

  27. 27.

    Entfernen bleihaltiger Beschichtungen z. B. durch Abbrennen, mittels abrasiver Verfahren (z. B. Bürsten, Schleifen, Polieren, Strahlen und Nadeln) oder durch Abbeizen,

  28. 28.

    Entfernen bleihaltiger Bauteile bzw. bleihaltiger Baustoffe bei der Sanierung bzw. Abriss von Gebäuden,

  29. 29.

    Schweißen und Brennschneiden von Metallteilen mit bleihaltigen Beschichtungen,

  30. 30.

    Zerlegung bleihaltiger Altgeräte (z. B. Elektro- und Elektronikgeräte).

(7) Neben den Beschäftigten eines Betriebes sind weitere Personengruppen in die Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung (siehe Abschnitt 4.2 Absatz 3) miteinzubeziehen. Hierzu gehören u. a.:

  1. 1.

    Betriebsfremde Instandhalter und Handwerker,

  2. 2.

    Reinigungspersonal,

  3. 3.

    Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung,

  4. 4.

    Beschäftigte im Wäschetransportservice und in Wäschereien von bleikontaminierten Textilien,

  5. 5.

    Reinigungskräfte von Atemschutzgeräten und weiterer persönlicher Schutzausrüstung.

(8) Weiterhin gelten die Festlegungen zur Zusammenarbeit verschiedener Firmen nach § 15 GefStoffV hinsichtlich Qualifikation, gegenseitiger Information, Abstimmung und Koordination.

3.2 Gefährdungsbeurteilung

(1) Die Gefährdungsbeurteilung ist von fachkundigen Personen durchzuführen.

(2) Der Arbeitgeber hat zu prüfen und zu dokumentieren, ob auf Blei und Bleiverbindungen verzichtet werden kann. Diese Substitutionsprüfung muss sich auf Blei und Bleiverbindungen und auf Arbeitsverfahren beziehen. Bei technisch geeigneten Alternativen sind diese anzuwenden.

(3) Für alle Tätigkeiten mit Blei und Bleiverbindungen, insbesondere den unter Abschnitt 3.1 Absatz 2 und 3 aufgeführten Tätigkeiten, ist eine Gefährdungsbeurteilung vom Arbeitgeber nach § 6 GefStoffV unter besonderer Berücksichtigung der stoffspezifischen Gefährdungen und Aufnahmewege für Blei zu erstellen.

(4) Bei Tätigkeiten mit Blei und Bleiverbindungen sind die konkreten Schutzmaßnahmen im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV festzulegen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bei Einhaltung des BGW eine Gefährdung für das ungeborene Kind nicht ausgeschlossen werden kann. Auf die Regelungen zu besonderen Personengruppen in Abschnitt 7 wird verwiesen.

(5) Für den Fall, dass mehrere Unternehmen zusammenarbeiten, haben die Unternehmer (Auftraggeber und Auftragnehmer) zusammenzuwirken und Schutzmaßnahmen abzustimmen.

(6) Werden Tätigkeiten mit Blei und Bleiverbindungen entsprechend einem VSK nach TRGS 420 (siehe Verzeichnis der vom AGS als Verfahrens- und stoffspezifisches Kriterium (VSK) anerkannten, standardisierten Arbeitsverfahren) ausgeübt, so kann davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen der GefStoffV zum Schutz der Beschäftigten umgesetzt werden.

(7) In der Gefährdungsbeurteilung ist die mögliche Kontamination der Arbeits- und Schutzkleidung sowie von Arbeitsmitteln und eine mögliche Verschleppung der Kontamination in ungefährdete Bereiche zu berücksichtigen.

(8) Die Wirksamkeit der technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen ist zu überprüfen. Ziel ist, dass der Biologische Grenzwert (BGW) unterschritten wird.

(9) Die Wirksamkeit technischer Schutzmaßnahmen kann insbesondere durch Messung der Konzentration von Blei in der Luft am Arbeitsplatz regelmäßig überprüft werden, siehe hierzu Abschnitt 3.1 Absatz 2 bis 5 und Literatur [12].

(10) Bei der Gefährdungsermittlung und -beurteilung sowie bei der Wirksamkeitskontrolle sind die Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge im Sinne von § 6 Absatz 4 ArbMedVV, insbesondere aus dem Biomonitoring, soweit diese vorliegen, zu berücksichtigen. Das Recht auf die Einsicht in individuelle Untersuchungsergebnisse kann der Arbeitgeber aus dieser Vorgabe jedoch nicht ableiten. Bei arbeitsmedizinischen Analysen in biologischem Material müssen der Stand der Technik und die Qualitätskriterien beachtet werden (siehe AMR 6.2).

(11) Die Beteiligung der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung ist wegen der besonderen Bedeutung des Biomonitorings grundsätzlich erforderlich. Die Beteiligung der Ärztin oder des Arztes kann je nach den Gegebenheiten unterschiedlich ausgeprägt sein und reicht von schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen bis zum Erstellen der Gefährdungsbeurteilung im Auftrag des Arbeitgebers (siehe AMR 3.2). Im Vordergrund der Beteiligung des Betriebsarztes an der Gefährdungsbeurteilung steht das Einbringen arbeitsmedizinischen Sachverstandes. Die Ärztin oder der Arzt berät den Arbeitgeber insbesondere

  1. 1.

    zu akut und chronisch schädigenden Eigenschaften von Blei und Bleiverbindungen,

  2. 2.

    zu den Aufnahmewegen,

  3. 3.

    zur Bedeutung der Arbeitsschwere bei der Beurteilung der inhalativen Belastung,

  4. 4.

    zur Hygiene,

  5. 5.

    zur arbeitsmedizinischen Vorsorge und insbesondere zur Bedeutung von Biomonitoring,

  6. 6.

    zur persönlichen Schutzausrüstung sowie zu Belastungen durch das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung,

  7. 7.

    zu unzulässigen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für besondere Personengruppen (siehe Abschnitt 7).

(12) Ergeben die Gefährdungsbeurteilung sowie Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizinischen Vorsorge, dass bei Tätigkeiten keine Exposition gegenüber Blei und Bleiverbindungen besteht, sind keine ergänzenden Maßnahmen nach Maßgabe dieser TRGS erforderlich. Keine Exposition bedeutet, dass Blei in der Luft am Arbeitsplatz mit dem Standardverfahren zur Analyse von Blei und Bleiverbindungen nach DGUV Information 213-573 unterhalb der Bestimmungsgrenze liegt, keine dermale oder orale Exposition besteht und keine Kontamination mit Blei und Bleiverbindungen z. B. über die Arbeitskleidung möglich ist. Dies kann z. B. bei der spanenden Bearbeitung von bleihaltigen Legierungen wie z. B. Automatenstählen oder Kupferlegierungen mit Einsatz von Kühlschmierstoffen der Fall sein.