Dass Belästigungen sexueller Art in der modernen Arbeitswelt leider zum Alltag gehören, wissen vor allem Frauen aus persönlicher Erfahrung. Innerhalb der EU sind nämlich fast die Hälfte aller weiblichen Berufstätigen während der Arbeitszeit schon einmal auf irgendeine Weise sexuell bedrängt worden, wie eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO belegt. Aber auch Männer können Opfer werden.
Damit Betroffene erfolgreich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorgehen können, müssen sie einerseits wissen, dass niemand mit diesem Problem alleine dasteht, und andererseits von vornherein die richtigen Strategien anwenden. Wer betroffen ist, sollte unverzüglich Abwehrmaßnahmen ergreifen, denn in den meisten Fällen bleibt es nicht bei nur einem Vorfall.
Übergriffe nicht unter den Teppich kehren
Der Tatbestand einer sexuellen Belästigung wird im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert als »ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören«.
Auch wenn die im Arbeitsalltag erlebte Situation den juristisch formulierten Kriterien nicht auf den ersten Blick entspricht, so wird das Überschreiten von Grenzen doch subjektiv meist in aller Deutlichkeit empfunden. Fühlt sich also eine Mitarbeiterin beispielsweise durch unverschämte Blicke, verbale sexuelle Anspielungen oder gar indiskrete Berührungen ihres männlichen Kollegen irritiert, so hat sie durchaus das Recht, dies als sexuelle Belästigung anzusehen. Auch ein obszöner Bildschirmschoner auf dem Monitor oder im Büro unübersehbar platzierte Kalender und Magazine mit erotischem Inhalt können den Tatbestand erfüllen.
Zusätzlicher psychischer Druck entsteht dadurch, dass solche Belästigungen oft von Vorgesetzten ausgehen und das Opfer daher berufliche Nachteile befürchten muss, falls es sich zur Wehr setzt oder noch eindeutigere Avancen ablehnt. So scheint es verständlich, dass die Betroffenen zunächst mit Sprachlosigkeit reagieren. Es empfiehlt sich jedoch dringend, den Vorfall nicht zu verschweigen, sondern schnellstmöglich andere Mitarbeiter, Freunde und die Familie ins Vertrauen zu ziehen.
Sofortmaßnahmen gegen sexuelle Aufdringlichkeit
Das Eingeständnis, mit sexueller Belästigung konfrontiert zu sein, fällt in der Regel nicht leicht. Dennoch ist es wichtig, diesen Sachverhalt schnell zu akzeptieren und unverzüglich sowie offensiv darauf zu reagieren. Am besten wird eine Aufdringlichkeit sofort verbal zurückgewiesen, und zwar energisch und so laut, dass idealerweise andere Kolleg(inn)en es ebenfalls hören können. Doch selbst wenn sonst niemand anwesend ist, sollte der Belästiger zur Rede gestellt und gegebenenfalls mit einer Beschwerde bedroht werden. Wer als Betroffener die mündliche Auseinandersetzung scheut, kann den betreffenden Kollegen alternativ per E-Mail oder Brief auf sein Fehlverhalten ansprechen.
Ansprechpartner im Unternehmen
Kann die Angelegenheit nicht in direkter Aussprache geregelt werden, empfiehlt sich zunächst ein beratendes Gespräch mit Arbeitskollegen, denen man vertraut, und dann gegebenenfalls eine Beschwerde an direkte Vorgesetzte, den Betriebs- oder Personalrat oder die Gleichstellungsbeauftragte im Unternehmen. Wenn die Belästigungen von einem Vorgesetzten ausgehen, sollte wiederum dessen Chef kontaktiert werden, oder die zuständigen Betriebsstellen werden direkt in Kenntnis gesetzt.
Arbeitgeber in der Pflicht
Laut Gleichbehandlungsgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Angestellten vor jedweder Diskriminierung zu schützen. Das schließt den Schutz vor sexuellen Belästigungen ein - auch dann, wenn sie von Lieferanten, Vertragspartnern oder Kunden ausgehen. Täter müssen mit Abmahnung, Versetzung oder Kündigung rechnen. Opfer sollten genau über dieses Gesetz informiert sein und wissen, an wen sie sich im Beschwerdefall wenden können.
Wenn ein Unternehmen seine Belegschaft hinreichend sensibilisiert und bei den Mitarbeitern aller Ebenen Klarheit schafft über die weitreichenden Konsequenzen sexueller Belästigung, so können interne Lösungen mit Sicherheit eine juristische Aufarbeitung obsolet machen und so wertvolle Arbeitsverhältnisse aufrecht erhalten, sowie ein gutes Betriebsklima zukunftssicher stabilisieren.
Lesen Sie weiterführend zu dem Thema auf refrago.de: Sexismus-Debatte: Welche arbeitsrechtlichen und sonstigen Konsequenzen hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Quelle/Text: stern.de, Dr. Frank Walpuski, Redaktion arbeitssicherheit.de
Foto: @ Jeanette Dietl - Fotolia.com
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