Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Gefahrstoffe  

Ende der Umstellungsfrist für die Gefahrstoffkennzeichnung

Aufgepasst, die Umstellungsfrist für die Gefahrstoffkennzeichnung ist am 31. Mai 2015 ausgelaufen. arbeitssicherheit.de hat mit Peter Bruckhaus, Gefahrstoffexperte von TÜV Rheinland, darüber gesprochen, was sich damit für Unternehmen ändert und welche Herausforderungen sie meistern müssen.


arbeitssicherheit.de: Sehr geehrter Herr Bruckhaus, am 31. Mai 2015 endet die Übergangsfrist für die Gefahrstoffkennzeichnung. Können Sie kurz erläutern, um welche Änderungen es dabei konkret geht?

Peter Bruckhaus: Mit dem neuen, global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, kurz GHS, wurde eine weltweit einheitliche Kennzeichnung für Gefahrstoffe geschaffen. Kennzeichnungen beispielsweise für giftige, gesundheitsschädliche oder umweltgefährliche Chemikalien sind jetzt viel besser vergleichbar. Und das heißt auch: Es gibt jetzt einheitliche Kriterien für die Risikobewertung von Gefahrstoffen. Übrigens ist das nicht nur auf die Arbeitswelt beschränkt, es betrifft auch unmittelbar den häuslichen Bereich.

Wenn wir uns den Unternehmen zuwenden, die in der Pflicht stehen, auf diese Änderungen zu reagieren, welche Arbeitsbereiche müssen an die neue Gesetzeslage angepasst werden?

Hier verwende ich gerne das Eisberg-Prinzip. Was heißt das? Neben der klassischen Arbeitssicherheit mit Betriebsanweisungen oder dem erforderlichen Gefahrstoffverzeichnis tauchen wir tief in die Prozesslandschaft der verschiedenen Gefahrstoffe ab, Themen wie Risikomanagement, Gefährdungsbeurteilungen und Verbotslisten tauchen plötzlich auf. Hier ist interne Kommunikation gefragt, Logistik, Disposition, Produktion und die Dokumentation - alle Spieler von der Beschaffung bis zur Entsorgung müssen gemeinsam da rangehen. Anders ausgedrückt: Ein Seil reißt immer an der schwächsten Stelle. Es gilt, das Thema Gefahrstoffe von den letzten Plätzen in den oberen Tabellenplatz zu bringen. Denn sonst wird es schnell riskant.

Stehen Unternehmen dabei vor besonderen Herausforderungen und wenn ja, vor welchen?

Eine der größten Herausforderungen bei der Umstellung auf das geänderte System ist die neue Kennzeichnung von Gefahrstoffen. Das ist so, als würden neue Verkehrsschilder eingeführt. Einiges ist auf den ersten Blick sehr gut und selbsterklärend. Aber es gibt auch komplett neue Symbole, von denen zwei Symbole schwer zu interpretieren sind. Dabei handelt es sich zum einen um das neue orangefarbene Symbol mit dem Ausrufezeichen in der Mitte. Das lässt sich mit»„Achtung aufpassen« interpretieren. Doch das allein genügt nicht, denn unter das Symbol fallen Schadstoffe mit reizenden und gesundheitsschädlichen Wirkungen. »Reizung und Gesundheitsschäden« ist also treffender.

Auch das neue Symbol »Gesundheitsgefahr«, das einen Oberkörper mit einem Stern zeigt, hat es in sich. Dahinter verbergen sich Informationen, die erst beim zweiten Blick die wirklichen Risiken aufzeigen. Neben einer Erbgutveränderung können diese Stoffe möglicherweise auch eine krebserregende Wirkung haben. Und zum anderen sind die Signalwörter »Gefahr« und »Achtung«, die dabei helfen sollen, die Gefährlichkeit von Stoffen besser einschätzen zu können, eine weitere wichtige Neuerung.

