Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

»Gefährdungsbeurteilungen sind ein Patentrezept, um Arbeitsunfälle vorzubeugen«

Mit Gefährdungsbeurteilungen lassen sich Risiken minimieren.

Für die Holz und Metall verarbeitende Branchen gibt es gute Nachrichten: Es kommt immer seltener zu Arbeitsunfällen. arbeitssicherheit.de hat mit Christoph Preuße, dem Präventionsleiter der BGHM darüber gesprochen, welche Berufe besonders häufig von Arbeitsunfällen betroffen sind, was die häufigste Unfallursache ist und was Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Risikominimierung beitragen können.

arbeitssicherheit.de: Herr Preuße, die Arbeitsunfallstatistik für die Holz und Metall verarbeitende Branche für das vergangene Jahr fiel positiv aus. Ist ein allgemeiner Trend abzulesen, dass es immer seltener zu Arbeitsunfällen kommt?

Christoph Preuße: Ja, wir haben in der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in der Tat einen erfreulich positiven Trend hin zu weniger Unfällen zu verzeichnen. Im Jahr 2014 ereigneten sich rund 4.000 meldepflichtige Unfälle weniger als im Vorjahr, insgesamt 174.708. Generell hat sich die Unfallzahl in den vergangenen 14 Jahren um 35 Prozent, bei den tödlichen Unfällen sogar um 46 Prozent reduziert. Das ist der nachhaltigen Präventionsarbeit der Unternehmen und der Experten der Unfallversicherungsträger zu verdanken. Insbesondere die gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorgaben wie zum Beispiel die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung tragen aus unserer Sicht maßgeblich dazu bei, Arbeitsunfälle zu verhindern.

Welche Berufe sind denn besonders häufig von Arbeitsunfällen betroffen?

Das lässt sich im Einzelnen schwer sagen. Als BGHM sehen wir Schwerpunkte in den verschiedenen Branchen. Hier muss man zwischen industrieller Arbeit und Handarbeit unterscheiden. Generell ereignen sich bei Handarbeit relativ gesehen mehr Unfälle als im industriellen Umfeld oder im Büro. Unsere Präventionsarbeit fokussiert sich daher insbesondere auf einzelne Bereiche der Holzbe- und -verarbeitung, den Heizungsbau und auf den Stahlbau. Doch natürlich ist es in allen Bereichen wichtig, den betrieblichen Gesundheitsschutz stets im Blick zu haben und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit umzusetzen.

Und was ist die häufigste Unfallursache in diesen Branchen?

Es gibt verschiedene Ursachen für Arbeitsunfälle: Häufig passieren sie, weil Informationen nicht oder falsch weitergegeben werden. Dies deutet meistens auf fehlerhafte Strukturen innerhalb der betrieblichen Organisation hin. Unfälle ereignen sich auch, wenn Beschäftigte mit ihrem Handwerkszeug improvisieren oder Schutzeinrichtungen manipulieren. Grund dafür können schwer einzuhaltende zeitliche Vorgaben oder mangelnde Kenntnis der betroffenen Personen im Arbeits- und Gesundheitsschutz sein.

Gibt es eine Art »Patentrezept«, um die Risiken für das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter in diesen Branchen auf ein Minimum zu reduzieren?

Seit 1996 ist im Arbeitsschutzgesetz festgelegt, dass Unternehmer eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen. Diese lässt sich als »Patentrezept« herausstellen, um Arbeitsunfällen vorzubeugen und Gesundheitsrisiken zu minimieren. Aus der Gefährdungsbeurteilung lassen sich alle sinnvollen betrieblichen Vorkehrungen zur Arbeitssicherheit ableiten. Wird ihre Erstellung von Unternehmern als Chance begriffen, können sie das Unfallgeschehen in ihrem Betrieb somit auf ein Minimum reduzieren.

Was kann der Angestellte tun, um seine Verletzungsgefahr zu verringern?

Hier betrachten wir zwei Seiten. Einerseits sollten die Mitarbeiter immer mit offenen Sinnen an die Arbeit gehen, Gefahren erkennen und Sicherheitsrisiken verringern. Dazu gehört natürlich auch, neue Informationen über Arbeitsabläufe aufzunehmen und sie anzuwenden. Auf der anderen Seite sollten Beschäftigte in Situationen, die nicht einfach zu überschauen sind, stets ihre Vorgesetzten fragen. Diese erteilen dann die nötige Unterweisung zum sicheren Arbeiten.

Wie lässt sich das Bewusstsein für die Eigenverantwortung bei Mitarbeitern soweit schärfen, dass sie sich trauen gegebenenfalls die Verringerung von Sicherheitsrisiken auch beim Arbeitgeber einzufordern?

Dies ist ein innerbetrieblicher Prozess, der auch von allen Seiten bereits angelegt und größtenteils gelebt wird. Mitarbeiter werden dabei von Betriebsrat, Sicherheitsbeauftragten, Fachkräften für Arbeitssicherheit, Betriebsärzten und den Vorgesetzten unterstützt. Eine offene Präventionskultur im Unternehmen erleichtert es, das Bewusstsein der Geschäftsführung und auch der Belegschaft für Arbeits- und betrieblichen Gesundheitsschutz zu schärfen. Die BGHM verleiht zum Beispiel regelmäßig einen Sicherheitspreis an Beschäftigte, die Ideen zur besseren Arbeitssicherheit in ihren Betrieben entwickeln und umsetzen. Somit werden die Versicherten dazu motiviert, sich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Investitionen in den Arbeitsschutz sind ja auch oftmals mit Kosten verbunden? Welche Argumente (monetärer bzw. sicherheitssteigernder Art) können Arbeitgeber dazu bewegen, über das „normale Maß" hinaus, in präventive Maßnahmen zu investieren?

Allgemein kann man sagen, dass sich Investitionen in den Arbeitsschutz für den Unternehmer gleich mehrfach auszahlen: Wenn weniger Arbeitsunfälle geschehen, verringert dies die Ausfallzeiten der Beschäftigten und fördert ihre Motivation im betrieblichen Alltag. Mit einer Steigerung der Produktivität erhöht sich wiederum die Qualität der Produkte bzw. der Dienstleistungen, was sich positiv auf das Image des Unternehmens auswirkt. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bereitet gerade eine Kampagne vor, die sich explizit dieser Frage unter dem Stichwort »Kultur der Prävention« widmet. Sie zielt unter anderem darauf ab, das Thema Arbeitsschutz als festen Bestandteil des Unternehmensbewusstseins zu verankern und langfristig eine »Vision Zero«, also die Vision, eines Tages kein Unfallgeschehen mehr zu verzeichnen, zu verfolgen.

Christoph Preuße ist Leiter der Prävention der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM).

 

Interview: Silke Jarzina
Foto: BGHM, © motorradcbr - Fotolia.com
Veröffentlichung: 11.2015

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