Wie können Unternehmen sichergehen, dass sie die Änderungen korrekt umgesetzt haben und sie rechtssicher aufgestellt sind?

Die Umstellung hat für Unternehmen viele Änderungen zur Folge. Neben der neuen Kennzeichnung muss die Aktualisierung des Gefahrstoffverzeichnisses erfolgen. Auch eine Produktbereinigung unter dem Fokus der möglichen Substitution ist ratsam. Es gilt, die Aktualität der Sicherheitsdatenblätter sowie die mindestens 10-jährige Archivierung der Sicherheitsdatenblätter zu gewährleisten. Risikobewertung müssen durchgeführt werden. Also: Welches Gefährdungspotenzial ist in meinem Unternehmen vorhanden? Der Unternehmer muss Auswertungen über Gesundheitsgefahren, Umweltgefahren und Explosionsrisiken oder Brandschutz durchführen. Auch die Erstellung und Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungen, Schulungen und die gesamte Dokumentation sind sicherzustellen.

An welcher Stelle rechnen Sie mit Anpassungsschwierigkeiten?

Gehen wir zurück an das Seil, das an der dünnsten Stelle reißen kann: Hier sehe ich den Menschen als eigentliche Schwachstelle - egal in welcher Rolle, die Sensibilisierung des Risikobewusstsein muss uns gelingen. Wir wissen »Wieso? Das haben wir doch immer so gemacht?« Das sind die häufigsten Antworten bei Veränderungen. Regeln lassen sich auf dem Papier schnell umstellen, aber der Faktor Mensch ist es, der das Risikobewusstsein leben muss. Wir bei TÜV Rheinland haben seit zwei Jahren regelmäßig über diese Umstellung und die daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen informiert und tun das weiter.

Unwahrscheinlich, aber möglich: Was können Unternehmen tun, die das Ende der Übergangsfrist »verschwitzt« haben?

Das ist schwer zu sagen. Zumindest sollten alle Verantwortlichen eines Unternehmens wissen, mit welchen Risiken die Mitarbeiter umgehen oder welche Stoffe in der Produktion eingesetzt werden. Hier hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit dem einfachen Maßnahmenkonzept eine gute Vorlage geschaffen. Aus dieser Vorlage verknüpft mit der »TRGS 401 - Gefährdung durch Hautkontakt, Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen« und »TRGS 402 - Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition« und den CMR-Risiken haben wir beim TÜV Rheinland eine »Gefahrstoffampel« entwickelt. Genauer Informationen können sie unter tuv.com/togs im Internet nachlesen.

An wen können sich Unternehmen wenden, wenn sie Unterstützung bei den Umstellungen benötigen?

Das machen wir seit Jahrzehnten und auch aktuell helfen wir gern dabei, für das Unternehmen einen sicheren Raum zu schaffen - auch rechtlich. Hierbei ist unser Online-Gefahrstoffmanagementsystem TOGs ein wichtiges Tool. Es gibt einen Benchmark über die vielfältigen Aufgaben und Prozesse im Bereich Gefahrstoffe, angefangen bei der Informationsbeschaffung über die Datenvalidierung, der Risikobeurteilung, der Maßnahmenfestlegung bis hin zur Dokumentation, die Einsparung durch unser Onlinesystem sind erheblich. Mit dem Online-Gefahrstoffmanagement unterstützen wir Unternehmen dabei, die Themen effizient und rechtsicher umzusetzen. Dabei werden alle genannten Fragestellungen im System unterstützt.

Sehr geehrter Herr Bruckhaus, vielen Dank für das Interview.

Peter Bruckhaus, TÜV Rheinland Peter Bruckhaus, Experte von TÜV Rheinland für Gefahrstoffe und Gefahrstoffmanagement


Quelle/Text: Das Interview führt Silke Jarzina
Fotos: markus_marb - Fotolia.com, TÜV Rheinland

Artikel veröffentlicht: Mai 2015

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